Von keltischer Götterdämmerung. Die Kelten-Saga. Band 1-3: Anation - Wodans Lebenshauch / Völva - Wodans Seherinnen / Brictom - Wodans Götterlied. Die komplette Saga in einem Bundle. Astrid Rauner

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Von keltischer Götterdämmerung. Die Kelten-Saga. Band 1-3: Anation - Wodans Lebenshauch / Völva - Wodans Seherinnen / Brictom - Wodans Götterlied. Die komplette Saga in einem Bundle - Astrid Rauner Von keltischer Götterdämmerung

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einmal stand er barfuß im nassen Gras. Regenwolken säumten den Himmel von allen Seiten und sandten steifen Wind durch die Bäume des nahen Waldes. Zwei starke Arme hielten ihn umschlungen. Ihre Wärme ließ ihn erschauern und gab ihm eine Art von Geborgenheit, die Aigonn selbst so nur von seiner Mutter kannte.

      Rowilans Gesicht war dem seinen so nah, dass der Atem des Schamanen wie eine Brise über seine Haut strich. Es war nicht der Rowilan, der Aigonn in dieser Nacht erschöpft und ausgezehrt entgegengekommen war, sondern ein junger Mann, kaum zwanzig Jahre alt, mit einem Strahlen in den Augen, das er so von seinem Schamanen nicht kannte.

      „Ich glaube, du beschäftigst dich zu sehr damit. Du darfst dich nicht hinreißen lassen, für all diese Seelen Mitleid zu empfinden! Wir sind auch nur Menschen und keine Götter, das wissen sie.“

      Rowilans Hand streichelte seinen Rücken. Die Berührung erweckte in ihm ein Gefühl, das Aigonn selbst überrumpelte. Er konnte sich erinnern, dass er so einmal für ein Mädchen empfunden hatte – doch niemals in dieser Stärke, dieser Intensität. Deronas Gefühle überforderten ihn. Es schockierte ihn fast, wie sehr sie Rowilan geliebt hatte und gleichzeitig erschreckte ihn die Situation, denn im Moment hatte er ihre Rolle übernommen.

      Doch noch während er sich mit dem Gedanken beschäftigte, wie es sich anfühlte, einen Mann zu lieben, trübte sich dieses Gefühl. Er spürte eine tiefreichende, unterschwellige Angst, fast Panik, die nicht die seine war. Sein Körper versteifte sich. Rowilans Miene verlor einen Funken ihres Strahlens und wurde stattdessen besorgt. Aigonns Lippen zitterten, als er ausstieß:

      „Es hat nichts damit zu tun, dass ich mich zu sehr mit den Geistern beschäftige. Sie lassen von mir nicht ab. Sie kommen zu mir, nachts, tagsüber. Sie drängen mir ihre Geschichten auf und flehen mich an, ihnen ein Tor zu öffnen. Dabei kann ich ihnen gar nicht helfen.“

      Rowilans Blick wurde finster. Sein Griff um Aigonns Arme, die eigentlich die seiner Schwester waren, verstärkte sich, als würde Derona im nächsten Moment wie Eis zu Wasser schmelzen.

      „Wir müssen so schnell es geht mit dir üben, dich gegen so etwas zur Wehr zu setzen. Vielleicht war es wirklich zu früh, dich in ein solches Ritual einzubinden.“

      „Nein! Ohne meine Hilfe wäre es dir doch gar nicht gelungen. Alleine wärst du niemals wieder zu uns zurückgekehrt.“

      Rowilan hatte den Mund geöffnet, um etwas zu erwidern, doch im selben Moment verschwand die Szene vor Aigonns Augen. Der Griff des Schamanen löste sich auf, gab ihn frei und nahm damit auch Zuneigung und Geborgenheit mit sich.

      Die Furcht aber blieb. Aigonn sah Farben verschwimmen, eine Lichtung im Wald, nur von einer Fackel erhellt, die immer wieder taumelte, sich drehte. Drehte er sich oder waren es nur die Bilder vor seinen Augen? Er wusste es nicht. Aber plötzlich stieg eine ungeheure Übelkeit in ihm auf, dass er nur mit Mühe die Galle bei sich behalten konnte. Schwindel überkam ihn. Fast unerträglich sehnte er sich nach Schlaf, doch er kam nicht zur Ruhe. Wo vorher Stille gewesen war, erklangen Stimmen wie aus dem Nichts. Es waren so viele, so heftig, dass Aigonn die Hände hoch an seine Ohren reißen wollte. Doch er war wie gelähmt. Sein Körper schien versteinert. Unzählige Gestalten, durchsichtig wie Morgennebel, schwebten überall über dem Boden, kamen von allen Seiten. Und auf einmal hörte er jemanden sagen:

      „Gib nicht auf! Du kannst sie finden! Finde sie!“

      Jemand packte seine Hände. Der feste Griff schnitt ihm wie ein Seil ins Fleisch, doch er konnte sich nicht wehren.

      „FINDE SIE!“

      Die Bilder drehten und wiederholten sich. Er spähte wie besessen in das Gewirr aus Farben und zuckenden Gestalten. Doch er konnte nicht sehen, was er finden musste. Dabei hatte er nach ihr gerufen, sie war nicht gekommen. Irgendjemand rüttelte an seinen Schultern. Sein Körper schaukelte wie eine willenlose Puppe umher, während sein Kopf zu zerplatzen schien.

      Panik schrie in ihm auf. Überall Panik. Die Stimmen wurden immer lauter, immer mehr. Er konnte es nicht mehr ertragen.

      Dann fühlte er, wie er rannte. Rannte, als ob es um sein Leben gehen würde. Er war wehrlos. Er wusste, dass es zwecklos war, sich zu wehren. Es gab nur diesen einen Ausweg, diesen einen. Es hatte keinen Sinn, Widerstand zu leisten. Er wollte, dass es aufhörte, die Stimmen endlich aus seinem Kopf verschwanden.

      Aigonn schrie, schrie wie noch niemals in seinem Leben zuvor. Die dunklen Silhouetten des Grabes der Götter tauchten aus dem Zwielicht der Nacht auf. Fackeln rammte er in den Boden. Sie mussten ihn finden. Bald würde seine Mutter da sein, das wusste er. Wichtig war nur, dass sie ihn fanden.

      Er schrie. Immer lauter, immer heftiger. Ganz von fern versuchte eine Stimme seinen Geist zu erreichen, doch sie war ausgesperrt. Niemand sollte mehr in ihn eindringen, niemand mehr. Die Erinnerung verschwamm. Jemand hatte ihn an den Schultern gepackt und rüttelte seinen Körper aus Leibeskräften.

      „AIGONN! KOMM ZU MIR ZURÜCK!“

      Die Emotionen überwältigten ihn. Aigonn hatte keine Kraft mehr, sich dagegen zu wehren. Seine Finger bluteten. Mit letzter Stärke zog er sich den nördlichen Monolithen hinauf. Es sollte vorbei sein, es würde ein Ende nehmen. Er musste nur einmal mutig sein, einmal …

      „AIGONN!“ Die Ohrfeige traf ihn so unvermittelt, dass sie Wirkung zeigte. Nacht verwandelte sich in roten Feuerschein. Eine stille, ruhig fließende Kraft zog seinen Geist wie eine dritte Hand in seinen Körper zurück. Vergangenheit wurde zur Gegenwart.

      Als Aigonn blinzelnd die Augen aufschlug, schaute er in die entsetzte Miene der jungen Frau. Sie hatte seine Oberarme mit beiden Händen umklammert, als würde er augenblicklich in ein Loch ohne Boden fallen, während er sich langsam dem Gewicht seines eigenen Körpers bewusst wurde.

      „Aigonn!“ Ihre Stimme verriet echte Angst. Er selbst öffnete und schloss noch einmal ganz langsam die Augen, dann erkannte er endlich vor sich die Wirklichkeit. Dünne Rauchschwaden hatten sich in der Zwischenzeit an der niedrigen Decke gesammelt, die ihn unvermittelt husten ließen. Als er sich beruhigt hatte, fühlte er jedoch eigene Panik. Die Grabkammer schien ihm plötzlich unendlich eng, klaustrophobisch. Ohne große Rede schob er die junge Frau beiseite und flüchtete sich mit aller Kraft nach draußen.

      Dort empfing ihn dämmriges Morgenlicht. Die frische, feuchte Luft der Wiesen spendete ihm solche Erholung, dass er sich von einem Moment auf den anderen wie erschlagen fühlte. Seine Beine schienen das doppelte Gewicht als üblich zu haben, als er sie aus dem Eingang hinauszog. Und erst mit dem Versuch aufzustehen bemerkte er das Zittern, das seinen ganzen Körper erfasst hatte.

      Es dauerte nicht lange, bis die junge Frau ebenfalls aus dem Grabhügel kletterte. Aigonn saß wie das lebende Elend im regennassen Gras, kreidebleich, zittrig. Sie wagte kaum, ihn an der Schulter zu berühren, als sie sich neben ihm niederließ.

      „Verzeih mir!“ Die Entschuldigung hatte sie Aigonn nur zugehaucht. Doch dieser schlug im selben Moment die Augen auf und fragte: „Wofür?“

      „Ich hatte nicht erwartet, dass es so heftig werden würde. Ich selber kann mich nur entsinnen, dass eine viel größere Distanz zwischen dem Sehenden und den Erinnerungen bestehen müsste. Vielleicht habe ich mich geirrt, weil du zu ganz anderen Dingen in der Lage bist als ich.“

      Aigonn antwortete nicht. Er starrte zwischen den Grabhügeln auf den See hinaus, wo Nebelschwaden lautlos über dem Wasser schwebten. Sein Innerstes tobte noch. Er wusste gar nicht, wie er die Unmassen an Gefühlen, Bildern und Erinnerungen verarbeiten sollte. Zwar spürte er, dass es vorbei war, nicht zu ihm gehörte,

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