Von keltischer Götterdämmerung. Die Kelten-Saga. Band 1-3: Anation - Wodans Lebenshauch / Völva - Wodans Seherinnen / Brictom - Wodans Götterlied. Die komplette Saga in einem Bundle. Astrid Rauner
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„Efoh …“ Mehr brachte er nicht heraus. Die Anklage in den Augen seines Bruders war unverkennbar. Vielleicht war er zu weit gegangen, vielleicht hätte Efoh in diesem Moment Verständnis für seine Lage aufbringen können, wenn er ihn eingeweiht hätte. Warum auch immer er es nicht getan hatte.
„Oh ja, … ich bin es.“ Der Zynismus schien Aigonn wie ein Messer in die Haut zu schneiden. Er hatte ihm den Mut aus der Stimme genommen, als er seinem Bruder zuraunte: „Ich … hatte, um ehrlich zu sein, … nicht geglaubt, dass du noch am Leben bist.“
Efoh lächelte kalt. „Glaub mir, ich bin so lebendig, dass ich mir mit jedem Herzschlag auf die Füße kotzen könnte. Aber was würde das bringen?“
Aigonn konnte nur im Stillen mitlächeln, bevor der Moment verflog und Efoh mit kräftigerer Stimme erzählte: „Mutter ist fort. Ich kann dir nicht sagen, ob diese Kerle sie umgebracht haben, aber ich habe sie nicht finden können, sonst säße ich jetzt nicht hier.“
„Du hast versucht zu fliehen?“
Nun musste Efoh wirklich lachen, doch es lag keine Freude darin. „Hast du mich wirklich für einen solchen Helden gehalten, der bis zum letzten Moment eine aussichtslose Sache verteidigt? Nein, das bin ich nicht. Ich fürchte nur, die Götter hätten es lieber anders gesehen und haben mich nun dazu gezwungen, den Standhaften zu spielen.“
Aigonn schmunzelte schwach, legte seinem Bruder eine Hand auf die Schulter – auch wenn er nicht wusste, was er ihm mit dieser Geste geben konnte. Er ließ den Augenblick verklingen, bevor er fragte: „Was glaubt ihr, haben sie mit uns vor?“
„Wenn wir das wüssten!“ Bral spuckte einen Flecken Speichel auf die Erde. „Der einzige, mit dem sie verhandeln, ist Behlenos. Wir sind alle nicht klüger als du.“
„Aber du vielleicht klüger als wir.“ Dieser Einwurf war von Efoh gekommen. Das gefährliche Funkeln in den Augen seines Bruders erschreckte Aigonn beinahe, so wenig wollte es zu dem Efoh passen, den er im Geiste vor Augen hatte. Dieser eine Tag hatte seinen Bruder verändert, ob es ihm passen wollte oder nicht. Jetzt musste er damit leben. Er wusste genau, worauf Efoh anspielte, und dem war sich dieser vollkommen bewusst.
„Du warst nicht in der Siedlung, als die Eichenleute uns überfallen haben“, stichelte er nun weiter, „und Lhenia ebenfalls nicht. Ich fürchte fast, Rowilan hatte Recht mit seinem Gedanken, dir eine Wache zur Aufsicht zuzuweisen. Möchtest du uns nicht allmählich verraten, was ihr beiden zu schaffen habt?“
„Willst du damit sagen, dass ich euch verraten habe?“ Die Unterstellung entrüstete Aigonn – noch viel mehr, dass plötzlich sein eigener Bruder zum Ankläger geworden war. Doch er hatte Efoh und seine Absichten verkannt. Ohne sich von der Anschuldigung seines Bruders beeindrucken zu lassen, erläuterte dieser – in einer seligen Ruhe, als würden sie einen Streit zwischen Kindern schlichten: „So viel nicht, nein. Das traue ich dir nicht zu. Aber es schließt nicht aus, dass du im Geheimen doch gegen uns arbeitest. Nicht gegen alle, nein. Nur gegen manche von uns, die du in deiner Verbissenheit für Wahnsinnige hältst!“
In Aigonns Augen war Efoh nicht wiederzuerkennen. Seine Miene sprach eine unverkennbare Sprache, ganz gleich, ob es Aigonn schlüssig wurde, was seinen Bruder dazu bewegte, ihn und seine Absichten nun vor anderen ihres Stammes so bloß zu legen.
Das Schicksal aber ersparte ihm die Antwort. Keiner der kaum zwanzig Bärenjäger hatte recht auf die Wachen vor dem Eingang der Höhle geachtet, die in einiger Entfernung ihre Gefangenen im Auge behalten hatten. Nun aber war ein fremder Mann hinzugekommen und ließ sich von vier weiteren Kriegern Eintritt zu der Höhle verschaffen.
Das Schaben eines der Baumstämme über den Erdboden unterbrach jäh die Auseinandersetzung unter den Bärenjägern. Ihnen blieb kaum genug Zeit, um die Lage abzuschätzen, bevor bereits der fremde Mann vor die anderen Krieger trat, auf Aigonn zeigte und ihm zurief: „Du! Komm her!“
Im ersten Moment war Aigonn zu überrumpelt, um zu reagieren. Als der Eichenmann dann aber seine Aufforderung in schärferem Ton wiederholte, trat er zögernd an die kleine Öffnung, die nun zwischen dem Gitter aus Ästen und Baumstämmen entstanden war.
Auf einmal, ohne weitere Ansagen zu geben, packte man ihn am Arm und zerrte ihn aus der Lücke heraus, so schnell er sich hindurch zwängen konnte. Der Moment überraschender Freiheit währte jedoch nur wenige Atemzüge, bevor man seine Hände packte und diese hinter dem Rücken so sorgfältig mit Stricken fesselte, dass es ihm fast das Blut abschnürte. Gleichzeitig legte man ihm lockere Fußfesseln an, breit genug, um zu laufen, jedoch nicht, um davonzurennen. Zu guter Letzt, was Aigonn vielmehr überraschte, malte der scheinbare Anführer der Männer ihm einen Strich mit Ocker auf die Stirn – so schnell, als trüge Aigonn Gift an sich – und schlug danach auf seiner Brust ein Schutzzeichen.
Irritiert blickte Aigonn die fremden Männer an. Doch ohne ihm große Erklärungen zu liefern, zerrte einer der Krieger an seinen Fesseln und trieb ihn damit zum Laufen. Die restlichen Männer kreisten ihn ein, als ob sie seine Leibwache bildeten. Nach einer gewissen Zeit aber fragte Aigonn sich, wer in diesem Moment eigentlich vor wem in Schutz genommen werden sollte.
Auf diese Weise durchquerten sie das Heerlager, wie Aigonn nun erkennen konnte, das unweit einer größeren Siedlung gelegen war. Eine niedrige, baumbewachsene Talseite bot dem Domizil von der einen Seite her Schutz, während auf der anderen die Rur wie ein rauschender Grenzwall keinen Feind in Treffweite von Wurfgeschossen heranließ. Wälle mit Palisaden und Pfostenschlitzmauern machten die Ansammlung von Häusern zu einer Festung, die Behlenos wohl niemals hätte einnehmen können.
Aigonn war noch nie zuvor im Machtzentrum des Eichenfürsten gewesen, und er konnte nicht leugnen, dass er beeindruckt war. Die Siedlung der Eichenleute, die er und Anation – kurz nachdem er sie am Grab der Götter gefunden hatte – auf ihrer Rückkehr versehentlicher Weise entdeckt hatten, kam ihm wieder in den Sinn und war begleitet von einem Schuldgefühl, das auf einmal so nicht gekannte Größe erlangte.
Von dort waren die Späher gekommen, sicherlich. Ansonsten hätten die Eichenleute niemals einen so perfekten Angriff landen können. Es war Aigonn schleierhaft, warum außer ihm niemand sonst die Siedlung entdeckt hatte. Doch in diesem Moment war es für solche Spekulationen ohnehin zu spät.
Mit dem Eindruck schwanden gleichzeitig alle letzten Hoffnungen. Anation hatte man hierher verschleppt. Wäre die Siedlung von den Ausmaßen seiner Heimat gewesen, hätte eine Flucht noch im Bereich des Möglichen gelegen. Doch diese Barrieren mit ihren Wachen zu überwinden, schien Aigonn beinahe undenkbar.
Man führte ihn durch das wohl bewachte Haupttor bis tief in die Siedlung hinein. Die einzelnen Ställe und Lehmhäuser unterschieden sich in nichts von denen der Bärenjäger, sondern schienen lediglich mit dem Symbol eines Eichenblattes gebrandmarkt, das auf einmal wie eine Barriere zwischen die beiden Stämme getreten war.
Aigonns Weg endete auf dem großen Marktplatz, dessen Zentrum eine uralte, gewaltige Eiche dominierte. Der gesamte Ort war von allen Seiten mit Fackeln und Feuern erhellt. Eine Menschenmenge, als gelte es ein Gericht zu versammeln, umringte den Ort und öffnete wie von allein eine Gasse für den Eichenmann, der mit seinem Gefangenen vortrat.
Als er endlich das Innere des Platzes einsehen konnte, wurde Aigonn erschreckend deutlich bewusst, wie richtig er mit seiner Vermutung gelegen hatte. Sie befanden sich auf einer Gerichtsversammlung – nicht an den heiligen Orten, wie es üblich war, wenn sich alle Siedlungsangehörigen eines Stammes versammelten, sondern stattdessen direkt auf dem Marktplatz im Zentrum allen Geschehens.