Aldarúun. Valeria Kardos
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Читать онлайн книгу Aldarúun - Valeria Kardos страница 16
„Das glaubst du nie! Nie im Leben!“, sprudelt es aus ihr heraus. Sie packt meine Hand und zieht mich hinter sich her. Ich will sie fragen, was in sie gefahren ist, aber sie faselt nur etwas von Klonen und anderem wirren Zeug. Sie zerrt mich ins Wohnzimmer und deutet auf die Verandatür. „Da! Sieh dir das an!“
Jetzt verstehe ich ihre Aufregung. Unser üblicher kleiner Gast sitzt wieder vor der Tür, samt seinem rundlichen Freund – und einem dritten pelzigen Neuzugang.
„Die vermehren sich wie die Gremlins“, sagt Liliana aufgeregt, „ich wette mit dir, die sind aus irgendeinem Labor entflohen.“
„Sicher“, erwidere ich spöttisch und betrachte die Neue. Sie ist etwas größer als die anderen zwei, hat aber das gleiche Fell und dasselbe eigentümliche Verhalten. Ich gehe langsam auf die drei zu, und sie weichen dieses Mal nicht zurück, auch nicht, als ich in die Knie gehe. „Wer seid ihr bloß? Und wo kommt ihr her?“, denke ich laut, als sich plötzlich unser erster kleiner Gast erhebt und langsam auf mich zutapst. Ich habe meine Hände auf die Knie gelegt und warte überrascht ab. Sie kommt vorsichtig näher, schnuppert und leckt ein paar Mal über meine Hand. Dann setzt sie sich auf ihre Hinterläufe und schaut mich auf diese sonderbar eindringliche Art an.
„Da wird doch nicht etwa jemand noch zutraulich?“, frage ich erstaunt und betrachte das hübsche kleine Gesicht mit den weißen Schnurrbarthaaren.
Vorsichtig strecke ich ihr meine Hand entgegen, und sie rührt sich nicht von der Stelle. Ihr Fell ist seidig weich und ich würde sie am liebsten auf den Arm nehmen, aber ich will mein Glück nicht überstrapazieren. Ich fahre ihr ein paar Mal vorsichtig durchs Fell, da steht sie wieder auf und tapst zu ihren beiden Artgenossen zurück.
„Nanu, das war aber seltsam, fast wie ein Freundschaftsangebot“, sagt Liliana im Hintergrund. Sie kommt näher und geht ebenfalls in die Hocke. „Übrigens, was mir an ihnen aufgefallen ist: Alle drei sind Kater.“
„Ehrlich? Bist du sicher?“
„Sie sind nicht kastriert. Sie haben noch ihre kleinen schwarzen Bällchen.“
Liliana erhebt sich lachend, als sie meinen pikierten Gesichtsausdruck sieht, und verschwindet in der Küche. Auch ich mache mich wieder an die Arbeit.
Liliana und ich haben Wetten abgeschlossen, wie viele noch in den nächsten Tagen auftauchen würden, aber wir liegen beide falsch.
10
Der Angriff ist jetzt fünf Tage her. Die Fenster und die Terrassentür sind repariert. Das Restgeld hat Liliana beiseitegelegt. Wer weiß, was noch auf uns zukommt.
Sie ist stellvertretende Abteilungsleiterin eines Baumarktes und hat ihren Chef tatsächlich überreden können, ihr kurzfristig zwei Wochen Urlaub zu gewähren. Somit hat sie die letzten Tage damit verbracht, herumzutelefonieren – und ist tatsächlich fündig geworden. Alvar war hocherfreut, dass es uns gut geht, und sagte, dass er schon länger nach uns suche. Außerdem, dass wir so schnell wie möglich aufbrechen sollten, da weiterhin Gefahr drohe. Beschützen könnten sie uns am besten in der Villa. Wir haben so etwas nicht nur geahnt, sondern auch befürchtet.
Es ist Freitag und wir wollen morgen Abend losfahren, da nachts die Autobahn nicht so voll ist. Alvar sagt, wir dürfen mit niemandem über unsere Flucht reden – auch nicht mit Ramona. Das schmeckt mir gar nicht, aber ich füge mich. Da wir nicht wissen, wann wir wieder zurückkommen werden, haben Liliana und ich beschlossen, den letzten Tag in unserem geliebten Zuhause mit ihr zu verbringen. Wir haben unseren Frauenabend vorverlegt, der einmal im Monat stattfindet. Eingeführt haben wir ihn vor etwa einem Jahr, als Ramona wieder einmal ihren Liebeskummer auf unserem Sofa ausweinte.
Ich war in der Stadt, um noch ein paar Besorgungen für unsere Reise zu erledigen, und schiebe gerade den Schlüssel in die Haustür, als ein kleiner schwarzer Blitz um die Ecke schießt. „Hey, Dickerchen, wo kommst du denn her?“ Ich bücke mich und streichele sein seidiges Fell, während er sich schnurrend gegen meine Hand drückt.
Den kleinen Kater nennen wir Kleiner, den dicken Kater Dicker und den großen Kater … na, wer hätte das gedacht … Großer. Ich weiß, einfallsloser geht es nicht mehr, aber wir wollten unsere Herzen nicht allzu sehr an die drei Racker binden. Leider ist das in den letzten Tagen bereits passiert. Sie sind so unglaublich zutraulich und liebenswert. Warum mussten sie uns ausgerechnet jetzt zulaufen?
Verdammt – echt schlechtes Timing!
Ich muss morgen dringend die Burkhardts fragen, ob sie sie aufnehmen. Die kleine Natalie wird sich bestimmt freuen.
Ich schließe die Tür auf. „Na, komm rein, mein Süßer! … Mama? Wo steckst du?“
„In der Küche“, höre ich eine gedämpfte Stimme. Ich lege meine Tasche ab und folge ihr. Dicker tapst hinter mir her.
Liliana sitzt am Küchentisch und umklammert eine Tasse. Ihr Ausdruck ist starr auf ihren Tee gerichtet.
„Was ist los?“, frage ich besorgt und setze mich ihr gegenüber. Sie blickt kurz auf. Ihre Kiefer mahlen. „Alvar sagt, dass wir uns keine Sorgen machen müssen. Das Haus Gollnir wird vor Ort alles regeln – was auch immer das bedeutet. Ich habe für all das hier so hart gearbeitet …“
„In drei Monaten beginnt meine Ausbildung, denkst du, bis dahin ist alles geregelt?“
Liliana wirft mir einen merkwürdigen Blick zu. „Ich hoffe es“, antwortet sie leise. „Aber irgendwie habe ich ein ganz merkwürdiges Gefühl.“
„Wie meinst du das?“, frage ich stirnrunzelnd.
„Sie haben mich damals nicht ohne Grund weggeschickt. Und scheinbar hat sich das Problem in den letzten zwanzig Jahren nicht aufgelöst.“
„Verstehe.“ Ich atme geräuschvoll aus und blicke auf meine Fingernägel. Es ist still. Nur das Ticken der Wanduhr ist zu hören. „Also, willst du damit sagen, dass wir vielleicht eine lange Zeit nicht mehr zurückkommen werden?“, frage ich tonlos.
„Gut möglich, Anja.“
Ich nicke stumm und wieder ist nur das Ticken der Uhr zu hören.
Liliana legt ihre Hand auf meine und lächelt mir aufmunternd zu. „Jetzt warten wir erst einmal ab, was kommt. Antworten werden wir in Budapest erhalten. Und dann können wir immer noch entscheiden, was wir tun werden.“
Ich lächele zurück, bin aber trotzdem nicht glücklich, wie alles verläuft.
„Wann will Moni hier sein?“, fragt Liliana.
„In einer Stunde“, antworte ich. „Das lässt mir noch Zeit für ein Bad.“ Ich stehe auf und gehe die Treppe hoch.
Das Wasser läuft noch in die Badewanne, da höre ich ein Kratzen an der Tür. Ach ja, wie konnte ich das vergessen! Ich öffne sie einen Spalt und die drei kleinen Pelzköpfe huschen herein. Sie setzen sich auf ihre üblichen Beobachtungsplätze: Dicker auf die Waschtruhe, Großer auf den Badewannenrand am Fußende und Kleiner am Kopfende. Normalerweise scheuen sie das Wasser wie jede andere Katze auch, aber mein tägliches Waschen scheint sie zu faszinieren.
Die