Aldarúun. Valeria Kardos

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Aldarúun - Valeria Kardos

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Meine Schulter schmerzt nach den gestrigen Ereignissen wieder. Schlurfend steige ich die Treppe hinunter und schaue mich nach Liliana um. Ich höre sie in der Küche werkeln. Ein kurzer Rundblick im Flur zeigt mir das Ausmaß der Verwüstung. Die Möbel sind zum größten Teil zertrümmert und mehrere Fenster eingeschlagen. Die Polizeibeamten hatten uns zwar nahegelegt, in ein Hotel zu ziehen, aber wir waren einfach zu erschöpft. Sie verklebten daraufhin freundlicherweise die Fenster mit Folien, um wenigstens etwas die Kälte auszusperren.

      Ich laufe in die Küche, um zu sehen, wie es Liliana nach dieser Horrornacht geht. Sie hat Kaffee aufgesetzt und den Backofen angemacht. Als sie mich hört, dreht sie sich um und kommt mit offenen Armen auf mich zu. „Wie geht es dir, Angyalom?“, fragt sie und schaut mich eindringlich an.

      „Ich bin okay, aber was ist mit dir, Mama?“

      „Unverwüstlich – wie ein alter VW Käfer“, antwortet sie mit ihrem süßen Akzent und macht eine wegwerfende Handbewegung.

      „Und deine Prellungen?“

      „Werden schon heilen!“

      Sie ist stark und ich bin froh darüber, denn eine ängstliche, weinerliche Person könnte ich an diesem Morgen nicht ertragen.

      „Weißt du, egal wie schlimm die Lage sein mag, etwas Gutes habe ich zu berichten“, sagt sie strahlend und schiebt die Brötchen in den Ofen.

      „Eine gute Nachricht ist jetzt genau, was ich brauche.“

      „Der Plasmafernseher hat es überlebt!“

      „Wie schön, dass du Prioritäten setzt.“ Grinsend hole ich die Kaffeebecher aus dem Schrank.

      Bevor wir in den frühen Morgenstunden müde ins Bett gefallen waren, haben wir kein Wort mehr über den Angriff verloren. Doch jetzt, finde ich, ist ein guter Zeitpunkt, dieses Thema wieder aufzugreifen. „Du hast der Polizei letzte Nacht ja eine wilde Geschichte aufgetischt.“

      Sie dreht sich nicht um, sondern beginnt, Käse und Wurstaufschnitt auf einem Teller anzurichten – sehr langsam, wie ich finde.

      „Nun, die Wahrheit hätten sie uns wohl auch kaum abgenommen“, antwortet sie in einem belanglosen Tonfall.

      „Was genau ist denn die Wahrheit? Ich meine, uns ist beiden doch wohl klar, dass solche Tiere nicht existieren! Aber trotzdem waren sie hier und haben uns fast getötet!“

      Schweigen.

      „Außerdem hat die Polizei nirgendwo Kadaver gefunden. Also sind sie wieder, wie damals in der Tiefgarage, verschwunden. Aber so etwas dürfte eigentlich nicht passieren – nicht in meiner Welt!“

      Schweigen.

      „Mama, du weißt etwas! Das ist mir schon seit dem Krankenhaus klar, also bitte rede mit mir.“

      Seufzend dreht sie sich um, greift nach meiner Hand und zieht mich zum Küchentisch rüber. „Seit deiner Geburt habe ich mich vor diesem Tag gefürchtet. Doch ich bin in letzter Zeit wohl etwas nachlässig geworden, vermutlich weil bisher nie etwas passiert ist. Die Alltagsroutine hat mich unvorsichtig werden lassen.“

      „Was meinst du damit? Hast du so einen Angriff etwa erwartet?“, frage ich irritiert.

      „Vielleicht nicht so einen Angriff. Ich hatte keine Ahnung, was passieren könnte, außer dass wir in Gefahr waren … genaugenommen dass du stets in Gefahr warst!“

      Meine Kinnlande klappt runter.

      „Ich? Warum?“

      Sie atmet geräuschvoll aus und bedenkt mich mit einem sonderbaren Blick. So hat sie mich noch nie angesehen und es gefällt mir ganz und gar nicht.

      „Anja, was ich dir jetzt zu sagen habe, ist sehr, sehr wichtig! Ich möchte, dass du mir aufmerksam zuhörst und dich vor allem nicht aufregst. Kriegst du das hin?“

      „Aufmerksam zuhören?“

      „Nein, Schatz, dich nicht aufregen.“

      „Wie kann ich dir das versprechen, wenn ich nicht weiß, worum es geht?“

      Resigniert fährt sie sich durchs Haar. „Das, was uns letzte Nacht widerfahren ist, hängt mit der Herkunft deines Vaters zusammen. Ich hatte dir zwar erzählt, dass er durch einen Verkehrsunfall ums Leben kam, aber das war nicht die Wahrheit.“ Sie schluckt und blickt zu Boden. „Er wurde ermordet!“

      „Ermordet?“, flüstere ich bleich. „Von wem? Warum?“

      „Das weiß ich bis heute nicht, es ging alles so verdammt schnell! Attentäter, sagte man mir nur.“

      Attentäter? Wer zur Hölle war mein Vater?

      Sprachlos und völlig geplättet beobachte ich, wie Liliana aufsteht und sich ans Fenster stellt. Sie spricht weiter, aber ihre Stimme klingt seltsam fremd.

      „Als es passierte, war ich gerade mal zwei Tage in der Villa zu Besuch. Ich war so jung und unerfahren und von Hakon wusste ich so gut wie nichts. Außer, dass er aus einem sehr reichen und mächtigen Haus stammte. Kennengelernt habe ich damals aber nur seine Großtante Sophia. Sie war in höchstem Maße einschüchternd und ließ mich nur allzu deutlich spüren, dass sie weder mich noch meine Herkunft billigte.“

      Liliana macht eine Pause und fährt eine imaginäre Linie am Fensterrahmen entlang. „Es regnete. Ich erinnere mich, als wäre es gestern gewesen. Es war einer dieser grauen, kalten Herbsttage und ich hatte wieder einen fürchterlichen Streit mit Sophia hinter mir. Ich saß heulend auf dem Bett und Hakon versuchte zu vermitteln, aber ich reagierte auf seine Beschwichtigungsversuche wie ein trotziges Kind. Er sagte, er würde mir etwas Zeit geben und später wiederkommen.“ Eine Träne läuft über ihr hübsches Gesicht. „Er wollte wiederkommen …“

      „Was ist passiert?“, frage ich vorsichtig.

      „Er kam nicht wieder. Kurze Zeit später fand man ihn blutüberströmt im Garten. Ein Dolch steckte in seinem Hals.“

      Mir bleibt vor Schreck die Luft weg und ich sehe, wie sich Lilianas Haltung versteift.

      „Ich war wie von Sinnen und wollte nicht von seinem toten Körper weichen, aber Sophia betrachtete mich wie ein lästiges Insekt, das sie am liebsten zertreten hätte. Ich hatte es nur Alvar zu verdanken, dass sie mich nicht sofort vor die Tür setzte.“

      „Wer ist Alvar?“

      „Seine genaue Funktion hat sich mir nie ganz eröffnet. Er ist wohl eine Art Berater der Gollnir-Familie und Hakon legte stets großen Wert auf seine Meinung. Er war der Einzige, der mir in meiner Trauer beistand. Ich denke, ohne ihn wäre ich damals zerbrochen.“

      Liliana dreht sich um und lehnt sich mit dem Rücken gegen das Fenster. „Ich wusste erst seit ein paar Tagen, dass ich schwanger war. Hakon und ich hatten uns nur Alvar anvertraut, doch jetzt musste auch Sophia eingeweiht werden. Sie ist fast ausgeflippt, als sie davon erfuhr. Zuerst dachte ich, es wäre wegen meiner unstandesgemäßen Herkunft, aber es ging ihr gar nicht um mich – sie war deinetwegen so aufgeregt! Sie baten mich kurz darauf zu einer geheimnisvollen nächtlichen Unterredung und Alvar berichtete mir, dass die komplette Gollnir-Familie ausgelöscht werden sollte. Hakon war ein Einzelkind und Sophia

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