Die Pest. Kent Heckenlively
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Nachdem das Essen vorbei war, nahm Frank Harvey beiseite und nahm ihn ins Kreuzverhör: Was waren Harveys Beweggründe? Welchen Nutzen wollte er daraus ziehen? Harvey antwortete, dass seine Tochter nun Mitte zwanzig und seit ihrem zwölften Lebensjahr krank sei. Mit Geld könnte man eine Menge erreichen, aber wenn das eigene Kind krank war, wie wichtig war das dann alles? Sein angespannter Gesichtsausdruck zeugte von der Betrübnis eines Vaters darüber, dass seine Tochter ihre unbeschwertesten Jahre an die Krankheit verloren hatte und kein Ende in Sicht war.
Harvey schien viel über die lokale Geschichte zu wissen, und Frank war froh, dass Harvey Interessen jenseits des Geschäfts hatte. Frank dachte, er erkenne einen Mann, der den intellektuellen Kampf liebte, als er Harvey fragte, ob er wisse, wo der Namensgeber der Stadt Reno begraben sei. Harvey wusste, dass die Stadt nach dem im Bürgerkrieg verstorbenen Unionsgeneral Jesse Reno benannt wurde, wusste aber nicht, wo er begraben war.
„Sein Grab liegt in Frederick, Maryland, in der Nähe des National Cancer Institute“, sagte Frank etwas süffisant. „Er starb in der Schlacht von South Mountain. Ich war schon ein paarmal dort.“
Frank konnte sehen, dass Harvey etwas verunsichert war, dass Frank über eine wissenswerte Kleinigkeit Bescheid wusste, die ihm nicht bekannt war. Harvey war eindeutig ein Mann, der nicht gerne verlor. Das konnte von Vorteil sein. Sie redeten noch eine Weile, und dann sagte Frank abrupt: „Harvey, das war ein schöner Abend, aber ich muss gestehen, dass ich ein bisschen enttäuscht bin.“
„Warum denn das?“, fragte Harvey etwas erstaunt.
„Ich habe immer wie der französische Philosoph Balzac geglaubt, dass hinter jedem Vermögen ein großes Verbrechen steckt. Und während unseres Aufenthalts hier habt ihr dafür gesorgt, mich eines Besseren zu belehren.“
Sie lachten herzlich darüber. Als Frank und Sandy am nächsten Tag am Flughafen waren, rief Judy Frank auf seinem Handy an. „Was soll ich tun?“, fragte sie.
„Nimm den verdammten Job an!“, brummte er.
Wie sie es versprochen hatte, folgte sie seinem Rat.
Frank klagte später, es sei der schlechteste Rat, den er jemals jemandem gegeben habe.21
KAPITEL 3
Der zweite Tag im Gefängnis
Judy, in diesem Haus stimmt irgendetwas nicht.
—Mikovits’ Stiefvater, als er an aggressivem Prostatakrebs starb
Samstag, 19. November 2011
Um viertel vor sechs Uhr morgens dröhnten die Turmwächter über die Lautsprecher: „Frühstück wird in fünfzehn Minuten serviert.“ Ein Lautsprecher in jeder Zelle verband die Gefangenen mit dem Hauptturm, eine kreischende, allgegenwärtige Erinnerung an das institutionelle Umfeld. Mitteilungen konnten auf diese Weise in alle Zellen oder auch in nur eine einzelne Zelle übermittelt werden. Jede Gefangene lernte schnell, mit einem Pawlow’schen Reflex auf den Lärm zu reagieren: Sie sollte vollständig angekleidet sein, ihre Koje gemacht haben, ihr kleines Handtuch um den Hals wickeln, ihre Registrierungsnummer auf ihrem Arm sichtbar machen und an der hinteren Wand gegenüber der Tür stehen, wobei ihre Nase tatsächlich die Wand berühren sollte.1
Mikovits konnte sich nicht an das erinnern, was in den Momenten geschehen war, bevor die Wache sie aus dem verträumten Zustand riss, in dem sie für eine Minute hatte vergessen können, wo sie sich befand. Vielleicht war sie wieder eingeschlafen. Marie bereitete sich auf den Appell vor, also schwang Mikovits sich eilig von ihrer Koje herunter, um dasselbe zu tun. Am Vorabend hatte sie einen Riegel Seife erhalten, nur wenig größer als ein Silberdollar, sowie ein einziges, in Aluminiumfolie eingeschweißtes Päckchen Zahnpasta. Sie benutzte beides schnell, ohne zu realisieren, dass dies die einzigen Toilettenartikel waren, die man ihr für die nächsten fünf Tage zur Verfügung stellen würde.
Da Judy das Protokoll nicht begriff, stellte sie sich vor die Tür, während sie wartete und die Dicke der Stahltür an ihrer Zelle und das kleine Fenster darin bemerkte, das nicht größer als 15 x 20 cm war und den Wachen ermöglichte, hineinzuschauen und zu sehen, ob sie bereit waren. Sie spürte einen Klaps auf ihrer Schulter, drehte sich um und sah, wie ihre Zellengenossin ihr ein Zeichen gab, sich zur Rückwand zu bewegen. „Du musst das tun“, sagte Marie und drehte sich zur Wand und berührte sie mit ihrer Nase. „Es gibt Ärger für alle heute, wenn du das nicht machst.“ Sie machte übertriebene Grimassen und Gesten.
Die Wachen kamen vorbei und starrten auf ihre Registrierungsnummer und ihre Kleidung. Sie bestand die Musterung, und sie und Marie wurden routinemäßig aus ihrer Zelle geführt und stellten sich an die Wand, bis die Wachen damit fertig waren, alle zu kontrollieren. Als alle Gefangenen versammelt waren, marschierten sie unter Begleitung zum Frühstück. Mikovits nahm sich einen Moment Zeit, um den strategischen Grundriss der Anlage zu beobachten. Jeder Zellentrakt war wie ein dreieckiges, an einem Zentrum befestigtes Blütenblatt, wobei sich die Zellen am weiter entfernten Ende zu einem einzigen Ausgang verengten, der in einen großen, runden Raum führte, der das Zentrum der „Blume“ dieser blütenförmigen Zellentrakte um sie herum war. Der Kreis diente als „Freizeitraum“ für die Gefangenen sowie für die Aushändigung der Mahlzeiten, bevor sie in ihre Zellen zurückkehrten, um zu essen. Der „Turm“ befand sich in der Mitte der vier „Blütenblätter“, die um ihn angeordnet waren, sodass die Wachen die einzelnen Zellenblöcke sowie die Freizeitbereiche sehen konnten.
Das Frühstück an diesem Morgen bestand aus Trockenei und entweder Toast oder Pfannkuchen, die aussahen, als ob sie aus dem Gefrierschrank genommen und in einem riesigen Ofen auf ein Blech geworfen worden waren. Sie nahm den gefüllten Teller, beabsichtigte aber nicht, etwas davon zu essen, vor allem nicht die Eier, die ungefähr so appetitlich aussahen wie jahrzehntealte Nahrung aus einem Luftschutzbunker. Sie rechnete damit, bis zum Ende des Tages eine Kaution hinterlegen zu können und freigelassen zu werden. Als sie sich die aufbereiteten Eier auf dem traurig aussehenden Pappteller ansah, war alles, an was sie denken konnte, was für ein Glück sie hatte, dass ihre letzte Mahlzeit vor der Inhaftierung ein wunderbarer Frühstücksburrito in Mrs. Olsons Kaffeehütte gewesen war. Mrs. Olson war bekannt für Burritos, die so groß waren, dass man davon eine ganze Woche leben konnte (oder so ähnlich, wie sie zu scherzen beliebte), mit frischen Zutaten und dem Flair des Hausgemachten: himmlisch im Vergleich zu dem, was sie vor sich hatte.
Als die Gefangenen damit fertig waren, das monotone Essen zu kauen, schoben sie ihre Tabletts wie angewiesen aus der Tür. Andere Gefangene kamen in ihrer „Freizeit“ vorbei, um die Tabletts abzuholen und die Pappteller in den Abfalleimer zu werfen.
Gegen elf Uhr morgens krächzte der Lautsprecher: „Mikovits! Sie haben einen Besucher! Bereiten Sie sich vor!“ Mikovits begann auf die Rückwand zuzugehen, um ihre Nase daran zu halten, als ihre Zellengenossin sie stoppte. „Nein, du musst dich vor die Tür stellen, die Hände hinter deinem Rücken“, sagte Marie und machte ihr die richtige Körperhaltung vor. „Und genauso gehst du auch in den Besucherbereich. Hände hinter dem Rücken, keine Handschellen.“
„Oh, okay.“ Mikovits nahm diese Position ein und schaute ihre Zellengenossin fragend an, ob sie es richtig mache.
„Okay“, sagte Marie mit einem bestätigenden Nicken. Die weibliche Wache öffnete die Tür, kontrollierte