Die Pest. Kent Heckenlively
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„Er ist schon lange dran. Wahrscheinlich länger als Sie am Leben sind“, sagte Judy. Es war ihr Siegelring von der University of Virginia in Charlottesville. Eines Tages im Jahr 1981, nach Stunden in einem kalten Raum, in dem sie natürliche Produkte für Krebstherapien purifizierte, war er wieder einmal heruntergerutscht, und in einem Anfall von Groll hatte Judy ihn über ihren Mittelfinger gestreift, wo er seit diesem Tag genau passend steckte. Die Wache war eine von vielen Leuten, die behaupteten, sie hätten einen „Trick“, um Ringe abzuziehen, in der Regel, indem sie das Metall auf eine bestimmte Weise verdrehen oder eine spezielle Creme oder Lotion verwenden würden. Die Wache verschwand für einen Moment und kehrte mit einer ihrer „magischen“ Cremes zurück. Sie trug sie auf und versuchte, Mikovits’ Finger zu verdrehen und den Ring abzuziehen. Mikovits Knöchel wurde rot und entzündet, als der Ring wie ein Knebel chinesischer Fingerhandschellen enger wurde. „Er muss weg“, sagte die Wache nach einigen Minuten des Versuchs. „Das ist zu Ihrem eigenen Schutz. Ich kann Ihnen gar nicht sagen, was ein Gefangener machen könnte, um ihn zu kriegen.“
Mikovits verstand die Gefahr, die von Gefangenen ausging, wenn man Schmuck trug, aber es gab keine Möglichkeit, den Ring von ihrem Finger he-runterzubekommen. Für Judy war es ein kleiner Triumph; eine Möglichkeit, ihre eigene Identität als ehrliche Wissenschaftlerin zu bewahren, die hart gearbeitet hatte. Schließlich kapitulierte die Wache und führte sie in Eile in den Besucherbereich. Als Mikovits vor der Wache den Zellenblock hi-nunterging, konnte sie sehen, wie sich ein paar andere Gefangene vorbereiteten. Besuchszeiten waren Freitag, Samstag und Sonntag von 7.30 bis 17.00 Uhr. Jedem Zellentrakt war ein zweistündiger Block mit einer halben Stunde zwischen den Blöcken zugewiesen. Die Routine erzwang sowohl die Befolgung der Regeln als auch die Einsicht in diese Schinderei.
Familienmitgliedern, die einen geliebten Menschen besuchen wollten, wurde geraten, anzurufen, bevor sie in der Einrichtung auftauchten, da Gefangene oft verschiedenen Zellblöcken mit unterschiedlichen Besuchszeiten zugewiesen wurden. Den Insassen wurden zwei spärliche halbstündige Besuche pro Woche gestattet, und jeder Besuch war auf zwei Erwachsene oder einen Erwachsenen und ein minderjähriges Kind beschränkt. Jede Person, die die Einrichtung betrat, um einen Gefangenen zu besuchen, wurde durchsucht.2
Die Strenge des Besucherbereichs schockierte Mikovits: Er schien so verhärtet wie einige der Gefangenen. Die Wände waren aus obsidian-schwarzem Edelstahl, und in den Besucherkabinen befand sich ein einziger Stuhl mit einem Telefon an der Wand daneben. Mikovits ging zu der Kabine, in der David wartete. Sie versuchte, ihm ein tapferes Lächeln zuzuwerfen, als sie den Hörer abnahm. „Mir geht es gut“, sagte sie schnell in den Hörer. Sie hörte keine Antwort vom anderen Ende, obwohl sie sah, dass Davids Lippen sich bewegten. Mikovits wandte sich an eine der Wachen. „Das Telefon funktioniert nicht“, klagte sie.
„Lesen Sie die Anweisungen“, antwortete die Wache mit mürrischer Stimme.
Mikovits beugte sich dicht davor, aber ohne ihre Lesebrille war es unmöglich, sie zu entziffern. Wie viele Menschen, die allmählich schlechte Augen bekamen, behalf sie sich mit einer Lesebrille aus der Drogerie. Sie benötigte bereits +3,25 Dioptrien und sie wusste, dass sie bald etwas Stärkeres von einem Augenoptiker brauchen würde. All die Jahre, in denen sie durch Mikroskope geschaut hatte, hatten ihren Tribut gefordert. „Ich kann es nicht lesen“, sagte Mikovits. Die Wache atmete frustriert aus, als hörte sie mehrmals am Tag Beschwerden von Analphabeten. „Wenn Sie nicht lesen können, dann sollte Ihre Zellengenossin in der Lage sein, die Anweisungen für Sie zu lesen und Ihnen zu sagen, was zu tun ist.“
„Nein, ich kann lesen, es ist nur so, dass ich meine Brille nicht dabeihabe.“
„Sie nehmen einfach den Hörer ab, wählen die vierstellige Nummer, die man Ihnen gegeben hat, als Sie hierher kamen, und dann Ihre Registrierungsnummer, und der Anruf wird durchgeschaltet.“
„Welche vierstellige Zahl?“, fragte Mikovits.
„Die, die Sie bekommen haben, als Sie hierherkamen.“
Mikovits erinnerte sich an den kleinen Stapel Papiere, der ihr gegeben worden war, als sie am Morgen zuvor um zwei Uhr aufgenommen und registriert wurde. Die Nummer musste dabei gewesen sein. „Ich glaube, ich habe sie in meiner Zelle gelassen.“
„Dann müssen Sie Ihren Besuch wohl erst morgen bekommen.“
Das war der Moment, an dem es für Mikovits zu viel wurde und sie es nicht mehr ertragen konnte. Sie fing an zu weinen. Wie konnte es sein, dass sie David so nahe war, ihn sehen und doch nicht mit ihrem Mann sprechen und ihn trösten konnte? Er sah verstört aus, sein Gesicht aschfahl: Die Situation forderte offensichtlich ihren Tribut. Sie wusste, er war wahrscheinlich krank vor Sorge, dass man sie im Gefängnis schlecht behandelte, aber das war das geringste ihrer Probleme. Sie wollte auch herausfinden, wie er mit dem Schock und dem Stress zurechtkam. Er wusste vielleicht nicht einmal, dass sie in den frühen Morgenstunden nicht nach Reno abtransportiert worden war, sondern dass sie vorerst in Ventura sicher war. Dies war ein ehrenwerter, gesetzestreuer Mann, und jetzt hatte er eine Frau, die im Gefängnis saß.
Was hatte sie falsch gemacht?
Nichts. Sie hatte lediglich versucht, den Patienten zu helfen und das Geld der Regierung zu schützen.
Die Wache gab ihr ein Zeichen aufzustehen und legte ihr die Hände auf den Rücken für den Gang zurück zu ihrer Zelle. David sah verwirrt und hilflos aus, wie er da hinter der Glasscheibe saß.
Sie ging hinaus aus dem Besuchsbereich, den Zellentrakt hinunter in ihre Zelle, und hörte, wie die Stahltür hinter ihr durch die Luft schnitt und dabei so bedrohlich und endgültig klang, wie nur Stahl es kann.
* * *
David war fest entschlossen, das Gefängnis nicht zu verlassen, ohne mit seiner Frau gesprochen zu haben. Nachdem Mikovits aus dem Besucherbereich geholt worden war, ging David zu einer der Wachen. Er erklärte in seiner entwaffnenden Art, dass sie keine Lesebrille hatte und mit den Abläufen im Gefängnis nicht vertraut war. Könnten sie sie nicht noch einmal zurückbringen, damit sie richtig mit ihm sprechen konnte? Währenddessen beobachtete Marie Mikovits, wie sie hereinkam, und sah den verstörten Ausdruck in ihrem Gesicht. Auf die Frage, was geschehen sei, erzählte Mikovits es ihrer Zellengenossin.
„Du kannst nichts erkennen?“, fragte Marie.
„Vielleicht wenn die Zahlen groß genug geschrieben sind.“
Marie schaute sich Mikovits Papiere an, fand die vierstellige Nummer und ihre Registrierungsnummer auf ihrem Armband und schrieb sie auf ein Blatt Papier, groß genug, damit Mikovits sie lesen konnte. „Kannst du das jetzt lesen?“
„Ja. Ja, das kann ich“, sagte Mikovits. Sie dachte, dass sie es morgen richtig machen würde.
Wenige Minuten später jedoch machte die Wache im Turm über den Lautsprecher eine Ansage: „Mikovits, Sie haben einen Besucher.“
„Okay, versuchen wir es noch einmal“, sagte die Wache, als sie ankam. Mikovits legte ihre Hände auf ihren Rücken, die Wache trat ein, und sie liefen den Gang des Zellentraktes hinunter. Als sie den Raum wieder betrat und David sah, hatte sie ein Gefühl von Triumph. Sie setzte sich, nahm den Hörer ab, hielt sich das Papier vors Gesicht und wählte die Nummern. Das Telefon klingelte auf Davids Seite der Glasscheibe und er hob ab. „Wie geht es dir?“, fragte er sanft.
„Mir geht es gut, mein Liebster. Ich komme zurecht. Ich habe nichts falsch gemacht.“ Sie war sehr entschlossen und mit sich im Reinen. Sie war schockiert von