Die Pest. Kent Heckenlively

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Die Pest - Kent Heckenlively

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nicht wissen konnte, was passieren könnte, wenn sie wieder unter Harveys fast despotischer Kontrolle über seine Lakaien im Silver State wäre. Er hatte seinen weitreichenden Einfluss auf Kalifornien ausgedehnt, um sie festzunehmen, aber die Leute im Golden State waren nicht seine Lakaien. Sie würden die Befehle annehmen, die er mit amtlich klingendem Juristenlatein aufgeplustert hatte, aber sie würden seinem Gebot nicht folgen.

      „Gut geht es mir. Weil ich versuche herauszufinden, was hier läuft. Ich habe die Kaution bekommen, aber ich weiß nicht, was los ist. Es ist sehr merkwürdig. Ich verstehe es nicht. Ich rede mit Harvey, und Frank hilft auch. Frank wird mit Harvey sprechen. Es wird alles wieder in Ordnung kommen.“ Sie sprachen eilig noch ein paar Minuten miteinander, und dann war ihre Zeit vorbei. Fünfzehn Minuten vergingen blitzschnell, nachdem man fast einen Tag im Gefängnis eingesperrt war. Als die Wache dieses Mal kam, war Mikovits gelassen. Sie hatte wieder die Kontrolle über eine destabilisierende Situation. David tat alles in ihrem Sinne, und Frank hielt ihr auch den Rücken frei. Sie versuchten, mit Harvey vernünftig zu reden. Sie alle würden eine Lösung finden, um sie aus dem Gefängnis herauszubekommen.

      Als Mikovits zurück in die Zelle kam, schlief Marie fest. Alles, was Mikovits tun konnte, war, auf ihre Koje zu kriechen und an die Decke zu starren. Da sie ihre Brille nicht hatte, konnte sie nichts lesen. Sie konnte nur dort liegen, und sie dachte an die ME/CFS-Patienten, die still auf dem Rücken liegen und jeden neurologischen Reiz vermeiden mussten, gefangen in einer kaum wahrnehmbaren Welt der Ruhe. Gegen vier Uhr nachmittags wurden die Gefangenen zu ihrer „Freizeit“, die in der Regel etwa vier Stunden dauerte, aus ihren Zellen geholt. Der kreisförmige Bereich, der den „Aussichtsturm“ enthielt, hatte auch einen Raum mit Betonböden, stählernen, im Boden fest verschraubten Picknicktischen, Wagen mit Büchern und Zeitschriften und einem kleinen Fernseher, der etwa drei Meter hoch an der Wand montiert war, um ihn vor den Insassen zu schützen. Ohne ihre Brille konnte sie das Footballspiel, das im Fernsehen lief, weder lesen noch verfolgen: Es war, als sei sie in einem fremden Land.

      Sie versuchte, durch den Raum zu gehen, in der Hoffnung, dass die Bewegung sie ein wenig erschöpfen und ihr einen besseren Schlaf verschaffen würde, aber sie hatte immer noch nicht alle Benimmregeln verstanden und wusste nicht, dass sie die anderen Gefangenen auf Verhaltenshinweise hin beobachten musste. Als sich die Tür öffnete, die zum Turm führte, und eine Wache hereinkam, waren alle Gefangenen angehalten, sich sofort hinzusetzen. Ein paarmal war Mikovits die einzige Person, die noch stand. Sie begriff nicht, warum alle anderen aus unerfindlichen Gründen das Spiel „Die Reise nach Jerusalem“ zu spielen schienen. Die Gefangenen wurden auch zum Mittagessen und zum Abendessen aus ihren Zellen geholt. Obwohl sie nichts von dem Mittagessen zu sich genommen hatte, dachte sie, sie sollte jetzt doch versuchen, etwas von dem Abendessen zu verzehren, vielleicht nur eine Scheibe von dem mysteriösen Eiweiß, damit sie bei Kräften blieb. Das Abendessen bestand aus einem Hamburger, und sie nahm ihn, schob den Bratling vom Brötchen herunter und aß nur das Hackfleisch. Es schmeckte wie das Pappende einer alten Haferflockendose, aber sie musste etwas essen.

      Nach dem Abendessen, als ihre Zellengenossin schon wieder schlief, wanderten Mikovits’ Gedanken zurück zu der Kette an Ereignissen, die dieses Desaster verursacht hatten. Sie versuchte positiv über Harvey Whittemore zu denken, aber ihre Entrüstung bekam die Oberhand. Wie konnte er dies tun, wo sie doch vor Kurzem noch im Kampf für die gleiche Sache verbündet gewesen waren? Wie konnte er sie wie ein Familienmitglied behandeln und dann so etwas tun? Hatten sie in den letzten fünf Jahren nicht begriffen, wer sie war? Sie spürte wieder, wie die Wände der Zelle sie umzingelten. Dann betete sie, dass Harvey und Annette zur Vernunft kommen und diesen Wahnsinn stoppen würden.

      Mikovits erinnerte sich an ihr letztes Gespräch mit Annette Whittemore einige Monate zuvor auf der Ottawa Conference im September 2011. „Ich werde dabei nicht mitmachen“, hatte Mikovits gesagt, nachdem sie erneut erklärt hatte, dass der diagnostische Test auf XMRV nicht klinisch validiert sei und sie ihn daher nicht vorzeitig verkaufen sollten.3

      Mikovits erzählte Annette, dass sie als Projektleiterin des Forschungsprojekts mehr als bereit war, die Verantwortung für die früheren Fehler zu übernehmen. „Aber das betrifft die Vergangenheit. Ich werde keine Verantwortung dafür übernehmen, dass ich hier nicht die Leitung innehatte“, fuhr sie fort. „Wir müssen das Richtige tun, alles stoppen, bis wir das herausbekommen haben!“ Das waren die letzten Worte, die sie Annette persönlich sagte.

      Mikovits war klar, dass ihre Worte und ihr Ton gegenüber Annette hart gewesen waren, aber sie wusste, dass sie ehrlich waren. Wenn sie hätte zurückgehen und sie hätte besänftigen können, hätte sie dies wahrscheinlich getan, aber ihre zugrunde liegende Botschaft bliebe unverändert: Sie konnten diesen ineffektiven Test nicht guten Gewissens verkaufen.4 Und die Frage, die unbeantwortet blieb und an deren Erforschung die wissenschaftliche Gemeinde wenig interessiert war, bestand darin, warum all diese Menschen an Krankheiten wie Krebs, ME/CFS und Autismus erkrankten.

      Für Mikovits war das Vorgehen ganz klar. Eine Wissenschaftlerin sollte Krankheiten untersuchen, versuchen, ihre Geheimnisse zu lüften, und wenn ihr das gelingt, sollte sie schnellstmöglich Wege finden, um den Betroffenen Linderung zu verschaffen. Alle anderen Probleme waren zweitrangig.

      Die wichtige Frage war, was man mit den Kranken machte, die jetzt litten. Alles, was Patienten mit ME/CFS einen Tag länger in ihren abgedunkelten Räumen hielt, was Kinder mit Autismus davon abhielt, die Gedanken auszusprechen, die durch ihre überreizten Gehirne blitzten, oder ehrliche Wissenschaftler ins Gefängnis brachte, konnte nur mit einem einfachen Begriff bezeichnet werden: das Böse.

      KAPITEL 4

      Ein Retrovirus beim Chronischen Erschöpfungssyndrom?

      Es ist ein klassisches Gamma-Retrovirus, aber es ist völlig neu. Niemand hat es jemals zuvor beobachtet. Sein nächster Verwandter kommt in der Tat von Mäusen, und deshalb bezeichnen wir es als ein xentotropes Retrovirus, weil es eine andere Spezies als Mäuse infiziert … Wir haben es jetzt bei vielen Patienten getestet, und wir können sagen, dass es sich alles um unabhängige Infektionen handelt.

      — Dr. Joseph DeRisi: „Hunting the Next Killer Virus“, Februar 2006, Monterey, CA, TED Talks1

      Incline Village, Nevada – Sommer und Herbst 2006

      Die Tage in Nevada bekamen eine produktive Routine. Mikovits sah durchschnittlich fünf bis sechs von Petersons Patienten pro Tag in der Sierra Internal Medicine.2 Sie und ihr Team nummerierten jeden Patienten nach dem Zufallsprinzip und nahmen ihn in die Datenbank auf. Die Randomisierung diente dazu, die klinischen Informationen zu blinden, die sie als Nächstes erhoben. Dann nahmen sie etwa 30 bis 40 Milliliter Blut ab. Für die DNA-Analyse trennten und aliquotierten (portionierten) sie das Blut in Plasma, Seren und Blutplättchen. Danach vermischten sie die Proben mit Trizol, einer chemischen Lösung, die die Nukleinsäuren und Proteine beim Einfrieren konservierte.

      Trizol war seit 1987 im Einsatz und wurde für viele Forscher zur bevorzugten Methode für die RNA/DNA/Protein-Extraktion. Obwohl Trizol einen extrem starken und üblen Geruch hatte, bevorzugte Mikovits es, weil damit die RNA und die Proteine intakt blieben und es gleichzeitig Zellen und Zellkomponenten auseinanderriss. Wenn man eine Probe untersuchte, die vor Jahren oder gar Jahrzehnten mit Trizol konserviert worden und nicht tiefgefroren war, dann konnte man relativ sicher sein, dass es kaum oder gar keinen Abbau der Nukleinsäuren oder Proteine gegeben hatte. Um Längsschnittforschung bei einer Epidemie wie ME/CFS zu betreiben, bedeutete dies, dass das Blut des Patienten wie eine Momentaufnahme in der Zeit der Pathogenität erfasst werden konnte.

      Zusätzlich zur Konservierung der Proben mit Trizol nahm Mikovits’ Team einige Zellen, konservierte sie in DMSO (Dimethylsulfoxid), das als Kälteschutzmittel benutzt wurde, um Eisbildung zu verhindern, die den Zelltod verursacht. Dann lagerten

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