Die Chroniken des Südviertels. Rimantas Kmita

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Die Chroniken des Südviertels - Rimantas Kmita

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Anlauf, aber kurz vorm Abspringen bleibt n Fuß an so was wie nem Ast hängen und ich liege, zack!, der Länge nach da und rolle dann wie ne Wassermelone in den Graben … Keine Chance aufzustehen, denn mein Bein fühlt sich so an, als hätte jemand die Kniescheibe rausgenommen – das tut höllisch weh, also gehts jetzt nicht weiter. Ich liege da und kapiere einfach nicht, wie ich so tief in die Scheiße geraten bin. Wegen zwei qualmenden Idioten würde man mich einpacken und auf die Wache bringen – und ich darf mich dann freuen, wenn man mich gehen lässt. Ich liege also flach wie ne Flunder aufm Boden und höre, wie der Typ laut schimpfend irgendwo in der Nähe vorbeiläuft. Ich verstehe nur »kurwa«. Alles andere gleicht dem Rauschen im Radio nach Mitternacht. Nach ner Weile verschwindet er. Ich finde das höchst interessant: Wegen nem Päckchen Kippen drei Schwachköpfe über die Felder zu jagen. Und noch was denke ich mir, während ich so daliege: Da siehstes, Entkommen geht auch ohne Weglaufen.

      Ich stand auf und humpelte auf diesem Trampelpfad zurück, wobei ich immer wieder stehen blieb und mich umsah. Ganz in der Nähe entdeckte ich Sauliens und Dariuks. Die waren ihren Verfolger einfacher losgeworden und pafften jetzt kichernd jeder ne Camel. Das ging mir so richtig aufn Sack. Als ich bei ihnen ankam, sagte ich ihnen sofort, was ich von all dem hielt. Aber sie nur: Komm schon, nimm nen Zug, krieg dich wieder ein. Sie sagten, der Rauch beruhigt die Nerven, da dachte ich mir, dann nehme ich eben n Zug. Ich war eigentlich Nichtraucher, mir wollte einfach nicht in die Birne, was das bringen soll, n paarmal hatte ichs probiert, aber für mich stinkt das nur scheußlich, sagt, was ihr wollt. Fürn Arsch. Aber wenn man dir ne Kippe oder nen Zug anbietet, dann kannste nicht nein sagen, sonst biste n lahmarschiges Muttersöhnchen. Ich ergriff also die Zigarette, nahm n Zug, schnurstracks in die Lunge, und so hustete ich wie verrückt, während die beiden andern loswieherten, kurzum, ich hatte mich zum Deppen gemacht, was hätte ich ihnen jetzt noch sagen können?

      Und dann wurde es absolut ätzend. Die hängten den harten Kerl raus und sülzten mich einer den anderen anstachelnd voll, wie sie doch alles im Griff gehabt hätten, während ich glaube, dass sie die Hosen nicht weniger vollgeschissen hatten als ich und jetzt hier nur die coolen Typen raushängten. Da muss man erst mal drauf kommen – Kippen im Laden zu klauen. Aber sie hatten ja Camels zuvor nur in der Glotze gesehen und überhaupt – hier war alles so neu und bunt, gesehen, aber nicht befingert, wie sollte man sich da verkneifen, die eine oder andere Kleinigkeit als Souvenir mitlaufen zu lassen. Da lebste seit weiß der Geier wie viel Jahren in so nem Scheißloch, und jetzt liegt n Päckchen Camel vor deiner Nase. Natürlich greifste dir das. Und was dann passiert, darüber denkste später nach. Genauso verhielts sich auch mitm Smirnoff. Nach ner Weile kamen wir zu so Bahngleisen, die überquerten wir und setzten uns ganz high von unserer eigenen Coolness aufn Boden. Der Schmerz im Knie ließ langsam nach, die Angst auch. Niemand würde wegen diesem Päckchen Kippen die Felder durchkämmen.

      Am nächsten Tag konnte der Trainer einfach nicht begreifen, was mit uns los war, als das sanfteste Lüftchen uns ins Wanken brachte und wir wie die reifen Äpfel im Herbst zu Boden fielen. Er wechselte uns Schwachköpfe schnellstens aus. Ich saß schweigend auf der Ersatzbank und versuchte, niemandem in die Augen zu sehen. Shit, dachte ich, wegen diesen Psychos habe ich n Riesenhaufen Mist gebaut. Schluss mit dem Unsinn, kein Bullshit mehr. Das Training an erster Stelle. Ja, und Kohle machen, aber piano, ohne Risiko. Ich will mir mein Leben nicht ruinieren. Und ich will Rugby spielen.

      Ich bekam ne Urkunde fürn zweiten Platz, denn im Finale schlugen uns die Ukrainer. Ich fühlte mich nicht schuldig, denn die wegzuputzen – Chance ungefähr gleich null. Diese Urkunde isn Vorschuss, sagte der Trainer, und ich nahm sie nach ner Gewissensrevision fast mit Handkuss in Empfang.

      Und zurück in Šiauliai fühlte ich mich nicht weniger cool. Fürn Ghettoblaster hatten die Zlotys nicht ausgereicht, ich wollte nämlich nicht gleich alle fürn einziges Teil ausgeben. Aber ich hatte ne weite bordeauxrote Hose, neue rote Schuhe aus weichem Leder, einige Kassetten und, am wichtigsten, zwei neue Shirts ergattert. Eins war das mit Jordan, von dem ich schon erzählt habe, das andere hatte ne Kapuze und drauf stand Chicago Bulls. Natürlich gab es in Šiauliai auch Trikots mit der Aufschrift Chicago Bulls, aber so ne geile Kombination hatte ich noch nie gesehen, und deshalb war sonnenklar, dass ich schon aus der Ferne leuchten würde: Ich besaß nicht nur etwas, was niemand sonst hatte, sondern n Teil, von dem andere nicht mal träumten. Mit diesen weiten Hosen und dem Shirt sah ich fast so aus wie der Rapper auf MTV. Und das war n mehr als passabler Anfang.

      Nur Mum fragte, kaum hatte ich die Hütte betreten, natürlich sofort: »Na, wo hast du denn diesen Schuh zerschlissen?«

      5

      Was mich bei meiner Rückkehr am meisten ankotzte: Der Frühling war noch nicht gekommen und ich konnte nicht nur im T-Shirt rumlaufen. Mit den Chicago Bulls auf der Brust und Kapuze wären meine Aktien sofort gestiegen. Ich musste unbedingt dafür sorgen, dass man sie sah. Deshalb war zumindest mir selbst in der Schule furchtbar heiß, und vor nem Match der Junioren zog ich mich ganz lange um, massierte mir die Beine und zog mein Shirt aus Polen erst ganz zuletzt aus.

      Wir nahmen an so nem Juniorenturnier in Šiauliai teil. Auch wenn ich in Warschau den Clown gespielt hatte, zeigte das Training mit den Männern seine Wirkung. Ich staunte nicht schlecht, irgendwer schien mich mit der geballten Kraft vom Terminator, mit der Geschmeidigkeit von Bruce Lee und der Schlauheit des Paten vollgepumpt zu haben. Obwohl, Schlauheit brauchte man eigentlich nicht wirklich. Du kriegst den Ball, rennst los und raffst selbst nicht ganz, warum alle nur so auf alle Seiten davonfliegen, wie Holzspäne. Ich fand das sogar n bisschen langweilig. Du hast ne Wahnsinnslust zu spielen, aber da ist kein richtiger Gegner. Du wartest darauf, dass dich endlich jemand zu Fall bringt, aber wenn sie dich anhalten, dann zu dritt oder so wie Hosenscheißer – einer packt n Bein, der Zweite das andere, der Dritte springt dir an den Nacken. Und als man mir den Preis fürn besten Rugbyjunior der Saison in die Hand drückte, da fand ich das irgendwie auch langweilig. War ja so logisch. Und überhaupt – die Matches der Junioren brachten mich zum Gähnen. Es war von vornherein klar, wer den Pokal gewinnt und alle anderen Turniere. Und du rennst übern Rasen und sammelst diese Punkte. Was macht es denn fürn Unterschied, ob es am Ende 50:0 oder 105:10 steht. Dass die Bulls Meister werden, daran haste auch keine Zweifel, aber da wirds wenigstens manchmal spannend. Die kriegen wenigstens manchmal eins aufs Dach. Aber hier …

      Vielleicht war das ja der Grund, dass ich mit nem Chicago-Bulls-Shirt rumlaufen wollte. Das trägste und fühlst, dass dus verdient hast, denn du spielst bei den Juniorenmeistern mit, bist n Champ. Du kannst doch nicht die Urkunde fürn ersten Platz mit dir rumtragen, Chicago Bulls sagt alles viel klarer. Natürlich können auch so Lahmärsche mit den Chicago Bulls rumlaufen, aber du hast es dir verdient. Die Chicago Bulls machen allen sofort klar, dass deine Sicht vom Leben die richtige ist. Und noch viel klarer wird alles, wenn die Kapuze des Chicago-Bulls-Trikots aufm Rücken der Lederjacke landet. Die war sozusagen n Geschenk des Himmels. Ne Freundin von Mum nähte die, jemand hatte eine bestellt, war aber wie vom Erdboden verschluckt. Sie selbst verkaufte die eigentlich nicht, sie nähte sie nur, also fragte sie, ob ich sie haben möchte. Fürn halben Preis. Egal, dass sie aus Flicken genäht war – Leder ist Leder. Und ne Lederjacke mit nem Chicago-Bulls-Shirt drunter – das ist nicht zu toppen! Ich sage es doch, die besten Dinge kann man nicht vorausplanen.

      Und Basketball – na ja … zumindest für mich, kann das jeder spielen. Deshalb taten das auch Minde und ich. Nachts NBA in der Glotze gucken und am Morgen die Tricks, die du gesehen hast, nachmachen. Aber wenn schon spielen, dann wie sichs gehört. Will heißen, aufm Hof, denn da sind die Regeln n bisschen anders. Wenn du mit mir zusammenstößt, dann ist das dein Problem, aber das mitm Schiri, das will mir nicht ganz in die Birne. Du preschst aufn Platz und spürst gar nicht, dass so n Storchenbein schon der Länge nach am Boden liegt. Und dann stellt sich heraus, dass du ihn umgelegt hast. Aber alle sehen, dass n Windstoß ihn zu Fall gebracht hat. Oder einmal, da mussten wir gegen Artūrs Javtoks spielen. Wen der den Arm ausstreckt, dann kann er den Ball fast von oben in den Korb schmettern.

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