Inselgötter. Reinhard Pelte

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Inselgötter - Reinhard Pelte

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und machte weiter. Nichts außer kahlen Wänden, Düsternis und muffiger Schwüle. Folterkammern. Schauer jagten ihr über den Rücken. Ihr Verlangen nach Tageslicht wurde immer drängender.

      Überrascht stellte sie fest, dass sich die letzte Tür leicht öffnen ließ. Die Beschläge mussten vor Kurzem geölt worden sein, schoss es ihr durch den Kopf. Der Raum war vollgestellt mit Kartons, Kisten, Planken und Brettern. Ein paar Geräteteile schienen unter dem Gerümpel verborgen zu sein. Das Geheimnis, hier lag es verborgen. Aufgeregt betrat sie die Zelle. Das Licht in ihrer Hand geisterte zitternd über die wirr übereinandergestapelten Kartons. In der hintersten Ecke entdeckte sie zwei Kisten mit Vorhängeschlössern. Sie kämpfte sich durch das Chaos. Das Licht in ihrer Hand blitzte auf und erlosch. Hektisch schüttelte sie das Smartphone. Erfolglos. In der Finsternis strauchelte sie und kam zu Fall. Sie trat panisch um sich und versuchte, sich aus dem Gerümpel zu befreien. Sie hörte ein paar schwere Planken polternd zu Boden gehen. Dann fiel die Eisentür ins Schloss. Sie schrie, wie sie zuvor nur ein einziges Mal in ihrem Leben geschrien hatte.

      Die Insel

      Er hatte in seinem ganzen Leben nichts Vergleichbares durchgestanden. Gegen Mitternacht hatte es angefangen und erst am frühen Morgen aufgehört. Ein Blitz nach dem anderen, Donner auf Donner, wie Keulenschläge. Wasser strömte vom Himmel, als hätten sich Schleusen geöffnet. Wie die apokalyptischen Reiter waren die Böen über ihn hergefallen. Sie kamen aus allen Richtungen, in allen Stärken, unberechenbar und tückisch. Man hätte meinen können, das Jüngste Gericht sei angebrochen. Aber er lebte. Er hatte geschuftet wie ein Tier. Das Wasser aus dem Boot zu kriegen, war das Schlimmste gewesen. Fast hätte er schlappgemacht. Das Boot, seine Fair Lady, hatte standgehalten. Auch das Rigg hatte überlebt. Bis auf die Knochen durchnässt, hatte er gefroren wie ein Schneider. Und in dem ganzen Chaos hatte er auch noch seinen Insulinhaushalt regeln müssen. Ein einziger Wahnsinn! Aber was war das schon gegen den Triumph, den er empfand, als alles vorüber war? Das Glück war ihm hold gewesen. Und hilfreich! Besser hätte es nicht kommen können.

      Er lachte. Er war der Hölle entronnen. Alles würde gut werden. Wo war er? Wie spät war es? Er sah auf seine Armbanduhr. Er nahm sein Smartphone und loggte sich ein. Schnell schaltete er es wieder ab. Er nahm das Glas an die Augen und suchte den Horizont ab. Voraus sollte das Feuer am Eingang zum Sandefjord liegen. Richtig, an Backbordseite kam es in Sicht. Noch ein paar Meilen, dann würde er auf den anderen Bug wechseln und Kurs auf Veierland nehmen. Sein Ziel kannte er seit frühester Jugend. Ihm kam es vor, als segele er schon länger, als er laufen konnte. Sein Onkel hatte ihn auf sein Boot geholt und vor der Hölle an Land gerettet. Von ihm hatte er Segeln gelernt. Er würde ihm ewig dankbar sein. In den Sommern seiner Jugend waren sie hier hoch auf die einsame Insel gesegelt und hatten unvergessliche Ferien verbracht. Wenn er an die Zeiten zurückdachte, stiegen ihm die Düfte von damals in die Nase: Wind, Meer, Sommer, Torunns feuchtes Haar, offenes Feuer, gegrillter Fisch. Was war seitdem nur passiert?

      Er schob seine Gedanken beiseite und sah auf seine Armbanduhr. Höchste Zeit, seinen Blutzucker zu kontrollieren. Nach seinem 18. Geburtstag hatte man bei ihm Diabetes mellitus festgestellt. Sein Vater wollte ihm das Segeln verbieten. Es sei lebensgefährlich, vor allem, wenn er allein auf dem Wasser unterwegs sei. Es hatte Streit in der Familie gegeben. Seine Mutter hatte ihm gegen den Willen des Vaters ein gebrauchtes Folkeboot zum bestandenen Abitur geschenkt. Der kleine, seetüchtige Bootstyp war für ein junges Ehepaar mit zwei kleinen Kindern konstruiert und für das Fahrtensegeln in der dänischen Südsee und den Küstengewässern ausgelegt. Allein kam er sehr gut damit zurecht. Er hatte es mit Hingabe und Liebe aufgearbeitet und zu seinem Zuhause gemacht. Je länger sein Vater auf ihn einredete, desto größer wurde sein Ehrgeiz, aller Welt zu zeigen, dass Diabetes überhaupt kein Grund war, die Hände von der Pinne zu lassen. Es hatte ihn zeit seines Lebens aufs Meer getrieben. Davon konnte ihn keine Macht der Welt abbringen. Als er später sein kleines Boot nach List an die Nordsee verlegte, hielt ihn nicht nur sein Vater für komplett verrückt. Gut so, hatte er gedacht und sich ins Fäustchen gelacht. Voraus kam die Ansteuerung in den Tonsbjergfjord in Sicht. Zeit, alles klarzumachen.

      *

      Er schmiss die Steuerbordschot los und legte das Ruder um. Das Boot gehorchte ihm willig. Er duckte sich unter dem überholenden Großbaum hindurch und holte die Backbordschot dicht. Er justierte den Trimm und lehnte sich zurück. Er war auf dem richtigen Kurs.

      Vor dem Kajütsüll lag der Plastiksack mit dem Müll. Warum hatte der Sturm ihn nicht über Bord gefegt? Müll, nichts als Müll. Müll, Müll und nochmals Müll. Angeekelt nahm er den Sack auf. Er wollte ihn gerade über Bord werfen, als er noch einmal innehielt. Er öffnete den Sack und sah hinein. Dann nahm er mit spitzen Fingern ein Stück nach dem anderen heraus und ließ es neben der Bordwand ins Wasser gleiten. Zum Schluss hielt er das Beil in der Hand. Er drehte es vor seinen Augen hin und her. Dann schmiss er es mit wütendem Schwung weit hinaus in den Fjord. Hier war das Meer tief. Nie wieder würde es zurück ans Tageslicht kommen. Es war ein für alle Mal vorbei. Für immer und ewig vorbei, vorbei, vorbei! Ein tiefer Seufzer entrang sich seiner Brust.

      Die salzige Luft tat ihm gut. Er sog sie tief in die Lungen und ließ den Blick über den Horizont schweifen. Die Wolkenfelder hatten sich hinter den norwegischen Bergen aufgelöst. Die Sonne strahlte aus einem stahlblauen Himmel. Die Luft war klar wie poliertes Glas. Ein frischer Nordost brachte ihn seinem Traum immer näher. Bald würden die glatten Uferfelsen von Veierland auftauchen. Er lachte. Es würde alles gut werden. Torunn hatte das Schicksal in die Hand genommen. Sowohl ihres als auch seins. Sie hatte sich gekümmert, hatte vorgesorgt, sie war das absolut Beste, was ihm im Leben jemals passiert war. Wie lange hatte sie auf ihn gewartet? Endlich würden ihre Sehnsüchte in Erfüllung gehen.

      Tomas Jung

      Er stand am Fenster, als das Telefon klingelte.

      »Endlich erreiche ich dich«, sagte eine fremde Stimme. »Warum ist immer nur dein blöder Chef am Apparat? Warum lässt du dich verleugnen? Langsam bin ich …«

      »Wer ist da eigentlich?«, fragte er scharf.

      »Tiny. Tiny aus Carvoeiro. Jetzt sag bloß, du weißt nicht, wer ich bin.«

      Jung stutzte einen Moment und atmete hörbar aus.

      »Tiny! Sag das doch gleich. Ich …«

      »Red dich nicht raus, Tomi. Meine Stimme müsstest du eigentlich im Schlaf erkennen.«

      »Ich bin im Dienst. Wenn du mich unbedingt anrufen musst, dann melde dich mit Namen. Ich habe einen Job, der mich empfindlich macht. Das solltest du eigentlich kapiert haben. Ich muss vorsichtig sein.«

      »Eben, eben. Wie recht du hast. Aber ich stecke in der Scheiße. In der totalen Scheiße, mein Lieber. Ich muss viel vorsichtiger sein als du. Gerade jetzt. Das ist dir doch wohl klar, oder? Sooft ich versuche, dich …«

      »Gerade jetzt? Was meinst du damit, Tiny?«, unterbrach ihn Jung irritiert.

      »Sag bloß, du liest keine Zeitungen. Das Fernsehen hat darüber berichtet. Sogar das Radio. Wenn wir …«

      »Wovon redest du eigentlich?«, stoppte Jung seinen Redefluss. In seinem Kopf schrillten die Alarmglocken.

      »Du wolltest etwas dagegen tun. Aber …«

      »Was wollte ich tun?«

      »Du weißt genau, wovon ich rede. Du wolltest dafür sorgen, dass die Täter in den Knast kommen.«

      »Falsch, Tiny. Ich habe überlegt, ob ich den portugiesischen

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