Inselgötter. Reinhard Pelte

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Inselgötter - Reinhard Pelte

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Ich habe es mir anders überlegt. Außerdem war ich beschäftigt.«

      »Schöne Scheiße. Die Staatsanwaltschaft in Lissabon hat das Verfahren wieder aufgenommen.«

      »Und? Was ist jetzt anders als vorher? Was beunruhigt dich?«

      »Scotland Yard hat sich ebenfalls eingeschaltet. Sie ermitteln in der Sache.«

      »Was willst du mir eigentlich sagen, Tiny? Du scheinst die Hosen voll zu haben. So kenne ich dich gar nicht.«

      »Die Briten sind von anderem Kaliber, mein Bester. Ich kenne sie alle. Die verpennten Portugiesen genauso wie diese beschissenen Limies. Das sind Pitbulls. Wenn die sich mal festgebissen haben, dann lassen die nicht mehr los. Ich kann ein Lied davon singen. Das kannst du mir glauben.«

      »Meinetwegen. Aber beantworte mir bitte meine Frage«, sagte Jung unwirsch.

      »Ich mache mir Gedanken. Wenn …«

      »Was hast du vor?«, fragte Jung, aufs Höchste alarmiert.

      »Wenn du das nicht auf die Reihe kriegst, dann muss ich das eben tun.«

      Jung atmete tief durch. Er überlegte fieberhaft.

      »Wo bist du jetzt?«, fragte er.

      »Im Flugzeug.«

      »Doch nicht etwa in einem Jet deiner Militärkumpels?«

      »Nein, in einem Airbus der TAP.«

      »Wohin fliegst du?«

      »Ich lande in ein paar Minuten in Lissabon.«

      »Vielleicht. Vielleicht auch nicht.«

      »Was willst du damit sagen?«

      »Dein Handy. Es kann die Flugzeugelektronik durcheinanderbringen. Das müsstest du eigentlich besser wissen als ich.«

      »Bullshit. Im Notfall bringe ich die lahme Ente mit meinem kleinen Finger auf die Piste. So ’n Gerät ist vielleicht für Rentner ein Problem, aber nicht für einen Topgun.«

      »Du bist Rentner, Tiny. Wie viele Jahre eigentlich schon?«

      »Ich will dir mal was sagen, wenn …«

      »Vergiss es. Nimm das nächste Flugzeug nach Hamburg. Bevor du etwas unternimmst, müssen wir reden.«

      »Willst du mir etwa Vorschriften machen?«

      »Wir sollten uns vorher abstimmen. Das ist ein wohlgemeinter Ratschlag.«

      »Okay«, sagte Tiny besänftigt. »Ich melde mich, sobald ich kann.«

      »Aber privat. Hast du meine Nummer?«

      »Nein.«

      Jung diktierte ihm seine Handynummer.

      »Hast du auch einen Festnetzanschluss?«, fragte Tiny.

      »Ja. Verrate ich aber nicht.«

      »Warum? Hast du Angst vor deiner Alten? Sie ist misstrauisch und zickig. Ich erinnere mich sehr gut an sie.«

      »Du redest Blech, mein Guter. Ich will nicht, dass du mit ihr redest. Hast du verstanden? Es genügt, wenn ich da drinhänge. Ist das klar?«

      »Ja, ja. Alles klar, Herr Oberkriminaler. Aber mit Versteckspielen fängt die Scheiße erst richtig an. Lass dir das …«

      »Ich mach jetzt Schluss, Tiny«, würgte Jung ihn ab. »Tschüss. Pass auf dich auf.«

      »Na gut. Ebenfalls Arschloch. Ate logo. Bis bald.«

      Jung legte verärgert den Hörer auf und wandte sich wieder dem Fenster zu. Der Ausblick auf den Hafen und das dahinterliegende Ostufer besänftigte ihn nur kurz. Er spürte deutlich, wie schlechte Laune ihn erfasste und sein Gemüt verdüsterte. Nichts kam ihm ungelegener als dieser unterbelichtete Expilot. Das Jahr ist ohnehin schon schrecklich genug, stöhnte er. Und jetzt auch noch der!

      *

      Mit dem Wetter hatte der Schlamassel begonnen. Schon seit Monaten war es deprimierend. April, April, der macht, was er will. Dieses Jahr hatte er gewollt, dass die Sonne wochenlang vom Himmel schien und die Menschen morgens kurzärmelig zur Arbeit gingen. Von da ab hatten Wolken, Regen und Wind das Wetter in Schleswig-Holstein bestimmt. Und es war kalt geworden. Sogar für Nordfriesen, die an schlechtes Wetter gewöhnt waren. Für sie gehörten Regenjacke und Pullover zum Sommer wie Touristen und Autoschlangen.

      Jetzt war Ende September. Die Sonne stand tief, aber sie war zu sehen, obwohl eine dünne Wolkenschicht ihre Strahlen in einen fahlen Lichtschleier verwandelte. Die Temperaturen sanken nachts auf einstellige Werte, bei Sonnenaufgang bildete sich Bodennebel. Ein annehmbarer Frühherbsttag.

      Drüben am Ostufer lagen die Segelboote an ihren Leinen wie gezähmte Wildtiere. Still, apathisch, leblos. Das Saisonende nahte. Bald würden die ersten von ihnen aus dem Wasser gehoben und ins Winterlager geschafft werden. Er hatte sich an den Jahresrhythmus in der Marina gewöhnt. Er liebte die Beständigkeit. Würde sie ewig dauern? Man konnte nie wissen, was als Nächstes kam. Zum Beispiel eine Versetzung. Damit musste er als Beamter immer rechnen. Unter normalen Umständen war es nicht zu verhindern, dass er in eine andere Stadt oder sogar aufs platte Land versetzt werden konnte. Heute, nächsten Monat oder nächstes Jahr. Vor ihm war das schon vielen Kollegen passiert. Nicht, dass ihn das übermäßig beunruhigt hätte. Aber den Blick über seine Stadt, den würde er vermissen. Das wusste er schon jetzt.

      *

      Überhaupt bereitete ihm sein Beruf in letzter Zeit Schwierigkeiten. Er fühlte sich leer und orientierungslos. Das hatte dazu geführt, dass sein Privatleben langsam, aber sicher aus den Fugen geriet. Er war zu Hause ausgezogen. Der Entschluss war über ihn gekommen wie ein Unfall. Svenja hatte während seiner Abwesenheit die bodentiefen Fenster im Wohnzimmer umarbeiten lassen. Sie brauche Fensterbänke für ihre Blumen, für den indischen Glückselefanten und den Buddha, den ihr Maike zum Geburtstag geschenkt hatte. Auf seinen Vorwurf, warum sie vorher nicht mit ihm darüber geredet habe, hatte sie beleidigt erwidert, dass er ja nie zuhöre. Vor dem Zubettgehen bemerkte sie über die Schulter: »Du riechst, Tomi.« Es klang so, als hätte sie ihm »Du stinkst« an den Kopf geworfen.

      Ihre Bemerkungen hatten ihn tief getroffen. In erster Linie, weil sie nicht stimmten. Svenja musste andere Beweggründe haben. Hatte sie einen heimlichen Liebhaber, der ihr größere Aufmerksamkeit schenkte und besser roch? Er hatte sich gefragt, wonach Svenja eigentlich selbst roch, und festgestellt, dass sie, solange er sie kannte, immer nach ihren Parfüms, ihren Salben und Lotionen gerochen hatte. Auch an diesem Abend. Svenja natur, im Biozustand sozusagen, hatte er noch nie zu riechen bekommen. Wenn es nicht schon längst zu spät ist, dann wird es höchste Zeit, hatte er gedacht.

      Am nächsten Morgen war er früh aufgestanden, hatte seinen Koffer gepackt und war gegangen. Ohne Lärm, ohne Streit, einfach so, als geschähe, was schon lange in der Luft gehangen hatte, und gegen das anzugehen, völlig sinnlos gewesen wäre. Seine Kinder wussten nichts davon. Sie waren weit weg und studierten in Städten im Süden und Osten der Republik. Für sein Empfinden lebten sie in einer Welt, die sich von seiner unterschied wie Grönland von den kleinen Antillen. Er würde es ihnen irgendwann

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