Herbstverwesung. Stefanie Randak

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Herbstverwesung - Stefanie Randak

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über das rote Samtkleidchen.

      Einen Moment lang versank Eleonora in den Augen der Puppe, der eingefrorene Blick fesselte sie. Dann schauderte sie, stellte sie schnell wieder zurück. Meine Güte. Hatte sie gerade wirklich mit der Puppe gesprochen? Sie zupfte das Kleid des Mädchens wieder zurecht. Plötzlich ertönte ein lauter Gong, Eleonora fuhr zusammen. Die große Uhr mit dem Pendel schlug zur vollen Stunde. Eleonora musste sich beeilen. Sie musste einen Keller finden.

      Sie lief im Wohnbereich des Schlosses umher, doch es gab weder eine Kellertreppe, noch eine Leiter, die nach unten in den Boden führte. Eleonora war bereits im Badezimmer, in der Küche und im Wohnsalon gewesen. Die Räume waren alle miteinander verbunden, in jedem Zimmer gab es mehrere Türen, die in weitere Räume führten. Red Side war ein echter Irrgarten, und Eleonora musste sich konzentrieren. Die meisten Räume waren aber nicht bewohnt, sie waren vollgestellt mit Möbeln, über die Leinen gehängt worden waren, sie waren staubig, dunkel oder gar leer. Der Boden knarzte bei jedem Schritt unter den Füßen.

      Jetzt fehlte nur noch das Schlafzimmer. Doch auch hier gab es keine Treppe, die in einen Keller führte. Genervt verdrehte sie die Augen. Eleonora wurde müde, dieses kleine Abenteuer kostete sie viel Kraft, sie fühlte sich unwohl und war unzufrieden, weil sie einfach nicht das fand, wonach sie suchte. Sie nahm sich einen kurzen Moment für sich, um einen klaren Kopf fassen zu können und erlaubte sich, sich kurz auf das alte Himmelbett von Elisabeth Greenwood zu setzen. Die unheimliche Stille wurde durch einen plötzlichen Knall durchbrochen. Erschrocken zuckte Eleonora zusammen. Es war ein dumpfes Geräusch, als hätte jemand eine Türe zugeschlagen. Es war nicht von draußen, es war nicht weit fort, kam aus dem Wohnsalon. Eleonora sprang auf. Elisabeth Greenwood musste zurück sein. Vorsichtig steckte Eleonora ihren Kopf durch die Tür. Niemand war zu sehen. Der ganze Wohnsalon war ruhig. Erleichtert atmete Eleonora auf. Das Geräusch war wohl doch von draußen gekommen. Sie setzte sich erneut auf das alte, schwere Bett und ließ den Kopf in die Hände sinken. Sie hatte nicht das gefunden, was sie gesucht hatte.

      Womöglich hatte Frank Harris Recht gehabt. Es hatte weder einen Einbruch noch einen Ausbruch auf Red Side gegeben und die alte Greenwood war einfach nur eine Verrückte, die sich vermutlich mehr einbildete und ausdachte, als sie tatsächlich noch raffte.

      Sie lehnte sich zurück auf das alte, muffige Kissen. Doch sie fuhr sofort erschrocken hoch, denn etwas drückte sie in den Nacken. Vorsichtig hob Eleonora das schwere Kissen in die Höhe. Im Schatten des Hirschkopfes über dem Bett lag ein kleiner Gegenstand. Verwirrt musterte Eleonora ihren Fund. Was lag da unter dem Kopfkissen? Es war ein Schlüssel. Ein rostiger, verzierter Schlüssel mit Schnörkel. Eleonora hob ihn auf und ließ ihn durch ihre kalten Finger gleiten. Er war groß, schwer. Es war keineswegs ein Schlüssel für einen Schrank oder eine Truhe. Mit diesem Schlüssel sollte eine Türe oder ein Tor geöffnet werden, ein Verließ oder ein Gitter. Und was auch immer man mit diesem Schlüssel aufschließen konnte, Misses Greenwood wollte nicht, dass es jemals so weit kommt. Denn er war gewiss nicht ohne Grund unter ihrem Schlafkissen versteckt.

      Ein leises Knarzen ertönte auf einmal. Ein Keuchen. „Was hast du denn hier zu suchen?“, krächzte plötzlich eine Stimme, laut und nah.

      Eleonora fuhr erschrocken zusammen, drehte sich augenblicklich um. Und da stand sie, am Fußende des Bettes, als hätte die Teufelshand sie gemalt: Elisabeth Greenwood. Im dämmerigen Licht blitzte ihr Glasauge unheimlich aus dem grauen, faden Gesicht, die Warze prankte auf der Wange, ihre trockenen Lippen zu einem schmalen Strich des puren Zorns gezogen. Das Kopftuch schütze ihre grauen, feinen Haare, die wie die Weben einer Spinne an ihrem Kopf umherflogen, die Kleider zerfetzt, alt und muffig. Eleonora schluckte, wich ängstlich zurück und erhob sich erstarrt von dem Bett.

      „Misses Greenwood, Sie haben mich erschreckt“, flüsterte sie, der Atem stockte.

      Die Alte tat wortlos ein paar zitternde Schritte auf sie zu, kam immer näher, langsam, grummelnd.

      Mit ihren weißlichen Augen hatte sie Eleonora fixiert wie eine Schlange eine kleine, zitternde Maus, die sie gleich mit einem Bissen töten und verschlingen würde. Eleonora griff instinktiv in ihre Manteltasche, fühlte nach dem Küchenmesser. Sie spürte es in der Brusttasche und ihre Finger umgriffen es so fest, dass ihre Knöchel weiß wurden.

      „Du bist erneut in mein Schloss eingedrungen, ohne Einladung“, murrte Misses Greenwood. „Was hast du hier zu suchen, Eleonora?“ Den Namen sprach sie so gehässig aus, zischte ihn durch ihre vergoldeten Zähne.

      „Ich… Ich wollte Sie nur besuchen“, zitterte Eleonora. Misses Greenwood kam immer näher auf sie zu, Eleonora stand bereits mit dem Rücken an die Wand gedrückt. „Und… Und ihre siebte Puppe kennen lernen!“, fiel ihr da ein. Die Puppen waren für die Alte bisher immer ein gutes Thema gewesen, Eleonora betete, flehte im Stillen, dass sie sie damit ablenken konnte. „Wissen Sie noch, Misses Greenwood, sie haben mir vor ein paar Tagen Isabell vorgestellt und ihre Freundinnen. Aber die Schwester habe ich noch nicht kennen gelernt. Wie hieß sie noch? Annabell?“, stockte Eleonora und die alte Frau blieb stehen.

      „Ihr Name ist Mirabell.“, antwortete sie ohne ihren ungebetenen Gast aus den Augen zu lassen.

      „Du bist nun schon zum zweiten Mal unerlaubt in meinem Schloss“, krächzte sie weiter. „Und bevor du mich das erste Mal besucht hast, wurde mir ein Ring gestohlen, Eleonora“, die Alte legte ihren Kopf schief und grinste unheimlich. Meine Güte, Elisabeth Greenwood hielt Eleonora für den Einbrecher. Sie dachte, sie hätte den Ring gestohlen.

      „Misses Greenwood, ich habe mit dem Einbruch in jener Nacht nichts zu tun“, wimmerte Eleonora, immer noch das Messer fest umgriffen.

      Misses Greenwood nickte und schwieg. „Du bist zu einem Raub nicht fähig“, raunte sie. „Du hast Angst. Angst wie eine kleine Maus.“

      Jetzt war es Eleonora, die stumm nickte.

      „Du willst nur die Puppen kennen lernen, damit du dein Buch schreiben kannst“, fuhr die Alte fort.

      „Genauso ist es“, antwortete Eleonora und ließ endlich das Messer los. Ihr Herz raste wie verrückt.

      „Mirabell ist verletzt. Der Einbrecher hat sie zerstört. Sie ist im Wohnsalon. Komm mit, Kindchen.“

      Misses Greenwood drehte sich langsam auf ihren dünnen Beinen um und verließ das Schlafzimmer. Eleonora atmete auf. Diese Frau kann einem wirklich Angst machen, dachte sie verstört und folgte ihr in den Wohnsalon.

      Misses Greenwood stand vor dem einzigen Schrank im Wohnsalon, er war groß, schwer und aus massivem Holz gefertigt. Sie öffnete mit ihren dürren, knochigen Fingern die quietschende Schranktür und holte eine Schatulle heraus.

      „Hier ist sie“, nun lächelte Misses Greenwood und überreichte Eleonora feierlich die rote Schatulle, die über und über mit Muscheln beklebt war. Eleonora hob den Deckel an, dessen Schatten sich langsam von dem Gesicht der Puppe abhob. Eleonora schrie entsetzt auf, wollte die Schatulle am liebsten sofort wieder verschließen. „Das ist Mirabell, meine andere Enkelin“, nickte Elisabeth Greenwood.

      Die Porzellanpuppe war das Ebenbild des absoluten Grauens. Schneeweiße, eiskalte Haut. Blonde Engelshaare, makellos frisiert und ein weißes, glänzendes Kleid. Oben auf dem Kopf saß eine rote Schleife, fein drapiert auf dem blonden Haar.

      „Sie war einst wunderschön und perfekt, doch jetzt ist sie zerstört von der Hand des Einbrechers, von der Hand, der sie töten wollte und mir meinen Ring gestohlen hat. Du erkennst ganz klar das zerbrochene Gesicht, welches zwischen den Augen vollständig aufgerissen ist. Sie hat bei dem Unfall ihr linkes Auge verloren. Ich wollte ihr dort eine Murmel einsetzen, habe aber noch

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