Herbstverwesung. Stefanie Randak

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Herbstverwesung - Stefanie Randak

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Eleonora fest. „Wo haben sie die beiden gekauft?“

      „Nun, Kindchen, man kann die Mädchen nicht kaufen, man kann sie lediglich adoptieren. Mirabell habe ich schon seit ich selbst noch jung war. Ich habe sie in einem Antiquitätenladen hier in London gekauft. Der Händler meinte, sie sei ein absolutes Einzelstück aus Japan, ein echtes Unikat. Und vor einigen Jahren geschah das Unfassbare: Hier in London, am Rande des Gloomy Forest gab es einen Zirkus. Den Zirkus Magic. Ich ging jeden Sonntag in eine Vorstellung. Es gab Clowns, Artisten, wilde Tiere und eine Puppenspielerin. Ich habe die Shows geliebt. Doch dann ist der Zirkus pleite gegangen… Und die Besitzer veranstalten einen Flohmarkt. Ich habe viele Dinge dort gekauft, weil mich die Shows so begeistert hatten und mich so verzaubert hatten, ich wollte nie wieder ohne diesen Zirkus leben. Unter anderem habe ich auch eine Puppe gekauft. Isabell. Und sie sieht ganz genauso aus wie ihre Schwester, Mirabell. Und ich habe sie beide gefunden, hier in London. Oder besser gesagt, sie haben mich gefunden. Was für ein Zufall das war!“ Misses Greenwood hatte sich mittlerweile auf das Sofa gesetzt, sie saß da, mit einem Lächeln, versunken in ihre Geschichte. „Wie konnten Sie die beiden Puppen auseinanderhalten?“

      „Nun, ich habe Isabell eine blaue Haarschleife ins Haar gebunden. Und Mirabell eine Rote. Nur so konnte ich sie all die Jahre unterscheiden. Doch nun ist es ein Kinderspiel, die beiden zu identifizieren. Mirabell hat ein Glasauge und ein gespaltenes Gesicht. Und Blut am Rücken.“

      Blut am Rücken? Eleonora hob das kaputte Mädchen aus der Schatulle und drehte sie vorsichtig um. Das weiße Kleidchen war am Rücken dunkelrot.

      Eleonora verzog angewidert das Gesicht und sah hilfesuchend zu Misses Greenwood. Sie nickte traurig. „Ja, mein Schätzchen hat sehr viel Blut verloren, als der Einbrecher hier war und ihr Gott weiß was antun wollte.“

      Ein paar quälende Minuten der Stille verstrichen. Eleonora spürte den Ekel in sich aufsteigen, ihr Magen schien sich umzudrehen. Das hier war sicher alles nur Einbildung oder ein böser Albtraum. Gleich würde sie aufwachen und dann würde alles wieder gut werden.

      „Die Wahrheit ist… Sie braucht eine neue Mami. Ich habe sieben Mädchen in meinem Schloss um die ich mich kümmern muss. Da bleibt keine Zeit mehr für ein Mädchen mit Behinderungen. Sie sieht kaum noch, kann ihren Kopf nicht bewegen. Ich habe sie in diese Schatulle gelegt, damit ihr nichts passiert. Eleonora, ich möchte, dass du sie an dich nimmst und dich um sie kümmerst“, Misses Greenwood lächelte.

      Die Puppe mit nach Hause nehmen? Niemals, dachte Eleonora entschlossen. Unter keinen Umständen.

      „Das ist wirklich sehr nett, Misses Greenwood, doch ich habe keine Zeit für … ein Baby“, stotterte Eleonora und versuchte ein Lächeln.

      „Ich bestehe darauf, Eleonora! Es hat sich selten jemand so für die Mädchen interessiert wie du. Du wärst eine gute Mami für meine Mirabell. Nimm sie mit und kümmere dich um sie!“, Elisabeth Greenwood war laut geworden, ihr Ton streng. Sie war fest davon überzeugt, ihr die Puppe zu schenken. Eleonora nickte brav und zauberte ein künstliches Lächeln. Sie würde die Puppe einfach mitnehmen und zu Hause in den Keller räumen. Auf keinen Fall würde sie diese grauenvolle, kaputte Puppe mit Blut am Rücken und einer Murmel in der leeren Augenhöhle bei sich zu Hause aufs Sofa setzen und mit ihr Tee trinken.

      Elisabeth Greenwood machte die Schatulle behutsam zu und überreichte sie feierlich der entsetzten Eleonora, die sich daraufhin verabschiedete und sich schon überlegte, die Puppe doch lieber gleich weg zu werfen.

      Als Eleonora die Wohnungstüre hinter sich schloss, blieb sie erst einmal einen Moment im Hof stehen. Sie atmete tief durch, ihre Beine waren noch ein wenig zittrig. „Verrückte alte Hexe!“, murmelte sie. Ihr Blick wanderte durch den Red Side Hof, dessen Boden schon ganz schlammig war vom vielen Regen. Die große Uhr im Turm gongte laut und schallte durch die gesamten Mauern des Schlosses. Da wanderten Eleonoras Augen am Turm entlang. Dort gab es ein winziges Fenster. Eleonora musste genau hinsehen, sie erschrak, als sie dort einen Menschen entdeckte. Einen Mann. Sein Blick wanderte wachsam über den Hof, erspähte Eleonora und wich sofort vom Fenster zurück. Eleonora zuckte, überlegte nicht lang, nahm die Beine in die Hand und rannte augenblicklich auf den Turm zu. Tausend Gedanken schossen ihr durch den Kopf. War es ein gefangener Sohn? Oder stand da oben der Polizist Frank Harris, der doch noch ein paar Dinge überprüfte? Oder war es gar der Einbrecher, der nur auf seine nächste Chance von hier oben aus lauerte? Eleonora rannte die hölzerne Treppe nach oben, ganz nach oben. Irgendwo hier musste der Mann doch sein. Der Glockenschlag wurde lauter, Eleonoras Puls erhöhte sich, die Treppenstufen knarzten unter ihren Füßen, die sich schnell und zielsicher nach oben bewegten. Vorbei an dem Fenster, sie lief so schnell sie konnte. Keuchend kam sie oben an, genau in dem Moment, als die Glocke ihren letzten Gong läutete. Der Schall war ungeheuer laut und drang noch Sekunden später unangenehm in Eleonoras Ohren nach. Und da stand er, tatsächlich. Ein fremder Mann. Gut gebaut, mittlernen Alters. Er lehnte an der Turmmauer mit dem Gesicht zu Eleonora.

      „Wir hatten schon lange keinen Besuch mehr hier auf Red Side“, meinte er, als der Gongschlag der Glocke vollständig verstummt war.

      „Ich habe Misses Greenwood vor einigen Wochen kennen gelernt“, schnaufte Eleonora, brannte darauf, ihm unendlich viele Fragen zu stellen und so schoss es ihr zeitgleich mit dem Mann aus dem Mund: „Wer sind Sie?“ Der Mann schmunzelte. Sein Gesicht wirkte freundlich, braunes Haar, einen Dreitagebart.

      „Richard Walker, der Sohn von Elisabeth Greenwood“, er tat ein paar Schritte auf die verdutzte Eleonora zu und reichte ihr höflich die Hand. Der Sohn? Eleonora konnte es nicht fassen. „Ich bin Eleonora Bianchi und ich habe unglaublich viele Fragen an Sie, Mister Walker“, antwortete sie und lehnte sich an die Mauer. Sie war immer noch völlig erschöpft.

      „Nenn mich Richard, Eleonora. Und natürlich, du darfst mir gerne ein paar Fragen stellen. Das würden vermutlich gerne mehrere Leute tun“, zwinkerte er. „Doch vielleicht tun wir das irgendwo, wo es nicht ganz so ungemütlich ist.“

      5

      Dieses Mal gab es im Cafe Fresh keine Cupcakes für Eleonora, sondern einen Teller mit Sandwiches und Pommes. Sie hatte unglaublichen Hunger, dieser Tag war schon viel zu lang, viel zu verrückt und viel zu anstrengend. Am Morgen hätte sie nie gedacht, dass sie am Nachmittag noch mit Richard Walker, dem Sohn von Misses Greenwood, der alten Red Side Hexe, ein paar Pommes im Cafe Fresh futtern würde. London steckte eben voller Überraschungen.

      „Darf ich jetzt mit meinem Verhör beginnen?“, lachte Eleonora. Am liebsten hätte sie einen Notizblock herausgeholt und alles festgehalten und zusätzlich noch mit einem Diktiergerät aufgenommen. Die beiden hatten sich einen schönen Zweiertisch am Fenster gesucht.

      „Du darfst. Aber für jede Frage die du mir stellst, darf ich auch etwas fragen“, meinte Richard und klaute sich Pommes von Eleonoras Teller. Er selbst hatte sich nur einen Kaffee bestellt.

      „Das klingt fair“, Eleonora nickte und steckte sich ebenso Pommes in den Mund. „Also, meine erste Frage ist, wohnst du auf Red Side?“

      „Nein.“ Er schüttelte den Kopf und schluckte seine Pommes runter. „Ich wohne schon seit vielen Jahren mit meiner Frau und meinen zwei Kindern und meinen zwei Katzen in einem schönen Apartment hier in London.“ Er lächelte, als er von seiner Familie erzählte.

      Das war eine sehr mustergültige Antwort, fand Eleonora. Elisabeth Greenwood lebte wohl tatsächlich ganz alleine in ihrem riesigen Schloss. Naja, ganz alleine ist sie ja nicht, dachte Eleonora. Immerhin hat sie ja stets ihre Puppen bei sich.

      „Ich bin dran“, grinste Richard sofort und wackelte mit den Augenbrauen. Auch er schien neugierig zu sein und hatte wohl schon einige

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