Ketzerhaus. Ivonne Hübner

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Ketzerhaus - Ivonne Hübner

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       Daher tut der Heilige Geist im Papste wohl daran, dass er in seinen Verfügungen immer den Sterbensfall und die äußerste Not ausnimmt.

      Elsa wimmerte. Ihr Hintern tat weh. Der Vater war noch nicht fertig mit ihr. Sie versuchte sich an der Wandung der Feuerstelle hochzuziehen. Er trat mit einem wütenden Aufschrei ihre Hand weg, sodass Elsa abermals in der Asche davor landete.

      „Eine ganze Pfanne!“, röhrte er. „Du hast dem Hinterthur eine ganze Pfanne verdorben!“ Mit dem letzten Wort landete sein Riemen abermals auf ihrem Leib. Elsa schrie auf. Sie hörte, wie die Mutter kleinlaut flehte, er möge von dem Kind ablassen, aber Johannes Mälzer war außer sich. Wieder knallte der Lederriemen auf Elsa nieder, dann wirbelte er herum und gab Katharina eine Ohrfeige. Das Klatschen und ihr Keuchen hörte Elsa, den Schmerz im ganzen Körper und die Tränen auf ihrem Gesicht spürte sie.

      „Ich hab das nicht gewollt“, weinte sie, was sie schon Dutzende Male gesagt hatte, seit der Hinterthur mit Zeter und Mordio bei den Mälzers auf dem Hof aufgetaucht war. „Ich hab es doch nicht gewollt!“ Sie schrie auf, weil ihr Vater sie am Schlafittchen packte und sie am Kragen so hochhob, dass seine Faust ihren Kehlkopf abdrückte.

      „Du hast es nicht gewollt?“ Er hob Elsas Gesicht vor das sei ne.

      „Lass sie runter, du bringst sie ja zu Tode“, hörte Elsa ihre Mutter. Sie hielt dem wässrigen Blick ihres Vaters stand.

      „Das wäre noch das Beste, was ihr widerfahren könnte!“

      „Es war ein dummer Kinderstreich, Herr Vater, verzeiht mir“, ächzte Elsa. Abrupt ließ ihr Vater sie fallen. Als sie auf dem Boden aufschlug, knackste ihr rechter Knöchel. Ein stechender Schmerz fuhr hinauf bis in ihr Knie.

      Breitbeinig stand Johannes vor ihr und Elsa war seltsam gespannt darauf, was er ihr als Nächstes antun würde. Sie wollte vom Erdboden verschluckt werden oder doch besser gleich sterben. Ihr Vater stemmte die Hände in die Seiten und brüllte, wobei er jedes einzelne Wort betonte: „Kuhscheiße in eine Sudpfanne kippen und dann behaupten, es sei Andres gewesen, ist kein dummer Kinderstreich!“

      „Ich dachte, es sei der Reinigungssud. Der Hinterthur kocht die Pfannen immer zum Saubermachen aus. Ich wusste nicht, dass es der richtige Würzesud war!“ Jost hatte behauptet, dass es die Lauge war, die da vor sich hin blubberte. Andres war an diesem Tag für die Pfanne zuständig. Jost hatte Elsa in dem Glauben gelassen, es sei nur das Waschwasser gewesen, das Andres einen Moment unbeaufsichtigt gelassen hatte. Jost war weggerannt, nachdem er die Kuhfladen in die Pfanne gekippt hatte. Und Elsa war so dumm, fasziniert zuzusehen, wie sich die Scheiße im kochenden Wasser auflöste. Den bestialischen Gestank würde sie wohl nie wieder los werden. Wieso Meister Hinterthur plötzlich im Brauhaus auftauchte, obwohl Jost gesagt hatte, sein Vater sei auf dem Feld, begriff sie immer noch nicht. Es war auch einerlei. Sie schämte sich und wollte sich in Luft auflösen.

      Elsa konnte tagelang nicht sitzen, humpelte und nachts schlief sie schlecht. Alles tat ihr weh. Die verdorbene Würze hatte der Vater dem Hinterthur bezahlen und sich dafür beim Schultheiß einen Vorschuss geben lassen. Elsa wusste, den Vorschuss würde ihr Vater so lange vor sich hertragen und nicht zurückbezahlen können, bis sie verheiratet werden würde.

      Sie sollte sich beim Hinterthur für die verdorbene Pfanne entschuldigen. Das tat sie auch. Sie fing den Meister am Morgen ab, während der die Schweine fütterte, um allein mit ihm zu sprechen. Und weil sie nichts zu verlieren hatte, sagte sie, es sei Josts Idee gewesen. Sie verriet alles, was Jost jemals ausgefressen hatte. Der Braumeister hörte ihr schweigend zu und entließ sie dann.

      Sie spielte nie wieder mit Jost. Elsa blieb die meiste Zeit auf dem Mälzer-Hof und lernte, dass ihre Mutter recht gehabt hatte. Die dunkle Jahreszeit brachte mit sich, dass Elsa lange und versonnen in der zerfledderten Bilderbibel blätterte und feststellen musste, dass sie die meisten Buchstaben, die sie einst gelernt hatte, um Jost zu beeindrucken, längst wieder vergessen hatte. Wie töricht sie gewesen war! Das Haus verließ sie nur, um auf die jüngeren Schwestern beim Rodeln ein Auge zu haben. Sie verwünschte Jost. Sie hasste ihn von ganzem Herzen und das tat sehr weh.

      Der Winter mit klirrender Kälte kam früh in diesem Schreckensjahr und die Kinder staunten über den zugefrorenen Schöps. Und als habe Elsa das Unglück durch ihren Hass heraufbeschworen, war das Eis ausgerechnet an der Stelle zu schwach, auf der Jost schlitterte.

       Unklug und übel handeln die Priester,

       welche Sterbenden kirchliche Buße

       fürs Fegefeuer vorhalten.

      Elsa, durchgefroren und zitternd, weinte den ganzen Nachmittag. Katharina legte dem Mädchen zuweilen die Hand auf den Schopf, Johannes Mälzer predigte, als habe er nie etwas anderes getan. Aber all das machte Jost auch nicht wieder lebendig.

      „Es war Gottes Wille“, hörte Elsa ihre Mutter in ausgesucht ruhigem Ton sagen. Das Mädchen aber schüttelte schluchzend den Kopf. Sie fühlte sich schuldig, weil sie Jost alles Schlechte an den Hals wünschte, nachdem sie seinetwegen so viel Prügel bezogen hatte. Sie hörte der Mutter kaum zu: „Gott straft seinen Übermut, den Leichtsinn, die Herausforderung.“ Kopfschütteln seitens des Mädchens. „Gott will nicht herausgefordert werden. Er richtet gerecht, Elsa.“ Das Mädchen schüttelte nur immer wieder den Kopf, zog den Rotz hoch und schluchzte abermals auf.

      „Hauptsache, der Schreck sitzt tief“, wusste Johannes Mälzer dazu zu sagen, und: „Hauptsache, es hat den Richtigen getroffen. Es hätte auch der andere sein können. Das wäre ein Verlust gewesen, wo der Andres so still und fromm ist!“

      Elsas Gedanken schweiften zurück zum Schöps. Sie erinnerte sich nicht, wie sie nach Hause gelangt war. Mutter hatte sie aus der Schockstarre rütteln müssen. Vater hatte auf sie eingebrüllt. „Was ist denn los, was ist denn bloß los?!“

      Sie hatte das Geschrei der Kinder noch im Ohr und den Geruch von ihrem eigenen Angstschweiß. Sie riefen, Andres solle sich beeilen, solle schneller machen. Und dann, als Jost unter das Eis trieb, war es mit einem Male ganz still am Flussufer geworden. Alle starrten fassungslos auf den Spalt unter dem Eis, unter dem Jost verschwunden war. Die Strömung hatte ihn mitgerissen. Andres blieb regungslos stehen, wo das Eis unter ihm nachgegeben hatte und schaute ins Nichts. Er hatte seinen Bruder nicht packen können.

      „Mit dem Fluss ist nicht zu spaßen“, erklärte Elsas Vater, als sei das etwas Neues.

      „Auf dem Grund des Flusses gibt es keine Querxen und die Seele von Margarete Rieger werdet ihr da auch nicht finden“, zischelte die Mutter und reichte dem durchgefrorenen Mädchen einen heißen Kräuteraufguss.

      Von diesem Tag an wusste Elsa, dass der Fluss böse war und Böses tat. Vielleicht, so überlegte das Mädchen, war Jost vom Geist der Margarete Rieger in die Tiefen gezogen worden, vielleicht war es auch nur ein Unfall. Er hätte nicht zur Mitte gehen sollen, alle haben ihn gewarnt. Elsas Gemüt war bleischwer. Sie zog sich mit all ihrem Unglück hinter die Feuerstelle zurück.

      Die Beileidsbekundungen mussten den Hinterthurs entgegengebracht werden. Also machte sich die ganze Familie auf den Weg entlang des Schwarzbaches und stattete der trauernden Familie einen Besuch ab. Elsa scheute den Blick in die Augen der Hinterthurs.

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