Das Blöken der Wölfe. Joachim Walther

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Das Blöken der Wölfe - Joachim Walther

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führenden Hand bedarf. Er muss fragen, ob er sein Geschriebenes an Abnehmer verschicken darf, und das Büro erlaubt es gnädig oder eben nicht, wie es ihm beliebt. Der Autor muss fragen, wenn er einen Vertrag unterzeichnen möchte, das Büro gestattet ihm gnädig oder aber nicht die Unterschrift und macht sie durch diesen hoheitlichen Akt erst eigentlich rechtsgültig, wie es heißt, denn vorher ist sie lediglich rührendes Gekritzel eines noch nicht ganz Volljährigen. Die ausländische, ehrlich verdiente Währung aber darf er nicht nur, er muss sie, per Devisengesetz streng dazu verpflichtet, ans Büro überweisen lassen, worauf ihm dann, welch väterliche Gnade, ein gewisser Teil in welscher Währung zurückerstattet wird. Dabei ist es doch des Autors alleiniges Verdienst und das Büro nicht Ko-Autor. Eher k. o.-Autor, da das Büro die Internationalität der Literatur bürokratisiert, was heißt: zeitlich verzögert, unnötig behindert und unerträglich kompliziert. Zu fragen ist, ob diese Behörde mit diesem Menschenbild noch in die Landschaft passt. Und ich meine nicht nur einen neuen Anstrich und ein neues Schild über der Tür, denn der Name ist, zumindest im ersten Teil, durchaus zutreffend: Büro, also eine Behörde, ein Apparat, in dem eine vormundschaftliche Bürokratie sitzt, auf Bürostühlen, mit Büromöbeln, Bürozeiten und Büroklammern. Der zweite Teil dagegen tritt weniger angesichts des Übergewichtes der Pflichten der Urheber. Deshalb müsste es heißen, wie es etliche Kollegen schon lange nennen: Büro für Urheberpflichten.

      Ich ende, was aber nicht heißt, dass schon alles gesagt wäre, was heute und morgen zu sagen ist.

       REDE ZU EINEM ÜBERFÄLLIGEN RÜCKTRITT

      Rede Akademie der Künste, 8. Januar 1990

      Der 7. Juni 1979 war ein schwarzer Tag der Literatur, eine Niederlage der Vernunft, ein Sieg der Politik über die Kunst. Ich wollte damals reden, kam aber nicht zu Wort. Die Regie ließ das nicht zu. Ich wollte gegen die Ausschlüsse plädieren und an die verhängnisvoll klassenkämpferische Position Bechers erinnern, der vor 1933 Heinrich Mann angriff und in die Nähe der Faschisten rückte und der dies wenige Jahre später im gemeinsamen Exil als groben Fehler bekennen musste. Stattdessen sprachen vorbereitete Redner vom sich ständig verschärfenden Klassenkampf, von antikommunistischer Vermarktung, vom Versuch, einen regimekritischen Kreis innerhalb des Verbandes zu etablieren, von verleumderischen Angriffen und Missbrauch der Geduld. Es war die Stunde der ideologischen Chirurgen. Es wurde weisungsgemäß amputiert, doch der Schnitt war nicht die Heilung, es blieb die offene Wunde. Einheit durch Reinheit, hergestellt mit unsauberen Mitteln. Die Folgen solcher Praxis, innerhalb und außerhalb des Verbandes, sind nun offensichtlich.

      Ich bin froh, meine Kollegen, die sie immer geblieben sind, heute hier zu sehen und zu hören. Es ist ihre Stunde. Deshalb bitte ich um Nachsicht, wenn ich noch einige, leider notwendige Nachbemerkungen zu einem Rücktritt machen möchte.

      Am 15. Dezember 89 gaben 24 Berliner Autoren folgende Erklärung ab:

      „Wir haben weder Zeit noch Lust, uns in Abhängigkeit bislang gültiger statutbedingter Amtshandlungen des Schriftstellerverbandes die Chance nehmen zu lassen, überfällige gravierende Veränderungen in diesem Berufsverband zu konzipieren. Wir sehen uns durch den Vorstand des Verbandes, der jüngst Hermann Kant bestätigt hat, in keiner Weise vertreten. Für uns ist Hermann Kant nicht mehr der Sprecher der Schriftsteller der DDR, seit er gegen die auf Veränderung in der DDR zielende Resolution des Berliner Verbandes vom 14. September 89 gestimmt hat.“

      Am 22. Dezember 89 verbreitete das Präsidium des SV über ADN folgende Erklärung:

      „Hermann Kant hat seinen Rücktritt als gewählter Präsident des Schriftstellerverbandes der DDR mit Wirkung vom 22. Dezember 1989 erklärt. In einem ADN übermittelten Schreiben nimmt das Präsidium dazu folgende Haltung ein: Es bedauert diesen Rücktritt außerordentlich. Hermann Kant gehört zu den Persönlichkeiten, die sich um den Verband verdient gemacht und die Erneuerung in unserem Land seit langem öffentlich unterstützt und gefördert haben. Dennoch haben wir tiefes humanes Verständnis für seine Entscheidung. Trotz des nahezu einhelligen in geheimer Abstimmung erklärten Vertrauens durch den Vorstand am 7. Dezember des Jahres ist für Hermann Kant der psychische und physische Druck, dem er sich ausgesetzt fühlt, nicht mehr zu ertragen. Die Angriffe gegen ihn, vorgetragen von einer Gruppe Berliner Mitglieder und Kandidaten und unterstützt von einem Teil der Medien, entbehren unseres Erachtens jeder demokratischen Legitimation, weil sie sich gegen die Interessen der großen Mehrheit der Mitglieder richten. Sie gefährden objektiv den Bestand des Verbandes. Dies ist umso fragwürdiger in einer Zeit, wo alle beruflichen und sozialen Sicherungen, die der Verband in Jahrzehnten erkämpft hat, gefährdet sind. Eine Spaltung würde vor allem unsere Kolleginnen und Kollegen mit geringem Einkommen, ebenso die Älteren und Kranken in ihrer Existenz schwer bedrohen. Das Präsidium nimmt die Funktion des Präsidenten bis zur Wahl auf dem außerordentlichen Kongress im März 1990 kollektiv wahr.“

      Soweit der Text des Präsidiums. Dem ist Folgendes zu erwidern:

      1) Unsere Wortmeldung reagierte auf das beschämende Verstummen des Schriftstellerverbandes im Herbst 89, da zu gleicher Zeit ein Volk das vormals verordnete Schweigen überwand. Sie reagierte weiterhin auf den zunehmend anachronistischen Stil der Interessenvertretung: Noch im September 89 bot der Präsident des SV an, im persönlichen Gespräch mit dem MfS-Minister Mielke den Fall einer verfolgten Kollegin zu klären. In zwei Versammlungen im November 89 sträubte sich der Präsident, der im Juni 1979 bei dem höheren Orts beschlossenen Ausschluss der neun Kollegen als einer der Vordergrund-Regisseure fungierte, gegen ein eindeutiges Schuldeingeständnis. Wahr ist, der Präsident sprach gelegentlich gegen rigide Auswüchse der post-stalinistischen Kulturpolitik. Er fragte nach bei den dafür Verantwortlichen, stellte jedoch das System selbst nicht in Frage.

      2) Die Behauptung, wir hätten auf ihn unerträglichen psychischen und (!) physischen Druck ausgeübt, ist so larmoyant wie unwahr und demagogisch.

      3) Demagogisch ist ferner der Vorwurf, den Verband spalten zu wollen. Wir wollen die programmatische, strukturelle und personelle Erneuerung des Verbandes, formuliert in dem veröffentlichten 9-Punkte-Vorschlag, den mittlerweile 81 Kollegen unterzeichnet haben. Wer notwendige Veränderungsvorschläge des Spaltungsversuchs verdächtigt, will nicht die Veränderung und provoziert eben dadurch zentrifugale Tendenzen.

      4) Dass unsere Wortmeldung jeglicher demokratischen Legitimation entbehre, ist ein argumentatives Fossil aus prädemokratischer Zeit. Wir haben öffentlich unsere Meinung gesagt und unsere Namen genannt, und das ist ein Recht, auf dem nicht nur einige Schriftsteller, sondern alle für alle Zukunft bestehen sollten.

       KUNSTLOSE VEREINIGUNG?

      Die Politiker in Bonn und Ostberlin haben einen Staatsvertrag geschlossen – und einen Generationenvertrag gekündigt: den über die Nationalkultur. Die Künste und die Künstler haben sie in der Eile glatt vergessen.

      Doch auch die wollen sich vermählen. Nicht, weil sie müssten. Weil sie wollen, froh, dass sie nun zueinander können und das viel zu tiefe Wasser überbrückt ist. Immanuel Kant meinte, der Ehevertrag werde durch die körperliche Vereinigung vollzogen. Dazu gehören allemal zwei. Möglichst zwei gleichwertige, unverklemmte und vitale Partner, wenn es denn Spaß machen soll. Nun aber wird, steht zu befürchten, die östliche Braut gar nicht mehr ins gemeinsame Brautbett steigen können, da sie vorher an Schwindsucht verstorben ist. So wird dem westdeutschen Bräutigam nur noch die Grabpflege bleiben.

      Die Nationalkultur aber ist ein Kontinuum über Jahrhunderte hinweg, ein Vertrag der Generationen, sie zu bewahren, zu entwickeln und weiterzureichen, und es gibt eine Pflicht der Gegenwärtigen, die zeitgenössische Kultur und Kunst zu pflegen, auf dass sie gegenwärtig überlebe, ihrer Zukunft wegen. Die Deutschen, die sich doch so gern selbst

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