Toni der Hüttenwirt Paket 3 – Heimatroman. Friederike von Buchner

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Toni der Hüttenwirt Paket 3 – Heimatroman - Friederike von Buchner Toni der Hüttenwirt Paket

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jetzt gehst zu weit! Madl, was denkst du? Willst mich beleidigen?«

      »Das net, Vater! Dieser Jean kam mir nur ein bisserl sehr sonderbar vor.«

      »Gut, dann will ich es dir mal erklären. Der Futtermittelmarkt ist hart umkämpft. Die Konkurrenz soll net Wind davon bekommen, ver­stehst?«

      »So? Deshalb wird des Zeugs so ausgeliefert, und du beziehst des net beim Händler?«

      »Genau so, jetzt hast begriffen! Also, dann genieße deine freie Zeit.«

      »Des mache ich, Vater! Grüß die Mutter und die Großeltern und Tante und Onkel. Bis dann, Vater! Pfüat di!«

      »Pfüat di, Lotti!«

      Lotti Kirchner schaltete das Handy aus. Ihr Herz raste. Jetzt war sie noch mehr beunruhigt als zuvor. Sie schloss die Lieferung ein, wie sie es ihrem Vater versprochen hatte. Dann holte sie ein kleines leeres Schraubglas, wie es ihre Mutter zum Einkochen von Marmelade verwendete und füllte aus der gleichaussehenden Flasche eine Probe des weißen Pulvers ab. Dann ging sie zurück ins Haus.

      *

      Lotti nahm eine Dusche und schlüpfte in frische Kleider. Sie zog grüne Jeans und eine grünrotweiße, karierte Hemdbluse mit kurzen Ärmeln an. Ihre schulterlangen Haare band sie zu einem Pferdeschwanz hoch. Sie betrachtete sich im türgroßen Spiegel ihres Kleiderschrankes. Sie gefiel sich.

      Ich sehe ganz gut aus, dachte sie. Weiß der Geier, warum mich die Burschen übersehen!

      Lange beschäftigte sich Lotti nicht mit diesen Gedanken. Die Sorgen um das weiße feine Granulat drängten sich ihr wieder in den Sinn.

      Lotti holte sich Brot, Wurst und Schinken aus der Speisekammer. Sie ging in die Küche und machte sich etwas zu essen. Unschlüssig betrachtete sie die Lebensmittel. Sie stammten aus der eigenen Hausschlachtung, das wusste Lotti. Wenn das Schwein das Zeugs bekommen hat, dann können Rückstände darin sein. Lotti verging der Appetit. Sie räumte Wurst und Schinken wieder in die Speisekammer. Dann ging sie in den Garten und holte sich Tomaten und Karotten, die sie so aus der Hand aß.

      Lotti hatte in ihrer Ausbildung zur Säuglingsschwester gelernt, wie schädlich Zusatzstoffe in Tierfutter sein konnten. Viele Krankheiten konnten dadurch ausgelöst werden, bis hin zu massiven Schädigungen des Ungeborenen. Auch bei Erwachsenen können die Zusatzstoffe Krankheiten auslösen.

      Lotti war im Konflikt zwischen der Loyalität gegenüber ihrem Vater und der Verantwortung, die sie spürte. Die Gesundheit ist das höchste Gut, und jeder Mensch trägt Verantwortung, sie zu erhalten, für sich und für andere, dachte Lotti. Sie überlegte, was sie tun sollte und mit wem sie darüber reden konnte. Jetzt wäre es gut gewesen, wenn sie einen Liebsten gehabt hätte, dem sie hätte wirklich vertrauen können. Aber dem war leider nicht so.

      Ich muss ganz alleine damit fertig werden, dachte sie. Sie wusste, dass es eine Pflicht gab, den Einsatz von illegalem Futterzusatz zu melden. Das galt für jedermann, der den Verdacht hatte. Wenn ich es tue und festgestellt wird, es sind keine harmlosen Vitamine, dann gibt es einen Skandal. Dann ist Vater ruiniert, der Hof ist ruiniert. Waldkogel kommt in die Schlagzeilen und die anderen Bauern auch in Verruf. Lotti wagte nicht, sich dies in allen Einzelheiten vorzustellen. Es war zu schrecklich. Aber zu wissen und zu schweigen, machte sie zur Mittäterin, das wuss­te Lotti auch. Sie erschrak bei dem Gedanken, dass ihr Vater bei der Mast der Schweine betrogen haben könnte. Sie überlegte, irgendwie passte es nicht zu ihm. Aber auf der anderen Seite gab es zu viele Fakten und Fragen. Die Erklärung, die sie ihrem Vater entlockt hatte, beruhigte sie nicht wirklich. Eher im Gegenteil. Er hatte sehr ungeduldig und etwas ärgerlich reagiert, was sonst nicht seine Art war. Er musste sich ertappt gefühlt haben.

      Lotti überlegte, ob ihre Mutter davon etwas wissen konnte. Sie half im Büro mit der Buchhaltung.

      »Büro – Buchhaltung! Das ist es«, sagte Lotti vor sich hin.

      Sie ging ins Büro. Nach und nach blätterte sie die Ordner mit den Rechnungen durch. Sie suchte eine Rechnung oder Unterlagen, auf denen etwas stand, zum Beispiel eine Nummer, wie die auf dem Karton. Es war Sommer. Lotti ging alle Ordner durch, rückwärts bis zum Beginn des Jahres. Sie fand nicht den kleinsten Hinweis.

      Es wunderte Lotti nicht. Er hatte mich keinen Lieferschein unterschreiben lassen, und abrechnen will er mit Vater demnächst. Lottis Herz klopfte wild, als sie sich noch mehr bewusst wurde, dass ihr Verdacht begründet war. Die Schweine bekamen einen Zusatz, der heimlich gegen Bargeld, ohne Papiere eingekauft wurde. Also, ist es etwas Verbotenes, etwas höchst Illegales, folgerte Lotti.

      Sie war sich sicher, dass sie ihren Vater damit konfrontieren musste. Aber um ihn zu überführen, brauchte sie Beweise. Die musste sie sich beschaffen, aber wie?

      Die Substanz zur Behörde zu bringen, bedeutete, ihren Vater in den Ruin zu treiben. Außerdem was ist, wenn ich mich geirrt habe? Das fragte sich Lotti. Sie war verzweifelt.

      Lotti ging wieder in den Garten und setzte sich auf die Bank, ihren Lieblingsplatz. Sie faltete die Hände, schaute hinauf zum Gipfelkreuz des ›Engelssteigs‹ und schickte ein Stoßgebet hinauf.

      »Bitte, bitte, schickt mir einen Einfall! Was soll ich tun?«

      Wie alle Waldkogeler glaubte Lotti daran, dass die Engel auf dem ›Engelssteig‹ auf einer für die Menschen unsichtbaren Leiter in den Himmel aufstiegen. Sie trugen die Gebete, Wünsche, Sorgen und Sehnsüchte hinauf und trugen sie dem Allmächtigen, seinem Sohn Jesus, der heiligen Muttergottes Maria und allen Heiligen vor.

      Lotti blickte in die andere Richtung. Auf dieser Seite des Tales ragte der Gipfel des ›Höllentors‹ in den Abendhimmel. Es hing eine kleine schwarze Wolke genau über dem Gipfel. Lotti erschrak zutiefst.

      »Wusste ich doch, dass etwas Schlimmes geschieht oder schon geschehen ist!«, sagte Lotti fast tonlos.

      Sie wusste seit ihrer frühsten Kindheit, dass eine schwarze Wolke über dem Gipfel des Berges nichts Gutes verhieß. Der Berg wurde ›Höllentor‹ genannt, weil jeder in Waldkogel davon überzeugt war, dass der Satan oben auf dem Gipfel ein Tor zur Hölle hatte. Öffnete der Teufel die Tür und schaute heraus, wurde eine schwarze Wolke sichtbar. Eine schwarze Wolke deuteten die Waldkogler, dass ein Unwetter, ein Unfall oder irgendeine Katastrophe bevorstand.

      Doch im gleichen Maß, wie Lotti sich vor dem ›Höllentor‹ fürchtete, vertraute sie auf die Hilfe und den Beistand der Engel hoch oben auf dem ›Engelssteig‹.

      Und plötzlich hatte sie eine Idee.

      »Danke! Danke, ihr Engel!«, flüsterte Lotti mit dankbarem Blick in Richtung des Engelssteigs.

      *

      Pfarrer Heiner Zandler saß in seiner Studierstube und las. Endlich kam er mal wieder dazu, sich mit der Geschichte von Waldkogel und der Umgebung zu befassen. Dabei ging es ihm nicht um Geschichtsforschung, sondern mehr um Geschichten. Er war jetzt schon viele Jahre in Waldkogel Geistlicher. Er war sogar in Waldkogel geboren und aufgewachsen, ein echter Bub der Berge. Im Laufe seiner Tätigkeit hatte er festgestellt, dass es viel zu erzählen gab. Wenn er Hausbesuche bei den alten Waldkogelern machte, dann erzählten sie ihm oft Anekdoten und Erlebnisse, schöne und weniger schöne.

      Diese Erlebnisse hatten Menschen zusammengebracht, getrennt oder wieder vereint. Pfarrer Zandler hatte irgendwann begonnen, sie aufzuschreiben, so wie er sie erzählt bekommen hatte. Jeder berichtete sie ihm aus seiner ganz eigenen Sicht. So hatte

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