Post mortem. Amalia Zeichnerin

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Post mortem - Amalia Zeichnerin Baker Street Bibliothek

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Stimme klang sachlich, fast als ob er einen Vortrag vor Studenten hielt. »Und irgendwann im weiteren Verlauf versagen Nieren, Herz und Kreislauf.« Er hob eines der Lider der Verstorbenen an. »Bei einer Belladonna-Vergiftung kann es ebenfalls zu Hautrötungen kommen, aber schauen Sie sich ihre Pupillen an, die sind nicht erweitert. Diese Hautrötungen und Quaddeln … es sieht fast aus wie Nesselfieber, aber das verläuft ja in der Regel nicht tödlich.«

      Er blickte Mabel direkt an. »Wie schon gesagt, wir werden die Tote genauer untersuchen müssen. Bei manchen Giften sind Erstickungssymptome oder starke Hautrötungen die Folge, aber da werde ich weiter nachforschen. Möglicherweise war Zyankali im Spiel – bei einer entsprechenden Einnahme kommt es zu Atemnot.«

      Er wandte sich an den Medizinstudenten. »Mr Gerston, wir hatten hier doch Anfang des Jahres einen Fall von Zyankalivergiftung. Was sind in einem solchen Fall die entsprechenden Symptome? Zählen Sie bitte auf, was Sie gelernt haben.«

      John Gerston trat einen Schritt von dem Leichnam zurück, an dem er gerade arbeitete. »Die Vergiftungssymptome sind Atemnot, eine Reizung der Schleimhäute, die Bindehäute röten sich«, sagte er, als würde er aus einem Lehrbuch zitieren. »Laut Angaben einer Angehörigen litt unser Fall vor dem Eintritt des Todes an Schwindelgefühlen, er musste sich erbrechen und krampfte, bis schließlich eine Ohnmacht eintrat. Am Leichnam fiel auf, dass die Leichenflecken leuchtend rot waren.«

      »Das ist hier ja nicht der Fall«, sagte der Doktor und zeigte auf den Leichnam. »Außerdem riechen die Pralinen nicht nach Bittermandel.«

      Mabel überlegte. Sich auf die Fakten zu konzentrieren, half ihr gegen ihren noch immer rebellierenden Magen und auch gegen die aufkeimende Wut darüber, dass möglicherweise jemand Miss Westray nach dem Leben getrachtet hatte. »Und wenn nur diese eine Praline, die sie gegessen hat, Zyankali enthielt?«

      »Nun, in dem Fall müsste es eine sehr hohe Konzentration gewesen sein. Wie gesagt, für eine gründlichere Untersuchung des Leichnams benötige ich einen richterlichen Beschluss. Und unter Umständen auch die Zustimmung der Angehörigen. Sagen Sie, Mrs Fox, würden Sie mir einen großen Gefallen tun und noch heute bei Miss Westray zu Hause nach der Adresse von deren Angehörigen forschen? Die Schlüssel befinden sich ja wohl in der Handtasche, zumindest gehe ich davon aus.«

      Mabel zögerte. Wie schon auf dem Weg hierher erschien es ihr ganz und gar nicht richtig, in den Sachen der Verstorbenen zu wühlen. Andererseits mussten sie die Verwandten von Miss Westray verständigen und sie hatte keine Ahnung, wo diese wohnten. Eine Alternative wäre es, zunächst in ihrem Bekanntenkreis herumzufragen. Doch womöglich würde es Tage in Anspruch nehmen, wenn sie erst entsprechende Nachrichten schrieb und dann auf Antwort wartete. Einen Moment lang war sie hin- und hergerissen.

      Doktor Tyner musterte sie mit gerunzelter Stirn, er wartete natürlich auf ihre Antwort.

      »Das ist ein guter Gedanke«, erwiderte sie schließlich und nickte.

      Der Arzt seufzte. »Danke. Das würde mir einiges an Lauferei ersparen. Wie schon gesagt, ich gebe Ihnen ein Schreiben mit, das Sie dem Vermieter vorlegen können. Damit dürften Sie keine Schwierigkeiten bekommen.«

      Mabel lächelte traurig. »Ich habe die Zeit, mich darum zu kümmern. Es ist wirklich kein Problem.« Sie machte sich daran, die Schnitte wieder zuzunähen.

      Später verließ sie mit dem Schreiben des Coroners, Miss Westrays Schlüsselbund sowie einer Visitenkarte, auf der die Adresse der Verstorbenen stand, das Leichenschauhaus. Die Handtasche und die Pralinenschachtel behielt Doktor Tyner vor Ort. Ob die Pralinen tatsächlich vergiftet worden waren? Wer um alles in der Welt würde etwas so Niederträchtiges tun? Hatte Pauline Westray jemanden so sehr verärgert, dass dieser sich auf mörderische Weise rächen wollte? Oder steckte etwas anderes dahinter? In Gedanken versunken machte sich Mabel an den Rückweg in die Sutherland Street, während ein unangenehmer Nieselregen einsetzte, der ihr Gesicht mit winzigen, kalten Tropfen bedeckte.

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       Kapitel 3 – CLARENCE

      »Hoffentlich finden wir einen Hinweis auf ihre Angehörigen«, sagte Clarence zu seiner Frau, als sie sich noch am selben Tag gemeinsam zur Vauxhall Bridge Road aufmachten. Ihm war nicht wohl bei dem Gedanken, in der Wohnung einer Fremden herumzustöbern, andererseits wollte er Doktor Tyner unterstützen, und Mabel war ja eigens von diesem beauftragt worden. Mittlerweile war es längst dunkel und es regnete noch immer. Mabel hatte ihm erzählt, was sie gemeinsam mit dem Coroner herausgefunden hatte.

      »Also ist es möglich, dass sie vergiftet wurde?«, fragte er, während er, auf seinen Gehstock gestützt, einer Pfütze auf dem Gehweg auswich, die im Schein einer Gaslaterne dunkel glänzte.

      »Ja, leider. Doktor Tyner wird die Pralinen und Miss Westrays Leichnam noch genauer untersuchen«, erwiderte Mabel, die fast unter ihrem aufgespannten Regenschirm verschwand. »Was für ein Mensch tut so etwas?«, sagte sie leise.

      »Wir wissen doch beide nicht allzu viel über Miss Westray«, erinnerte er sie. »Und auch nicht, mit wem sie Umgang pflegte. Aber ich muss zugeben, du kanntest sie besser als ich.«

      Mabels Stimme klang ein wenig heiser, als sie ihm antwortete. »Das vielleicht, doch es war eher eine oberflächliche Bekanntschaft.«

      Sie wanderten die Clarendon Street hinauf. Etwas später passierten sie den Warwick Square, eine umzäunte, rechteckige Grünfläche, der mehrere aneinandergereihte, vierstöckige Wohnhäuser gegenüberstanden, wie man sie in vielen Straßen dieses Stadtteils fand. Diese verfügten jeweils über einen kleinen Portikus mit Säulen, der am oberen Ende in einen Balkon überging – ein Privileg, über das nur Bewohner der ersten Etage verfügten, während die oberen Stockwerke ohne einen solchen Luxus auskommen mussten.

      Einige Gaslaternen sorgten für etwas Licht. In ihrem Schein glänzte der Regen – winzige, golden leuchtende Fäden, die leicht schräg zu Boden stürzten.

      Einzelne Passanten kamen ihnen entgegen, hasteten vorbei. So wie in London die meisten Leute stets in Eile waren, außer die Spaziergänger in den Parks, die gemächlich schlenderten. Sicherlich waren sie froh, nach ihrem Tagwerk bald heimzukehren und dort den Kamin einzuheizen. Oder vielleicht in einen der zahlreichen Pubs einzukehren, wie Clarence selbst regelmäßig ein Lokal in der Moreton Street aufsuchte.

      Sein Gehstock machte das übliche, gleichmäßige »Tock, tock« auf der Straße und wie schon so oft streiften ihn mitleidige Blicke. Eigentlich hatte er rund zwanzig Jahre lang Zeit gehabt, sich daran zu gewöhnen, aber er hasste es dennoch, wenn Leute ihn so ansahen. Seine Gedanken wandten sich wieder der Verstorbenen zu. Ob sie in deren Wohnung wohl die Adresse ihrer Verwandten finden würden?

      Die lang gezogene, breite Vauxhall Bridge Road zerschnitt den nördlichen Teil Pimlicos von Nordwesten bis Südosten und endete an der Vauxhall Bridge, die über die Themse führte. Miss Westrays Wohnung befand sich in einem mehrstöckigen Backsteinhaus auf der nördlichen Seite der Straße, wie sie bald anhand der Hausnummer herausfanden.

      »Passt einer der beiden Schlüssel?«, fragte Mabel.

      Clarence steckte den ersten in das Schloss der Haustür. Er schüttelte den Kopf. Also den anderen. Der ließ sich anstandslos drehen. »Nach dir, meine Liebe«, sagte er und hielt seiner Frau die Tür auf, wie es sich für einen Gentleman ziemte.

      Nun standen sie in einem dunklen Flur, in dem es ein wenig

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