Drachensonne. Thomas Strehl

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Drachensonne - Thomas Strehl

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Zanthen. Jonaas hatte überhaupt nicht mehr an die kleinen Vögel gedacht, die der Sprache mächtig waren. Normalerweise waren sie ein lustiges Volk, stets zu Späßen und Neckereien aufgelegt, doch nun schienen sie sich in der Tat als nützlich zu erweisen.

      Jonaas dachte daran, wie oft einer dieser geschwätzigen Vögel ihn veralbert hatte, und erkannte ein großes Problem.

      »Es gibt nicht viele Leute, die der Geschichte eines Zanthen glauben werden«, gab er zu bedenken.

      Wieder nickte Fay. »Vielleicht haben wir das Glück, dass trotzdem jemand dem schwarzen Lord auflauern wird. Oder dass er merkt, dass man auf ihn achtet und er so versteckt reist, dass er nur langsam vorankommt. Langsam genug, dass Talkien und Swon ihn stellen können.«

      Jonaas runzelte die Stirn. »Talkien und Swon?«, fragte er ungläubig.

      Er wusste nicht, was er erwartet hatte, doch diese beiden als Antwort auf den schwarzen Lord schienen ihm etwas zu wenig.

      Seine Mutter blickte ihn ernst an. »Die Versammlung hat beschlossen, den Jäger und seinen Helfer auf die Spur Gradoons zu setzen. Sie sagen: Wenn jemand den Lord aufspürt, dann sie.«

      Und obwohl Jonaas den Jäger nicht leiden konnte, konnte er nicht abstreiten, dass Talkien ein begnadeter Fährtenleser war. Wer konnte der Spur also besser folgen als der erfahrene Jäger?

      Und doch war der Junge mit der Entwicklung der Dinge nicht einverstanden.

      »Was ist mit mir?«, fragte er. »Werde ich mit ihnen gehen? Schließlich weiß ich als Einziger genau, wie der schwarze Lord aussieht.«

      Seine Mutter schob ihm erneut den Teller hin. »Iss erst einmal, bevor die Suppe kalt wird«, sagte sie, und Jonaas wusste, dass sie ihn nur ablenken wollte. Wahrscheinlich würde ihm die Entscheidung des Rates nicht gefallen.

      »Was ist mit mir?«, fragte er noch einmal.

      Seine Mutter blickte an ihm vorbei. »Sie sind bereits fort«, sagte sie leise. »Sie sind heute Morgen aufgebrochen.«

      »Aber ...« Jonaas war fassungslos.

      »Der Rat hat beschlossen, dass die Wichtigkeit der Aktion keinen Aufschub duldet. Man konnte und wollte nicht warten, bis du erwachst.«

      »Du hättest mich wecken müssen«, fuhr Jonaas seine Mutter barsch an.

      »Und dann?«, fragte sie ruhig. »Du bist verletzt. Ich glaube nicht, dass du in der Lage bist, tagelang im Sattel zu sitzen, um eine Spur zu verfolgen oder sogar zu kämpfen, wenn es denn so weit kommt.«

      Der Junge ließ keinen Einwand zu. »Ich bin derjenige, der die Flamme verloren hat. Also muss man mir die Chance geben, sie dem Dorf wiederzubringen.«

      Seine Mutter runzelte die Stirn. »Das hier ist schon lange kein persönlicher Rachefeldzug mehr«, fertigte sie ihren Sohn ab. »Es geht nicht um persönliche Eitelkeit und darum, wer hier wem was weggenommen hat. Wenn die alten Geschichten stimmen, und jeder hier glaubt das, dann hängt das Schicksal der ganzen Welt von unseren Entscheidungen ab.«

      Jonaas war nicht aufzuhalten. »Klasse«, sagte er unwirsch. »Und wir schicken plapperndes Geflügel und Talkien und Swon, na, herzlichen Glückwunsch.«

      Seine Mutter reagierte nicht auf seinen Ausbruch. Sie ging zum Herd und begann damit, den Inhalt des Topfes umzurühren.

      »Ich werde allein gehen«, beschloss Jonaas. »Ich packe meine Sachen und werde auf eigene Faust den schwarzen Lord unschädlich machen.«

      Seine Mutter rührte ruhig weiter. Sie drehte sich nicht einmal um, als sie den nächsten Satz sagte: »Man wird dich nicht fortlassen«, murmelte sie. »Nur Männer können mit Aufgaben außerhalb des Dorfes betraut werden.«

      Jonaas war wie vor den Kopf geschlagen. Erst jetzt begriff er die persönlichen Ausmaße dieses ganzen Dramas. Er hatte die Prüfung nicht bestanden und war damit in den Augen der Dorfbewohner weiterhin ein Kind.

      »Toll!«, rief er aufgebracht. »Aber Swon geht mit. Der ist nur ein Jahr älter als ich.«

      »Aber er ist ein Mann, und Talkien hat sich für ihn stark gemacht.«

      Etwas in der Stimme seiner Mutter ließ ihn aufhorchen. »Talkien«, sagte der Junge. »Daher weht der Wind. Der Jäger wollte mich nicht dabei haben.«

      Plötzlich war Jonaas einiges klar. Talkien hatte ihn aus einem unbekannten Grund noch nie leiden können.

      Seit Jonaas' frühester Kindheit waren sie immer wieder aneinandergeraten. Dem Jäger war der Junge mit dem fremden Aussehen ein Dorn im Auge gewesen.

      Einmal hatte er sogar verlangt, dass man Jonaas aus der Dorfgemeinschaft ausschließen sollte, und auch, dass der Blonde mit Tyk und Kalil zusammen die heilige Prüfung ablegen sollte, hatte dem Jäger nicht gepasst. Er hatte sogar versucht, einen Beschluss des Rates zu erwirken, dass Jonaas nicht zugelassen wurde.

      »Er ist anders als wir«, hatte er am Abend, bevor die drei in den Berg geschlossen wurden, gesagt. »Er kann und darf nicht behandelt werden wie ein Sangapao.«

      Doch die anderen Dorfbewohner und der Rat der Ältesten hatten die Bedenken des Jägers fortgewischt, und Jonaas war ein Hüter der Flammen geworden.

      Und nun das.

      Die Ereignisse in der Höhle schienen Talkien recht zu geben, bestätigten das Urteil des Jägers.

      Also war es nur klar für ihn, den Jungen nicht mit auf die Verfolgung zu nehmen.

      Jonaas sagte nichts mehr. Stattdessen nahm er den Löffel und rührte ein bisschen in der Suppe. Schließlich führte er das Esswerkzeug doch zum Mund.

      Die Flüssigkeit war noch warm, und erst jetzt bemerkte er, wie hungrig er war. Seit dem Kampf gegen den schwarzen Lord hatte er nichts mehr gegessen.

      Sein Magen knurrte zur Antwort auf seine Gedanken, und es dauerte nicht lange, bis Jonaas schweigend den ersten Teller geleert hatte.

      Seine Mutter sprach ebenfalls nicht, lächelte nur, als sie das Gefäß erneut füllte und vor den Jungen stellte.

      Noch einmal leerte Jonaas den Teller in Rekordgeschwindigkeit.

      Ein Gefühl der Wärme breitete sich in ihm aus.

      Er wusste nicht, welche Kräuter seine Mutter in die Suppe gemischt hatte, doch sie schmeckte ausgezeichnet, und es waren wohl auch einige Blätter dabei, die seinem geschundenen Körper zu einer schnelleren Regeneration verhalfen.

      Die Frau lächelte immer noch, als Jonaas sich mit dem Ärmel seines Hemdes den Mund abwischte und den Teller in die Mitte des Tisches schob.

      »Noch etwas?«, fragte Fay.

      Jonaas hielt sich den Bauch. »Dann platze ich«, sagte er.

      Er stand auf und schritt durchs Zimmer. Eine plötzliche Unruhe hatte ihn befallen, und jetzt, da seine Verletzungen nicht mehr all zu wehtaten und sein Körper frisch gestärkt war, meldete sich ein riesiger Tatendrang.

      »Ich werde Gradoon finden«, sagte er. »Und wenn es das Letzte ist, was ich tue.«

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