Drachensonne. Thomas Strehl

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Drachensonne - Thomas Strehl

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sind Armmanschetten«, erklärte seine Mutter. »Komm, leg sie an.« Sie streifte ihm die Dinger über die Unterarme und verschnürte sie.

      »Dies sind die Zeichen deines Vaters«, sagte seine Mutter, deutete auf die Runen und trat einige Schritte zurück.

      »Du bist ihm so ähnlich«, flüsterte sie, und Tränen traten in ihre Augen.

      Sie schniefte einmal, fand ihre Haltung wieder und ging zurück zum Tisch.

      Jonaas sah an sich herab und betrachtete die Manschetten an seinen Armen. Irgendwie fühlten sie sich merkwürdig an, vielleicht auch nur, weil seine Mutter sie ein Stückchen zu eng geschnürt hatte.

      Trotzdem sagte er nichts. Er wusste, wie viel dies hier seiner Mutter bedeutete. Wie sehr sie an den einzigen Erinnerungsstücken hängen musste, die sie von ihrer großen Liebe übrig behalten hatte.

      Jonaas versuchte, sich in seine Mutter hineinzuversetzen, doch er empfand nichts für die Person, die er gar nicht kannte. Sein Vater und alle Gedanken an ihn waren weiter weg als die Sturmfelsen.

      Seine Mutter unterbrach seine Gedanken, als sie ihm eine kleine Holzkiste, groß wie seine Hand, reichte.

      Jonaas nahm sie an sich, befühlte das weiche Holz und fand schließlich einen metallenen Verschluss. Langsam öffnete er den Deckel.

      Eine kleine Steinschleuder befand sich darin, eingeschlagen in blauen Samt, und daneben ein Säckchen, das nach genauerer Untersuchung zwanzig bunte Glasperlen enthielt.

      Der Junge wusste nicht recht, was er davon halten sollte, doch seine Mutter sagte: »Nimm das Kästchen mit auf deine Reise. Es wird dir gute Dienste leisten, denn es ist eine mächtige Waffe.« Sie zuckte die Achseln. »Das jedenfalls hat dein Vater gesagt.«

      Der Blonde verstaute das Kästchen in seiner Tasche und fragte sich einmal mehr, was für ein komischer Kauz sein Vater wohl gewesen war.

      Er trug Manschetten mit wirren Zeichen darauf und war bewaffnet mit der Schleuder eines kleinen Jungen. Ein Kämpfer, der seine Gegner mit bunten Glaskugeln beschoss.

      Wieder trat seine Mutter zum Tisch und reichte Jonaas das letzte Geschenk. Es war eine dunkelrote Scheide aus demselben lederartigen Material wie die Manschetten. Doch statt eines Messers oder Dolches steckte eine unterarmlange gläserne Flöte darin.

      Sie war daumendick, mit Löchern, wie sie das Instrument von Harin, dem Schäfer, hatte.

      Der Junge nahm das Spielzeug entgegen und befestigte es an seinem Gürtel.

      Er hätte sich ein Schwert gewünscht für seine Reise oder einen Bogen, doch als er in das feierliche Gesicht seiner Mutter sah, traute er sich nicht, die Geschenke zurückzuweisen.

      Er behielt die Stücke und bedankte sich dafür.

      »Du bist ihm so ähnlich«, sagte sie wieder, und diesmal ließ sie ihren Tränen freien Lauf.

      Jonaas umarmte die zierliche Frau. »Dein Vater sagte: Sie werden ihm auf seiner Suche gute Dienste erweisen.« Sie löste sich aus seiner Umklammerung und trocknete mit ihrem Ärmel die Tränen. »Damals, als du noch nicht einmal geboren warst, wusste ich nichts mit diesen Worten anzufangen«, sagte sie und lächelte schief. »Auch später, als du wohlbehütet aufgewachsen bist, ergaben sie keinen Sinn. Bis jetzt ...«

      Jonaas runzelte die Stirn. »Aber wie konnte er damals ...«

      Ein inneres Strahlen schien von seiner Mutter auszugehen. »Glaub mir, mein Junge«, unterbrach sie ihn geheimnisvoll. »Dein Vater wusste von Dingen zwischen Himmel und Erde, die andere nicht einmal ahnten.«

      Jonaas' Griff klammerte sich um die seltsame Flöte. Sie war durchsichtig, einfach, aber makellos gearbeitet.

      »Wie war mein Vater?«, fragte er. Es war nicht das erste Mal, dass er nach seinem Erzeuger fragte, doch anders als bei den vorangegangenen Malen hoffte er diesmal, eine Antwort zu erhalten.

      »Es ist schwer, ihn zu beschreiben«, sagte seine Mutter leise. »Geheimnisvoll war er, sehr verwirrend und doch auch zauberhaft und liebenswert. Ruhig und ungestüm zugleich, zärtlich und verletzend, hart und weich. Manchmal eine Spur zu brutal, aber immer gerecht.« Sie sah ihren Sohn an. »Ich glaube, niemand im Dorf, mich eingeschlossen, hat ihn ganz verstanden. Und nicht wenige waren froh, als er seine Verletzungen auskuriert hatte und ging.«

      »Und du?«

      »Ich war einfach nur wütend«, sagte sie. »Eine Wut, die noch gesteigert wurde, als er mir in seinen Abschiedsworten erklärte, dass ich ein Kind erwartete.« Sie blickte zu Boden. »Es hat Jahre gebraucht, ihm ganz zu verzeihen.« Sie trat zu ihrem Jungen und wischte ihm zärtlich eine blonde Strähne aus seinem Gesicht. »Nun habe ich meinen Frieden mit ihm gemacht und bin ihm dankbar, dass er mir das geschenkt hat, was mir das Wichtigste auf Erden ist: dich.«

      Wieder weinte sie.

      Jonaas, dem es nie erlaubt war, über seinen Vater zu sprechen, wollte nun mehr wissen.

      »Woher stammten seine Verletzungen?«, fragte er. »Woher kam er und wohin ging er?«

      Ein Wissensdurst, der die ganzen Jahre nicht hatte gestillt werden dürfen, sprudelte nun hervor.

      Doch er sollte nicht mehr erfahren. Seine Mutter zuckte nur die Achseln. »Ich weiß es nicht«, murmelte sie. »Selbst mir hat er seine Herkunft verschwiegen. Und niemand kannte jemanden, der so war wie er.« Sie senkte die Stimme. »Fraam behauptete einmal, als er zu viel getrunken hatte, dein Vater käme aus der Geisterwelt«, und dann fügte sie unsicher hinzu: »Aber das ist natürlich Unsinn.«

      Jonaas machte sich seine eigenen Gedanken.

      Sein Vater hatte, als er ins Dorf kam, die Sangapao nicht verstanden, und sie verstanden ihn nicht, also hatten sie ihn Thime getauft, was in der Sangapaosprache soviel bedeutet wie »der Weiße». Und Thime hatte sich auch dann nicht gegen diese Anrede gewehrt, als er in erstaunlich kurzer Zeit ihre Sprache gelernt hatte.

      Eigentlich war er nur schnell aufgetaucht, hatte das friedliche Leben der Sangapao für ein paar Wochen durcheinandergebracht und war dann genauso schnell wieder verschwunden.

      Jonaas war sehr nachdenklich. Es war schon seltsam, den eigenen Vater nur aus Erzählungen zu kennen und zu erfahren, dass selbst die eigene Mutter den richtigen Namen seines Vaters nicht kannte.

      Nun stand er hier in der kleinen Hütte, das Erbe seines Vaters in den Händen, und wusste nicht recht, wie er reagieren sollte.

      Es hatte eine Flucht werden sollen, ein heimlicher Aufbruch, doch nun war alles ganz anders.

      Seine Mutter stand vor ihm, Tränen in den Augen, und er fragte sich, ob er jetzt überhaupt gehen konnte.

      Oder ob er überhaupt noch gehen wollte. War der anfängliche Zorn darüber, dass man ihn hier eingesperrt und nicht mitgenommen hatte, nicht schon verraucht?

      War es nicht wirklich besser zu bleiben?

      Was konnte ein Junge wie er überhaupt ausrichten?

      Und hatte er nicht bereits schon einmal gegen den schwarzen Lord gekämpft und war sang- und klanglos untergegangen?

      Seine

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