Toni der Hüttenwirt Paket 2 – Heimatroman. Friederike von Buchner

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Toni der Hüttenwirt Paket 2 – Heimatroman - Friederike von Buchner Toni der Hüttenwirt Paket

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sind da!« riß sie Lorenz aus ihren Gedanken. »Hast eine Stablampe? Es wird bald ganz dunkel sein.«

      »Danke, Lorenz! Vielen Dank! Ja, ich habe eine Stablampe dabei!«

      Helen stieg aus. Sie gab Lorenz die Hand.

      »Des wird schon! Schau, wie schön des Gipfelkreuz im Abendlicht leuchtet. Des sehen deine Kinder auch. Des wird sie heimfinden lassen! Da bin ich mir ganz sicher. Die haben Schutzengel! Alle Kinder haben Schutzengel!«

      Helen lächelte zaghaft. Sie schulterte ihren Rucksack und ging weiter. Rechts des Pilgerwegs bog der schmale Pfad ab, der am ›Erkerchen‹ vorbei zur Berghütte führte. In einer halben Stunde bis einer Dreiviertelstunde bin ich dort, wenn ich mich beeile. Helen beschleunigte ihren Schritt.

      *

      Dr. Gunter Volkmann war zum ›Erkerchen‹ gewandert. Statt sich Notizen zu machen, ein Gedächtnisprotokoll aufzuschreiben, wie ihn Leo gebeten hatte, saß er unruhig auf der Bank. Er hielt sein Handy in den Händen und starrte auf das Display. Inzwischen hatte Gunter unzählige SMS an Frauke Hennings geschickt. Sie hatte aber nicht geantwortet.

      Kann sie nicht antworten?

      Will sie nicht antworten?

      Fragen über Fragen huschten Gunter durch den Kopf. Er wußte, daß sich Frauke keinen Meter ohne ihr Handy bewegte.

      Warum antwortet sie nicht?

      Gunter versuchte sich damit zu trösten, daß Frauke ihr Handy vielleicht im Kofferraum hatte und es nicht hörte. Gleichzeitig hielt er es für sehr unwahrscheinlich. Ganz langsam schlich sich der Verdacht in sein Herz, daß Frauke nicht antworten wollte.

      Sie will frei sein?

      Sie will einen schönen Urlaub fernab der Berge erleben?

      Sie will mit den Kindern nichts zu tun haben?

      Sie sagt sich, es geht sie nichts an!

      Sie sagt sich, es sind Gunters Kinder!

      Sicherlich sind es meine Kinder. Sie gehören zu mir, immer werden sie zu mir gehören. Wenn ich Frauke heirate, dann wird sie damit leben müssen, daß die Kinder ein Teil meines Lebens sind und immer bleiben werden.

      In Gunter wuchs das Gefühl der Verlassenheit. Er fühlte sich einsam. Er sehnte sich nach jemanden, der ihn tröstete, ihm Mut machte, die ungewissen Stunden mit ihm durchlebte, durchwachte, durchlitt.

      Gunter dachte an das Eheversprechen, daß er und Helen sich einmal gegeben hatten…

      …in guten wie in schlechten Tagen…

      Frauke will nur gute Tage. Bei schlechten Tagen taucht sie ab. Das war Gunter plötzlich klar. Er dachte nach.

      Plötzlich erinnerte er sich oder er sah an Frauke Verhaltensweisen, die er bisher übersehen hatte. Oder hatte er sie verdrängt? Einfach nicht wahrgenommen?

      Ja, Gunter mußte es sich eingestehen. Frauke war sehr eitel, egoistisch, egozentrisch, oberflächlich, unreif und vieles mehr. Sie war nicht warmherzig, mitfühlend, einfühlsam, geduldig, hilfsbereit und gütig. Das alles war Helen. Und sie war noch viel mehr. Helen war darüber hinaus tüchtig, mutig und strebsam, ohne von Ehrgeiz besessen zu sein. Helen war eine gute Zuhörerin. Sie war Kumpel, Geliebte, Freundin und Frau gewesen. Helen hatte viele Rollen ausgefüllt.

      In diesem Augenblick sehnte sich Gunter sehr nach Helen. Oh, wäre sie doch schon hier, dachte er. Sie versteht mich. Sie weiß, was zu tun ist. Helen wußte immer, was zu tun war.

      Gunter schaltete sein Handy aus. Es war ihm plötzlich klargeworden, daß er vergeblich auf einen Anruf oder eine Nachricht von Frauke wartete. Sie mußte seine Nachrichten gelesen haben. Sie meldete sich nicht, weil sie sich nicht melden wollte. Sie wollte damit nichts zu tun haben. Es waren nicht ihre Kinder.

      Gunter steckte das Handy ein. Er lehnte sich auf der Bank zurück und schloß die Augen. Sein Herz war so voller Sehnsucht nach Helen. Feuchtigkeit sammelte sich unter seinen Wimpern und lief bald als Tränen seine Wangen herunter. Gunter wischte die Tränen mit seinem Handrücken ab. Dann beugte er sich nach vorne über und barg sein Gesicht in den Händen. Sein Herz klopfte. Er spürte jeden Schlag. Es rief nach Helen, der einzigen große Liebe seines Lebens. Gunter spürte, daß es da immer noch eine Verbindung gab. Es waren nicht nur die Kinder, die ihn mit Helen verbanden.

      Warum haben wir uns nur getrennt?

      Warum ist das alles geschehen?

      Warum? Warum?

      Plötzlich war Gunter klar, daß er das alles nicht gewollt hatte. Wie war das damals gewesen, versuchte er sich zu erinnern.

      Gunter hatte nie darüber nachgedacht. Alle Probleme, Fragestellungen, die das Leben, auch das alltägliche Leben von Helen und den Kinder betrafen, waren verdrängt worden, zugeschüttet unter grenzenlosem Ehrgeiz, maßloser Geldgier, ziellosem Expansionsdrang. Dabei waren nicht nur Helen und die Kinder auf der Strecke geblieben, sondern auch er selbst. Das wurde Gunter in diesem Augenblick mitten in den Bergen über Waldkogel bewußt.

      Ja, er saß auf der Bank beim ›Erkerchen‹. Hier an diesem magischen, ja fast heiligen Ort ihrer Liebe traf ihn die Erkenntnis wie ein Fausthieb ins Gesicht.

      Ich habe mein Glück, unsere Liebe mit Füßen getreten. Ich habe alles, was ich liebte, unter Tonnen von Stahlbeton begraben. Ich habe Trennwände aus Panzerglas errichtet, nicht nur in den Gebäuden, die ich gebaut habe, sondern auch in meinem Herzen. Ich wollte der Größte sein, der Beste, der Erfolgreichste, die Nummer Eins.

      Gunter seufzte tief und schneuzte in sein Taschentuch. Es war, als schmelze der Gletscher in seinem Herzen. Ich war ein Narr! Helen hat mir so oft die Hand gereicht. Sie hat mich ermahnt, mir mehr Zeit für mich zu nehmen, für die Kinder, für sie. Die Botschaft war nicht angekommen, damals. Sie erreichte weder mein Ohr, noch mein Herz, dachte Gunter.

      Er holte ein Bonbon aus seiner Jackentasche und packte es aus. Während er es langsam lutschte, versuchte er aus dem kleinen Einwickelpapier ein winziges Schiff zu formen. Auch bei dieser Tätigkeit dachte er an Helen. Sie war diejenige, die aus jedem Stückchen Papier Figuren falten konnte für Polly und Patrick.

      Endlich nach vielen Versuchen gelang es Gunter zwei winzige Schiffe zu falten. Er hob etwas losen, trockenen Sand auf und ließ ihn auf die Holzbretter der Bank rieseln. Mit seinem Fingernagel formte er Wellen. Dann setzte er die beiden Schiffchen darauf.

      Helen hat es so gemacht, dachte er.

      Gunter schaute sich um. Unweit der Sitzbank lag ein kleiner Zweig auf dem Boden. Er hob ihn auf und brach ein Stückchen davon ab. Damit schob er die beiden Schiffchen hin und her und ließ sie so fahren. Dabei dachte er unentwegt an Helen und die Kinder. Stundenlang hatte Helen so mit den beiden gespielt. Dabei erzählte sie ihnen Geschichten von abenteuerlichen Fahrten über das Meer, von Piraten und Walfischen, von Delphinen und Fischern.

      In Gunters Herz lebten diese Geschichten neu auf. Er erinnerte sich an immer mehr Details. Damals hörte ich nur mit einem Ohr zu. In Gedanken war ich damals nie dabei. Ich habe mich nie wirklich auf das Spiel eingelassen, nie Anteil genommen. Immer war ich mit meinen Gedanken bei meinen Zeichnungen und Baustellen. Es wäre nichts geschehen, wenn ich weniger daran und mehr an die Kinder und Helen gedacht hätte. Sicherlich wollte

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