Die Frau am Dienstag. Massimo Carlotto

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Die Frau am Dienstag - Massimo Carlotto Transfer Bibliothek

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Alfredo kümmerte sich selbst darum. Er war ein guter Koch, immer elegant gekleidet mit der auf Maß gearbeiteten Lederschürze eines berühmten Schuhmachers und Lederdesigners. Seit dem Schlaganfall seines Dauermieters achtete er darauf, dass die Mahlzeiten leicht und gesund waren.

      Bonamente seufzte, als er ins Bad ging, um sich die Hände zu waschen. Heute würde sich das Gespräch bei Tisch hundertprozentig um sein Treffen mit dem Produzenten drehen, das Signor Alfredo schon im Vorfeld kritisch betrachtet hatte.

      „Wie ist es gelaufen?“, fragte er prompt, während er einen Löffel Parmesan über den Teller seines Schützlings rieseln ließ.

      Bonamente nahm eine Gabel Risotto und ließ sich Zeit. Durch die fehlende Butter war das Gericht lange nicht so gut wie üblich, es schmeckte eher nach Krankenhaus.

      „Noch ein letzter Film, dann höre ich auf.“

      „Ein Film zu viel.“

      „Signor Alfredo, wir haben bereits darüber gesprochen, oder etwa nicht? Ich kann der Branche nicht mit einem Film Adieu sagen, in dem man mich nur von hinten sieht, weil ich geheult habe. Immerhin habe ich eine respektable Karriere zu verteidigen, und aus diesem Grund muss mein Abgang meiner würdig sein.“

      „Und wenn du erneut zu Tränen gerührt bist? Wenn dein Schwanz nicht steht, wie er soll? Auf deine Pillen kannst du nicht mehr zurückgreifen, damit ist ein für alle Mal Schluss.“

      „Dieses Mal ist Weinen kein Problem, sondern sogar erwünscht. Natürlich hast du recht, dass es mit meinem Stehvermögen schwierig werden könnte. Zwei, drei Tage lang werde ich vermutlich Papaverin oder Ähnliches nehmen müssen.“

      Signor Alfredo schüttelte den Kopf. „Es ist absurd, so ein Risiko einzugehen. Du könntest am Set krepieren oder körperliche Schäden davontragen. Und ich sage dir gleich, Gäste im Rollstuhl möchte ich hier keine haben.“

      Der ausrangierte Pornodarsteller schwieg. Er verspürte keine Lust auf weitere Diskussionen und beschloss, ernsthaft darüber nachzudenken, sogar auf diese letzte Rolle zu verzichten. Eine Alternative wäre höchstens, auf die ganzen Rücksichtsnahmen, die sein Gesundheitszustand ihm abverlangte, zu scheißen und wieder in Saus und Braus zu leben wie früher einmal.

      Allein dieses fade Essen. Fünfzig Gramm Risotto, ein Salat, ein gekochter Apfel mit kaum mehr als einem Hauch Rohrzucker und ein Getreidekaffee mit einem halben Päckchen Süßstoff, das war schließlich zum Abgewöhnen. Mit dem unangenehmen Gefühl, noch immer Hunger zu haben, stand er verstimmt auf und ging in sein Zimmer. Er hatte es satt.

      Signor Alfredo mochte ja recht haben, dass es verrückt war, unbedingt diese letzte Rolle noch spielen zu wollen, doch er fühlte sich irgendwie verpflichtet, mit Stil vom Pornogeschäft Abschied zu nehmen. Doch je länger er darüber nachdachte, desto mehr wurde ihm klar, dass ihn niemand vermissen würde. Okay, er war kein schlechter Darsteller und hatte sogar ganz nette Kritiken bekommen, ein Star allerdings war er nie gewesen. Ein von den Kollegen geschätzter Profi, das ja. Vor allem seine weiblichen Kollegen, denen er immer aufmerksam und freundlich begegnet war, hatten ihn gemocht. Das Publikum hingegen hatte ihn nicht gerade umschwärmt, was Bände sprach.

      Ganz davon abgesehen, hatte Martucci recht, dass inzwischen eine neue Generation in den Startlöchern stand. Die Jungen, die im Pornobereich Karriere machen wollten, brachten dieses gewisse Etwas mit, diese Verzweiflung, diesen Zorn, der einen Film undurchsichtig und faszinierend machte. Einmal hatte ein selbstbewusster Nachwuchsdarsteller mit langen Locken und einem gut gebauten Körper, der sein Studium geschmissen hatte, zu ihm gesagt, die Zeit der alten Böcke sei vorbei. Und damit war er gemeint gewesen.

      Das Bild dieses aalglatten jungen Mannes, das vor seinem inneren Auge aufstieg, unterbrach den Fluss seiner Gedanken. Er war froh, dass er noch Zeit hatte, das Ganze ein weiteres Mal zu durchdenken und sich erst dann zu entscheiden. Um sich abzulenken, griff er nach einem Buch, das er zufällig aus dem Regal im Salon gezogen hatte. Signor Alfredo war Mitglied eines Buchclubs und bekam regelmäßig verschiedene Neuerscheinungen zugeschickt. Er hatte den Vertrag eher aus Zufall abgeschlossen und ihn dann nie gekündigt. Das, was er wirklich las, kaufte er am Kiosk, verschlang jede Woche einen Band einer Liebesromanreihe, in der es immer um das Gleiche ging: er, sie und die andere.

      Seufzend warf Bonamente einen Blick auf den Kalender. Erst Freitag. Noch vier Tage, bis er die Frau seiner Träume in seinem Bett empfangen durfte. Allein der Gedanke daran führte zu einer respektablen Erektion. Sein Schwanz war durchaus empfänglich für die Liebe.

      Er schloss die Augen und nutzte die Gunst der Stunde.

       2.

      Am folgenden Tag, dem Samstag, wirkte Signor Alfredo besonders zufrieden und servierte das Frühstück mit einem Lied auf den Lippen, einem alten Hit von Gianni Morandi:

       Non se ne va questo spirito libero

       Questo ragazzo che porto dentro

       È una vita che ti guardo

       E non se ne va questa luce dagli occhi …

       La voglia di rivivere tutto da capo e ogni momento

       La voglia di chiamarti amore come non te l’avessi mai detto

      In diesem Moment wusste Bonamente, dass sich Professor Bassi angesagt haben musste.

      „Er bleibt das ganze Wochenende“, raunte ihm sein Vermieter zu.

      „Sein Zimmer wird soeben hergerichtet.“

      Dabei war das eigentlich gar nicht nötig, weil der Raum immer bezugsfertig war. Neidisch beobachtete sein Mieter, der beruflich wie privat im luftleeren Raum schwebte, den aufgeregt herumlaufenden Mann und wünschte sich das Gleiche, doch ein Wochenende mit seiner Dienstagsfrau war und blieb für ihn ein unerreichbarer Traum.

      Um sich abzulenken, brach er zu einem Spaziergang auf und strebte auf ein Einkaufszentrum zu. Früher war er lieber ins Grüne gegangen, heute aber fühlte er sich in diesem riesigen Kasten, in dem die Luft von gigantischen Maschinen gewärmt und gefiltert wurde, sicherer.

      Auf einer künstlichen Piazza setzte er sich unter einen Sonnenschirm, der niemals weder einen Sonnenstrahl noch einen Regentropfen abbekommen würde, und bestellte eine große Tasse Getreidekaffee, in den er Süßstoff schüttete, was ihm sofort in Erinnerung brachte, dass sein Körper vor der Zeit gealtert war und er nicht mehr als dynamischer, vitaler Vierzigjähriger durchging.

      Die Ärzte hatten ihn zwar beruhigt, dass er ein ganz normales Leben führen könne, die Psychologin dagegen war kritischer gewesen und hatte ihm nicht gerade Mut gemacht. Dabei hätte er wenigstens dieses Mal eine kleine Aufmunterung gebrauchen können, selbst wenn sie nicht ganz ernst gemeint war.

      Um nicht weiter in trübe Gedanken zu verfallen, betrat er ein Wäschegeschäft, um sich Unterhosen zu kaufen. Er wusste nach wie vor nicht, ob die Dienstagsfrau ihn lieber in Boxershorts oder Slips sah, und hatte sie nie zu fragen gewagt. Mal trug er das eine, mal das andere und achtete genau auf ihre Reaktion, ohne eindeutige Hinweise erhalten zu haben. Er ging an den Sonderangeboten vorbei und beschloss, dass sie blau-weiß gestreifte Boxershorts verdient hatte.

      Sie wollte stets vollständig bekleidet empfangen werden, sogar mit Jackett, erst dann zogen sie sich aus, ohne sich dabei anzusehen.

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