Die Frau am Dienstag. Massimo Carlotto

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Die Frau am Dienstag - Massimo Carlotto Transfer Bibliothek

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      Als der Professor kurz vor dem Mittagessen eintraf, saß er im Salon und las Zeitung. Bassi begrüßte ihn mit seiner üblichen Freundlichkeit.

      „Was macht die Gesundheit, Bonamente? Sie sehen blendend aus.“

      Er selbst wirkte älter als beim letzten Mal, als sie sich gesehen hatten, von den immer noch lebendigen und strahlenden Augen einmal abgesehen.

      „Und Sie, Federico, werden immer jünger“, erwiderte er ganz ernst.

      Der Professor nickte ihm lächelnd zu, war dankbar für die charmante Lüge.

      Während des Mittagessens redete Federico ununterbrochen, wie ein Getriebener. Aber es machte Spaß, ihm zuzuhören, und Bonamente hing an seinen Lippen, während Signor Alfredo still und geschäftig zwischen Küche und Tisch hin und her lief.

      Den Nachmittag verbrachte der Schauspieler auf seinem Zimmer, erst gegen Abend verließ er es wieder und bestellte sich ein Taxi.

      Als er dem Fahrer die Adresse nannte, drehte der sich um und grinste ihm verschwörerisch zu.

      „Es gibt ja nichts mehr außer dem Eden“, meinte er und bezog sich damit auf das letzte Pornokino der Stadt. „Mittlerweile schaut man sich Pornos zu Hause an, wo man gleich zur Sache kommen kann“, fügte er hinzu.

      Im Kino lief ein Krankenhausporno, ein Genre, in dem Bonamente wenig Erfahrung hatte und mit dem er sich näher beschäftigen musste, wenn er die Rolle wirklich übernehmen wollte, die Martucci ihm angeboten hatte.

      Niedergeschlagen verließ er am Ende das Kino. Nicht allein deshalb, weil es sich um eine slowenische Produktion und ein Remake gehandelt hatte, sondern weil es nicht einen einzigen Darsteller seines Alters gegeben hatte. Die Älteste war die Oberschwester mit höchstens fünfunddreißig gewesen.

      Zu Hause wartete Alfredo auf ihn. Er hatte ihm das Abendessen warm gestellt und wollte sichergehen, dass er seine Medikamente einnahm. Kurz darauf, pünktlich wie immer, klopfte er an Bonamentes Tür, um ihm seinen Tee zu bringen.

      Die Nacht verbrachte Signor Alfredo nicht in seinem eigenen Zimmer, sondern ging weiter zu Zimmer eins und drückte vorsichtig die Klinke herunter.

      Federico stand am Fenster, als er das Zimmer betrat. Gekleidet in einen eleganten dunkelblauen Morgenmantel mit roten Borten, deklamierte er, ohne sich umzudrehen, mit tiefer, rauer Stimme das Gedicht von Pablo Neruda, mit dem er Alfredo jedes Mal seit vielen Jahren begrüßte, wenn er mitten in der Nacht zu ihm kam.

      Ich habe dich zur Königin ernannt.

      Größere gibt es, größer als du.

      Reinere gibt es, reiner als du.

      Schönere gibt es, schöner als du.

      Aber du bist die Königin.

      Alfredo ging auf ihn zu und zog ihm den Morgenmantel aus, küsste ihn auf den nackten Rücken, kniete nieder und begann mit der Zunge das Hinterteil des Professors zu liebkosen, griff gleichzeitig mit der linken Hand nach seinem Penis und streichelte ihn. Als er eine ganz zaghafte Erektion spürte, stand er auf und steckte ihm den Zeigefinger in den Hintern, suchte nach der Prostata. Verdammtes Alter, dachte er und fuhr fort, beides zu reizen, bis er ein wenig Sperma in der Hand spürte. Danach nahm er Federico zärtlich in den Arm.

      „Du bist mein König“, flüsterte er.

      Am Sonntag stand der Hausherr früh auf und backte Federicos Lieblingskuchen. Er war überglücklich und fest entschlossen, jeden Moment ihrer gemeinsamen Zeit auszukosten. Gerne hätte er sein ganzes restliches Leben mit ihm verbracht, bloß ließen das die Umstände und ihre unterschiedlichen Lebensverhältnisse nicht zu. Ihre Liebe war einfach zu verrückt, gänzlich unmöglich.

      Ganz anders erlebte Bonamente den Sonntagmorgen. Gleich beim Aufwachen fühlte er sich so verloren wie immer an diesem Tag. Was sollte er mit seiner Einsamkeit anfangen? Während Paare und Familien Ausflüge machten, Parks und Restaurants bevölkerten, konnte er es kaum erwarten, bis die langweiligen Stunden vorbei waren. Bis der Montag und endlich, endlich der Dienstag kam.

      Als er ins Frühstückszimmer kam, bemerkte er als Erstes den Kuchen.

      „Für dich nicht mehr als ein halbes Stück“, warnte ihn Signor Alfredo, „in dieser Köstlichkeit ist einiges an Zucker und Butter.“

      Als er für einen Moment den Raum verließ, zwinkerte Bassi ihm zu und reichte ihm ein weiteres Stück. „Beeil dich, sonst schimpft er mit mir.“

      In Windeseile verschlang Bonamente den Kuchen und überlegte gerade, was er heute unternehmen sollte, um den beiden nicht lästig zu fallen, als der Professor zu seiner Überraschung den Wunsch äußerte, in ein Restaurant zu gehen, wo er früher Stammgast gewesen war, und ihn ebenfalls dazu einlud. Seine Ausrede ließ er nicht gelten.

      „Ich erlaube mir, darauf zu bestehen. Es würde mich wirklich glücklich machen. Es ist zu lange her, dass ich mit Freunden auswärts gegessen habe. Jeden Sonntag nehme ich mit meinen Söhnen, meinen Schwiegertöchtern und den Enkeln das Mittagessen ein, die mich wie einen uralten Großvater behandeln. Dementsprechend benehme ich mich leider auch. Es ist eine echte Tragödie, wenn man zur Banalität gezwungen wird.“

      „Vielleicht kannst du deine Verabredung ja verschieben“, schlug Signor Alfredo vor, der sehr wohl verstanden hatte, dass sein junger Freund abgelehnt hatte, um nicht aufdringlich zu wirken.

      Nachdem alles einvernehmlich geregelt war, fuhren sie gemeinsam zu einem Restaurant am Stadtrand, von wo aus man in die Ebene und auf die Sojafelder blickte, die den Anbau traditioneller Getreidesorten verdrängt hatten.

      Bei dem Fahrzeug, in dem sie saßen, handelte es sich um ein neues Elektroauto, das Alfredo Guastini gekauft hatte, als er von den Gefahren des Feinstaubs gehört hatte. Den Mercedes mit dem Dieselmotor hatte er verkauft und sich stattdessen für ein teures japanisches Modell mit allen Schikanen entschieden, dessen Hersteller zusätzlich damit werben durfte, dass der Wagen die Luft nicht verschmutze und dem Klima und der Gesundheit diene.

      Bonamente saß still auf dem Rücksitz und beobachtete die vorbeiziehenden Häuser. Ein offenes Fenster, ein zugezogener Vorhang, aufgehängte Wäsche. Wie damals als Kind stellte er sich immer noch gerne vor, wer die Bewohner hinter den Fenstern wohl sein mochten.

      Dann erreichten sie das Restaurant.

      Bassi lächelte zufrieden, als er feststellte, dass es genau so war, wie er es in Erinnerung hatte, selbst die Karte schien sich nicht geändert zu haben.

      Während sie ein hervorragendes Paprikahühnchen aßen und dazu einen Rotwein aus den Abruzzen tranken, fragte Signor Alfredo den Professor, wie er gerade auf dieses Restaurant so weit außerhalb gekommen sei.

      „Weil hier keine Kollegen aus der Uni herkamen“, erklärte er lächelnd. „Ich kam immer mit einem Kollegen hierher, er hat mir übrigens die Pension empfohlen, wofür ich ihm auf ewig dankbar bin.“

      Guastini seufzte und legte seine Hand auf die von Bassi.

      „Ich habe geheiratet, weil ich meine Frau wirklich geliebt habe“, stellte der Professor klar. „Sie war eine schöne, starke und intelligente Frau, und ich leide sehr unter ihrem Verlust. Trotzdem habe ich sie immer mit Männern betrogen, aber ich hätte sie nie verlassen. Nicht

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