Das Leben des Antonio Filarete, Benozzo Gozzoli, Vittore Carpaccio und weiterer Künstler. Giorgio Vasari

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Das Leben des Antonio Filarete, Benozzo Gozzoli, Vittore Carpaccio und weiterer Künstler - Giorgio Vasari

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zum Standardsystem des frühneuzeitlichen Bildes geworden waren, machen sich der Einfluß der Niederlande ebenso bemerkbar wie die Antikenrezeption durch diverse Motivzitate. Die schmückende und gelehrte Darstellungs- und Erzählweise der Ferrareser Malerschule richtete sich an ein höfisches Publikum, mithin den Kreis von Ercoles Auftraggebern. Mit Ercole de’ Roberti findet auch der Einfluß der venezianischen Malerei Eingang in die ferraresische Malerei, was sich durch klare Architekturen und eine auf die Lichtwirkung abzielende Farbgebung zeigt. Diese Entwicklung war auch Vasari offenkundig nicht entgangen, folgt doch auf die Vita Ercoles die Lebens- und Werkbeschreibung der Brüder Bellini.

      Diverse moralisch bewertende Bemerkungen Vasaris, die Ercole als vorbildlichen Schüler, aber auch dem Alkohol zugeneigten Künstler vorstellen, lassen die Vita zu einem ambivalenten, letztlich jedoch überwiegend positiven Porträt des Quattrocento-Malers werden.

       CP-K

      Bibl.: Manca 1992; Molteni 1995; Conradi 1997, S. 11f. und S. 142–146; Syson 1999; Turner 2000, Bd. II, S. 1355–1359 (Kristen Lippincott); Farinella 2014, S. 28–77.

      DAS LEBEN DES MALERS ERCOLE FERRARESE

       Vita di Ercole Ferrarese Pittore (1568)

      Obwohl lange bevor Lorenzo Costa starb,1 sein Schüler Ercole Ferrarese2 einen hervorragenden Ruf genoss und man ihn zum Arbeiten an viele Orte rief, wollte er (was selten ist) seinen Meister nie verlassen und war damit zufrieden, mit bescheidenen Einkünften und mäßiger Anerkennung bei ihm zu bleiben, statt mit größerem Gewinn und Ansehen für sich alleine zu arbeiten.3 Für diese dankbare Gesinnung hat Ercole um so viel mehr Lob verdient, weil man sie bei den Menschen von heute nur selten findet. Weil er wußte, was er Lorenzo schuldig war, stellte er seine eigenen Bedürfnisse zugunsten der Wünsche seines Meisters hintenan und war ihm bis zum Ende seines Lebens wie ein Bruder und Sohn.

      Jener malte, weil sein disegno dem des Costa überlegen war,4 unterhalb der Tafel, die dieser in San Petronio für die Kapelle des Heiligen Vinzenz geschaffen hat, einige kleinfigurige Szenen in Tempera so trefflich und mit einem so schönen und guten Stil, daß man kaum etwas Besseres zu sehen noch sich die Mühe und Sorgfalt auszudenken vermag, die Ercole dafür aufwenden mußte, zumal die Predella ein sehr viel gelungeneres Werk als die Tafel selbst ist, die beide zur selben Zeit geschaffen wurden, als Costa noch am Leben war.5 Nach dessen Tod wurde Ercole von Domenico Garganelli6 angewiesen, die Kapelle in San Petronio fertigzustellen,7 die Lorenzo, wie oben gesagt, begonnen und zu einem geringen Teil ausgeführt hatte.8 Ercole (dem besagter Domenico vier Dukaten im Monat zahlte, zudem für seine und die Auslagen eines Gesellen aufkam wie auch alle Farben stellte, die für das Werk benötigt wurden) machte sich also an die Arbeit und vollendete jenes Werk auf eine Weise, daß er seinen Meister sowohl in disegno und Kolorit als auch in der Erfindung um Längen übertraf.9 Im ersten Teil, sprich auf der Stirnwand, befindet sich die mit großem Urteil ausgeführte Kreuzigung Christi, weil neben dem Christus, der dort bereits tot zu sehen ist, auch trefflich der Tumult der Juden eingefangen wird, die gekommen sind, um den Messias am Kreuz zu sehen, und deren Köpfe wunderbar verschieden gestaltet sind.10 Hier sieht man, wie Ercole mit größtem Eifer darum bemüht war, sie ganz unterschiedlich zu gestalten, damit nicht einer dem anderen auch nur im geringsten ähnlich sehen würde. Es gibt dort auch ein paar Figuren, die vor Schmerz in Tränen ausbrechen und ganz deutlich zeigen, wie sehr er danach strebte, die Wirklichkeit nachzuahmen.11 Es ist dort die Ohnmacht der Madonna zu sehen, was sehr anrührend ist, noch viel mehr aber die ihr zugewandten Marien, die man alle mitleiden sieht, ihre Mienen von einem Schmerz erfüllt, den man sich gerade eben vorzustellen vermag, [wenn man daran denkt, wie es sein muss,] dem Tod des Allerliebsten, das man hat, ins Auge zu sehen und nun auch noch im Begriff ist, das Zweitliebste zu verlieren.12 Unter all den bemerkenswerten Dingen ist dort auch ein Longinus zu Pferd, ein dürres, verkürzt gemaltes Tier, das ungeheuer plastisch wirkt. Und in ihm [Longinus] erkennt man die Gottlosigkeit, die ihn dabei geleitet hat, Christus die Seitenwunde zuzufügen, und die Reue und Bekehrung, als ihm die Erleuchtung zuteil wird. Ebenfalls in ungewöhnlicher Haltung hat er einige Soldaten dargestellt, die mit groteskem Minenspiel und sonderbar bekleidet um Christi Kleider würfeln. Ebenfalls gut gemacht und schön in den Erfindungen sind die Schächer am Kreuz. Und weil Ercole mit großem Vergnügen Verkürzungen malte, die wunderschön sind, wenn man sich gut auf sie versteht, schuf er in jenem Werk einen Soldaten zu Pferd, das seine Vorderläufe hochwirft und scheinbar wie in einem Relief nach vorne tritt; und weil der Wind die Fahne, die er in der Hand hält, verbiegt, muß er, was wunderschön ist, alle Kraft aufwenden, um sie zu halten.13 Auch schuf er einen Heiligen Johannes, der in ein Laken gewickelt flieht. Die Soldaten in diesem Werk sind ebenfalls vorzüglich ausgeführt, mit natürlicheren und passenderen Bewegungen, als man sie bis zu dieser Zeit an anderen Figuren gesehen hat. Alle diese Haltungen und Kraftanstrengungen, die man fast nicht besser wiedergeben kann, zeigen, daß Ercole eine außerordentliche Intelligenz besaß und für die Kunst alle Mühen auf sich nahm.14 Derselbe stellte auf der gegenüberliegenden Wand das Sterben der Madonna dar, die von den Aposteln in sehr schönen Haltungen umringt wird, unter ihnen sechs Personen, die so naturgetreu porträtiert sind, daß jene, die sie kannten, bezeugen, wie überaus lebensecht sie gelungen sind.15 Im selben Werk porträtierte er auch sich selbst und Domenico Garganelli, den Eigentümer der Kapelle, der ihm aufgrund der Zuneigung, die er für Ercole empfand, und wegen der Lobenshymnen, die er über jenes Werk zu hören bekam, als sie vollendet war, tausend Lire in Bolognini-Münzen schenkte.16

      Sie sagen, Ercole habe zwölf Jahre Arbeit in dieses Werk gesteckt, sieben für die Ausführung in Fresko und fünf für das Überarbeiten auf dem trockenen Putz.17 Tatsächlich hat er in diesem Zeitraum sicher auch einige andere Werke ausgeführt, insbesondere, wie man weiß, die Predella am Hauptaltar von San Giovanni in Monte, in der er drei Szenen mit der Passion Christi darstellte.18 Ercole besaß einen verschrobenen Charakter und hatte vor allem beim Arbeiten die Angewohnheit, sich weder von Malern noch sonst irgendwem zusehen zu lassen, weshalb er in Bologna bei den Malern der Stadt verhaßt war, die aus Neid Groll gegen alle Fremden hegten, die man zum Arbeiten dorthin geholt hatte. Dasselbe Verhalten zeigen sie aus Konkurrenz allerdings auch untereinander, zumal dies sozusagen ein spezielles Laster der Ausübenden dieser unserer Künste an jedem Ort ist.19 Jedenfalls stimmten sich einige der Bologneser Maler mit einem Tischler ab und ließen sich von ihm in der Kirche nahe der Kapelle, in der Ercole arbeitete, einschließen. In der folgenden Nacht brachen sie mit Gewalt in sie ein, gaben sich aber nicht damit zufrieden, das Werk zu betrachten, was ihnen hätte genügen sollen, sondern stahlen ihm auch noch alle Kartons, die Skizzen, Zeichnungen und auch sonst alles andere, was es an Brauchbarem dort zu holen gab. Darüber empörte Ercole sich dermaßen, daß er, kaum war er mit dem Werk fertig, aus Bologna aufbrach, ohne auch noch einen Augenblick länger dort zu verweilen. Mit sich nahm er Duca Tagliapietra,20 einen sehr namhaften Bildhauer, der dort, wo Ercole sein Werk malte, das wunderschöne Blattwerk an der Brüstung vor dieser Kapelle in Marmor skulptiert hat und dann in Ferrara all die Steinfenster am Herzogspalast schuf, die sehr schön sind. Und weil Ercole es schließlich leid war, von Zuhause weg zu sein, blieb er fortan zusammen mit ihm immer in Ferrara und führte in jener Stadt viele Werke aus.

      Ercole liebte den Wein über alle Maßen; sehr oft betrank er sich und verkürzte damit sein Leben, da er, der bis ins Alter von vierzig Jahren ohne irgendein Leiden gelebt hatte, eines Tages ganz plötzlich einen Schlaganfall bekam, an dem er innerhalb kurzer Zeit starb.21 Er hinterließ seinen Schüler, den Maler Guido Bolognese,22 der – was man an der Stelle sieht, an die er seinen Namen setzte – im Jahr 1491 unter dem Portikus von San Piero in Bologna eine Kreuzigungsszene mit den Marien, den Schächern, dazu Pferde und weitere angemessen gelungene Figuren schuf.23 Von dem Wunsch beseelt, in jener Stadt genauso angesehen zu werden, wie es sein Meister gewesen war, lernte er so viel und unterwarf sich solchen Strapazen, daß er mit fünfunddreißig Jahren starb. Hätte Guido seine Lehre noch im Kindesalter

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