Gesammelte Werke (Über 150 Titel in einem Band). Rosa Luxemburg
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Diese Umwälzung in der amerikanischen Landwirtschart seit dem "großen Kriege" war aber nicht das Ende, sondern der Anfang des Strudels, in den der Farmer hineingeraten war. Seine Geschichte leitet von selbst zur zweiten Phase der Entwicklung der kapitalistischen Akkumulation über, die sie gleichfalls trefflich illustriert. Der Kapitalismus bekämpft und verdrängt überall die Naturalwirtschaft, die Produktion für den Selbstbedarf, die Kombinierung der Landwirtschaft mit dem Handwerk, um an ihre Stelle die einfache Warenwirtschaft zu setzen. Er braucht die Warenwirtschaft als Absatz für den eigenen Mehrwert. Die Warenproduktion ist die allgemeine Form, in der der Kapitalismus erst gedeihen kann. Hat sich aber auf den Ruinen der Naturalwirtschaft bereits die einfache Warenproduktion ausgebreitet, dann beginnt alsbald der Kampf des Kapitals gegen diese. Mit der Warenwirtschaft tritt der Kapitalismus in ein Konkurrenzverhältnis; nachdem er sie ins Leben gerufen. macht er ihr die Produktionsmittel streitig, die Arbeitskräfte und den Absatz. Zuerst war der Zweck die Isolierung des Produzenten, seine Trennung von der schützenden Gebundenheit des Gemeinwesens, dann die Trennung der Landwirtschaft vom Handwerk, jetzt ist die Trennung des kleinen Warenproduzenten von seinen Produktionsmitteln die Aufgabe.
Wir haben gesehen, daß der "große Krieg" in der amerikanischen Union eine Ära der grandiosen Plünderung der nationalen Ländereien durch monopolistische Kapitalgesellschaften und einzelne Spekulanten eröffnet hatte. Im Anschluß an den riesenhaften Eisenbahnbau und noch mehr die Eisenbahnspekulation entstand eine tolle Bodenspekulation, bei der riesige Vermögen, ganze Herzogtümer, zur Beute von einzelnen Glücksrittern und Kompanien wurden. Von hier aus wurde durch einen Heuschreckenschwarm von Agenten, durch alle Mittel einer marktschreierischen skrupellosen Reklame, durch allerlei Vortäuschungen und Vorspiegelungen der gewaltige Strom der Immigration aus Europa nach den Vereinigten Staaten geleitet. Dieser Strom setzte sich zunächst in den östlichen Staaten an der atlantischen Küste ab. Je mehr aber hier die Industrie wuchs, um so mehr verschob sich die Landwirtschaft nach dem Westen. Das "Weizenzentrum", das sich 1850 bei Columbus in Ohio befand, wanderte in den folgenden 50 Jahren weiter und verschob sich um 99 Meilen nach Norden und 680 Meilen nach Westen. 1850 lieferten die atlantischen Staaten 51,4 Prozent der gesamten Weizenernte, im Jahre 1880 nur noch 13.6 Prozent, während die nordzentralen Staaten 1880 71,7 Prozent, die westlichen 9,4 Prozent lieferten.
1825 hatte der Kongreß der Union unter Monroe beschlossen, die Indianer vom Osten des Mississippi nach dem Westen zu verpflanzen. Die Rothäute wehrten sich verzweifelt, wurden aber - wenigstens der Rest, der von den Gemetzeln der 40 Indianerkriegen noch verschont geblieben war - wie lästiger Plunder weggeräumt, wie Büffelherden nach dem Westen getrieben, um hier wie das Wild im Gatter der "Reservationen" eingepfercht zu werden. Der Indianer mußte dem Farmer weichen; jetzt kam die Reihe an den Farmer, der dem Kapital weichen mußte und selbst jenseits des Mississippi geschoben wurde.
Den Eisenbahnen nach zog der amerikanische Farmer nach dem Westen und Nordwesten in das gelobte Land, das ihm die Agenten der großen Bodenspekulanten vorgaukelten. Aber die fruchtbarsten, bestgelegenen Ländereien wurden von den Gesellschaften zu großen rein kapitalistisch betriebenen Wirtschaften verwendet. Neben dem in die Wildnis geschleppten Farmer erstand als seine gefährliche Konkurrentin und Todfeindin die "Bonanzafarm", der großkapitalistische Landwirtschaftsbetrieb, wie er bis dahin in der Alten und Neuen Welt unbekannt war. Hier wurde die Mehrwertproduktion mit allen Hilfsmitteln der modernen Wissenschaft und Technik betrieben. "Olivier Dairymple, dessen Name heute auf beiden Seiten des Atlantischen Ozeans bekannt ist", schrieb Lafargue 1885, "kann als der beste Repräsentant der Finanzlandwirtschaft betrachtet werden. Seit 1874 leitet er gleichzeitig eine Dampferlinie auf dem Roten Flusse und sechs Farmen, die einer Gesellschaft von Finanzleuten gehören, mit einem Gesamtumfang von 30.000 Hektar. Er teilte dieselben in Abteilungen von je 800 Hektar, deren jede wieder in drei Unterabteilungen von je 267 Hektar zerfiel. Diese stehen unter Werkführern und Unterwerkführern. Auf jeder Sektion sind Baracken errichtet, in denen sich Unterkunft für fünfzig Menschen und Ställe für ebensoviel Pferde und Maultiere befinden, sowie Küchen, Magazine für Lebensmittel für Menschen und Vieh, Schuppen zum Unterbringen der Maschinen, endlich Schmiede- und Schlosserwerkstätten. Jede Sektion hat ihr vollständiges Inventar: 20 Paar Pferde, 8 Doppelpflüge, 12 Sämaschinen, die vom Pferde aus dirigiert werden, 12 Eggen mit Stahlzähnen, 12 Schneide- und Garbenbindemaschinen, 2 Dreschmaschinen und 16 Wagen; alle Maßregeln sind getroffen, daß Maschinen und Arbeitstiere (Menschen, Pferde, Maultiere) in gutem Zustand und fähig sind, die größtmögliche Summe von Arbeit zu leisten. Alle Sektionen stehen untereinander und mit der Zentralleitung in telephonischer Verbindung.
Die sechs Farmen von 30.000 Hektar werden von einer Armee von 600 Arbeitern bestellt, welche militärisch organisiert sind; zur Zeit der Ernte wirbt die Zentralleitung noch 500 bis 600 Hilfsarbeiter an, welche sie unter die Sektionen verteilt. Sind die Arbeiten im Herbst beendigt, dann werden die Arbeiter entlassen, mit Ausnahme der Werkführer und von zehn Mann per Sektion. Auf manchen Farmen Dakotas und Minnesotas überwintern die Pferde und Maultiere nicht am Arbeitsorte. Sobald die Stoppeln umgepflügt sind, treibt man sie in Herden von 100 bis 200 Paaren 1.000 bis 1.500 Kilometer weit nach dem Süden, von wo sie erst im Frühjahr wieder zurückkehren.
Mechaniker zu Pferde folgen den Pflüge-, Sä- und Erntemaschinen bei der Arbeit; sobald etwas in Unordnung gerät, galoppieren sie zur betreffenden Maschine, um sie unverzüglich zu reparieren und wieder in Gang zu bringen. Das geerntete Getreide wird zu den Dreschmaschinen geschafft, die Tag und Nacht ununterbrochen arbeiten; diese werden mit Strohbündeln geheizt, welche durch Röhren von Eisenblech in den Feuerherd geschoben werden. Das Korn wird durch Maschinen gedroschen, geworfelt, gewogen und in Säcke gefüllt, worauf man es zur Bahn bringt, die an der Farm entlang führt; von da geht es nach Duluth oder Buffalo. Jedes Jahr vermehrt Dalrymple sein Saatland um 2.000 Hektar. 1880 betrug es 10.000 Hektar."229 Es gab schon Ende der 70er Jahre einzelne Kapitalisten und Gesellschaften, die Gebiete von 14.000 bis 18.000 Hektar unter Weizen