Gesammelte Werke (Über 150 Titel in einem Band). Rosa Luxemburg
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Das Opium ist daher für alle, die es rauchen, ein notwendiges Bedürfnis geworden, und man darf sich gar nicht wundern, daß sie, wenn sie von der Ortsbehörde zur Verantwortung gezogen werden, weit lieber jede Züchtigung ertragen als den Namen desjenigen offenbaren, der ihnen das Opium liefert. Zuweilen erhalten die Ortsbehörden auch Geschenke, um dieses Übel zu dulden oder um eine eingeleitete Untersuchung aufzuhalten. Die meisten Kaufleute, die Handelsartikel nach Kanton bringen, verkaufen auch Opium als Schmuggelware.
Ich bin der Ansicht, daß Opium ein weit größeres Übel ist als das Spiel und daß man daher den Opiumrauchern keine geringere Strafe auferlegen sollte als den Spielern."
Der Zensor schlug vor, daß jeder überführte Opiumraucher zu 80 Bambushieben, einer, der den Verkäufer nicht angeben wolle, zu 100 Hieben und dreijähriger Verbannung verurteilt werden sollte. Und mit einer für europäische Behörden unerhörten Offenherzigkeit schloß der bezopfte Cato von Peking sein Gutachten: "Es scheint, daß das Opium zumeist durch unwürdige Beamte von außerhalb eingeführt wird, die im Einverständnis mit gewinnsüchtigen Kaufleuten es ins Innere des Landes befördern, wo zuerst junge Leute aus guter Familie, reiche Private und Kaufleute sich dem Genuß zuwenden, der sich endlich auch bei dem gemeinen Manne verbreitet. Ich habe in Erfahrung gebracht. daß sich in allen Provinzen nicht allein unter den Zivilbeamten, sondern auch in der Armee Opiumraucher befinden. Während die Beamten der verschiedenen Bezirke durch Edikte das gesetzliche Verbot des Verkaufs des Opium von neuem einschärfen, rauchen ihre Eltern, Verwandten, Untergebenen und Diener nach wie vor, und die Kaufleute benutzen das Verbot, den Preis zu steigern. Selbst die Polizei, die ebenfalls dafür eingenommen ist, kauft diesen Artikel, statt zu seiner Unterdrückung beizutragen. und dies ist auch der Grund, weshalb alle Verbote und Verfügungen unberücksichtigt bleiben."215 Daraufhin wurde 1833 ein verschärftes Gesetz erlassen, das für jeden Opiumraucher hundert Hiebe und zweimonatige Ausstellung am Pranger festsetzte. Die Gouverneure der Provinzen wurden verpflichtet, in ihren Jahresberichten die Erfolge des Kampfes mit dem Opium zu berücksichtigen. Der doppelte Erfolg dieses Kampfes lief freilich darauf hinaus, daß einerseits im Innern Chinas. namentlich in den Provinzen Honan, Setschuan und Kweitschou, Mohnkulturen im großen Maßstab angelegt wurden und daß andererseits England China den Krieg erklärte, um es zur Freigabe der Einfuhr zu zwingen. Nun begann die glorreiche "Erschließung" Chinas für die europäische Kultur in Gestalt der Opiumpfeife.
Der erste Angriff erfolgte auf Kanton. Die Befestigung der Stadt am Haupteingang des Perlflusses war denkbar primitiv. Ihr Hauptstück bestand in einer Sperre von eisernen Ketten, die täglich bei Sonnenuntergang in verschiedenen Abständen an verankerten Holzflößen befestigt wurden. Man muß noch berücksichtigen, daß die chinesischen Geschütze ohne jedwede Vorrichtung zum Höher- und Niedrigerstellen, also beim Gebrauch ganz harmlos waren. Mit dieser primitiven Befestigung, die gerade imstande war, ein paar Handelsschiffe an der Einfahrt zu verhindern, begegneten die Chinesen dem englischen Angriff. Zwei englische Kriegsschiffe genügten denn auch, um am 7. September 1839 die Durchfahrt zu erzwingen. Die sechzehn Kriegsdschunken und dreizehn Brander, mit denen die Chinesen sich widersetzten, wurden in dreiviertel Stunden zusammengeschossen und zerstreut. Nach diesem ersten Siege verstärkten die Engländer ihre Kriegsflotte bedeutend und gingen zu Beginn 1841 zum erneuten Angriff über. Diesmal erfolgte der Angriff gleichzeitig gegen die Flotte und gegen die Forts. Die chinesische Flotte bestand in einer Anzahl Kriegsdschunken. Schon die erste Brandrakete drang durch die Planken in die Pulverkammer einer Dschunke, so daß diese mit der ganzen Mannschaft in die Luft flog. Nach kurzer Zeit waren elf Dschunken einschließlich des Admiralschiffes zerstört, der Rest suchte in wilder Flucht sein Heil. Die Aktion zu Lande nahm einige Stunden mehr in Anspruch. Bei der gänzlichen Untauglichkeit der chinesischen Geschütze schritten die Engländer mitten durch die Befestigungen, erklommen einen wichtigen Punkt. der ganz unbesetzt geblieben war, und metzelten die wehrlosen Chinesen von oben nieder. Die Schlußrechnung der Schlacht war: auf chinesischer Seite 600 Tote, auf englischer - 1 Toter und 30 Verwundete, wovon mehr als die Hälfte durch das zufällige Auffliegen eines Pulvermagazins Schaden erlitt. Einige Wochen später lieferten die Engländer ein neues Heldenstück. Es galt, die Forts von Anunghoi und Nord-Wantong zu nehmen. Hierzu standen auf englischer Seite nicht weniger als 12 Linienschiffe in voller Ausrüstung zur Verfügung. Außerdem hatten die Chinesen wieder die Hauptsache vergessen, nämlich die Insel Süd-Wantong zu befestigen. Die Engländer landeten also dort in aller Seelenruhe eine Haubitzenbatterie und beschossen das Fort von einer Seite, während die Kriegsschiffe es von der anderen unter Feuer nahmen. Wenige Minuten genügten, um die Chinesen aus den Forts zu verjagen und die Landung ohne Widerstand zu bewerkstelligen. Die unmenschliche Szene, welche nun folgte - so sagt ein englischer Bericht -, wird stets ein Gegenstand tiefen Bedauerns für die englischen Offiziere bleiben. Die Chinesen waren nämlich, als sie aus den Verschanzungen fliehen wollten, in die Gräben gefallen, so daß diese mit hilflosen, um Gnade flehenden Soldaten buchstäblich angefüllt waren. Auf diese liegende Masse menschlicher Leiber wurde nun von den Sepoys - angeblich entgegen dem Befehl der Offiziere - unablässig gefeuert. So wurde Kanton dem Warenhandel erschlossen.
Ebenso erging es den anderen Häfen. Am 4. Juli 1841 erschienen drei englische Kriegsschiffe mit 120 Kanonen bei den Inseln am Eingang zur Stadt Ningpo. Andere Kriegsschiffe trafen am folgenden Tage ein. Am Abend sandte der englische Admiral eine Botschaft an den chinesischen Gouverneur mit der Forderung, die Inseln zu übergeben. Der Gouverneur erklärte, daß es ihm zum Widerstande an Macht fehle, daß er jedoch ohne Befehle aus Peking die Übergabe nicht vornehmen dürfe und daher um Aufschub bäte. Dieser wurde ihm nicht gewährt, und um 21/2 Uhr morgens begannen die Engländer den Sturm auf die wehrlose Insel. In neun Minuten waren Fort und Häuser am Strand ein rauchender Schutthaufen. Die Truppen landeten an der verlassenen Küste, die mit zerbrochenen Spießen, Säbeln, Schilden, Flinten und einigen Toten bedeckt war, und zogen vor die Wälle der Inselstadt Ting-hai, um sie einzunehmen. Durch die Mannschaften der inzwischen eingetroffenen weiteren Schiffe verstärkt, legten sie am nächsten Morgen Sturmleitern gegen die kaum verteidigten Mauern und waren nach wenigen Minuten Herren der Stadt. Dieser glorreiche Sieg wurde von den Engländern mit folgender bescheidener Meldung verkündet: "Den Morgen des 5. Juli 1841 hatte das Geschick als denkwürdigen Tag bezeichnet, an dem zuerst die Fahne Ihrer Majestät von England über der schönsten Insel des himmlischen Reiches der Mitte weben sollte, das erste europäische Banner, welches siegreich über diesen blühenden Fluren stand."216 Am 25. August 1841 erschienen die Engländer vor der Stadt Amoy, deren Forts mit mehreren hundert Kanonen größten chinesischen Kalibers armiert waren. Bei der fast gänzlichen Untauglichkeit dieser Geschütze sowie der Unbeholfenheit der Kommandierenden war die Einnahme des Hafens wieder ein Kinderspiel. Die englischen Schiffe näherten sich unter fortgesetztem Feuern den Wällen von Kulangsu, dann landeten die Seesoldaten und vertrieben nach kurzem Widerstand die chinesischen Truppen. Die Engländer erbeuteten dabei im Hafen 26 Kriegsdschunken mit 128 Geschützen, die von der Mannschaft verlassen waren. Bei einer Batterie leisteten die Tataren dem vereinigten Feuer von fünf englischen Schiffen heldenhaften Widerstand, die gelandeten Engländer fielen ihnen aber in den Rücken und richteten unter ihnen ein vernichtendes Blutbad an.
So endete der glorreiche Opiumkrieg. Im Friedensschluß vom 27. August 1842 bekamen die Engländer die Insel Hongkong, ferner mußten Kanton, Amoy, Fu-Tschou, Ningpo und Schanghai dem Handel erschlossen werden. Fünfzehn Jahre später erfolgte der zweite Krieg gegen China, wobei diesmal die Engländer gemeinsam mit Franzosen vorgingen, 1857 wurde Kanton durch die verbündete Flotte ebenso heldenhaft wie im ersten Kriege erstürmt. Im Frieden von Tientsin 1858 wurde der Opiumeinfuhr, dem europäischen Handel und den Missionen Zutritt ins Innere des Landes gewährt.