Gesammelte Werke (Über 150 Titel in einem Band). Rosa Luxemburg
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Doch das Fiasko des Gewaltstreiches ließ nicht lange auf sich warten. Die Politik der Dritten Republik scheiterte an der Schwierigkeit, das bürgerliche Privateigentum in uralten kommunistischen Großfamilienverbänden mit einem Schlage einzuführen, genauso, wie die Politik des Zweiten Kaiserreichs daran gescheitert war. Das Gesetz vom 26. Juli 1873, das durch ein zweites Gesetz vom 28. April 1887 ergänzt wurde, ergab nach 17jähriger Wirkung das folgende Resultat: Bis 1890 waren 14 Millionen Franc für ein Bereinigungsverfahren von 1,6 Millionen Hektar ausgegeben. Man berechnete, daß die Fortsetzung des Verfahrens bis 1950 hätte dauern und weitere 60 Millionen Franc kosten müssen. Das Ziel jedoch, den Großfamilienkommunismus zu beseitigen, war dabei immer noch nicht erreicht. Das einzige, was wirklich und unzweifelhaft bei alledem erreicht wurde, war eine tolle Bodenspekulation, ein üppig gedeihender Wucher und der wirtschaftliche Ruin der Eingeborenen.
Das Fiasko der gewaltsamen Einführung des Privateigentums führte darauf zu einem neuen Experiment. Obwohl das algerische Generalgouvernement schon 1890 eine Kommission eingesetzt hatte, die die Gesetze von 1873 und 188 nachgeprüft und verurteilt hat, dauerte es noch 7 Jahre, bis die Herren Gesetzgeber an der Seine sich zu einer Reform im Interesse des ruinierten Landes aufrafften. Bei der neuen Schwenkung hat man von der zwangsweisen Einführung des Privateigentums von Staats wegen im Prinzip abgesehen. Das Gesetz vom 27. Februar 1897 sowie die Instruktion des algerischen Generalgouverneurs vom 7. März 1898 sehen hauptsächlich die Einführung des Privateigentums auf freiwilligen Antrag der Eigentümer oder der Erwerber vor.212 Da jedoch bestimmte Klauseln auch die Einführung des Privateigentums auf Antrag eines Eigentümers ohne Zustimmung der übrigen Miteigentümer des Grund und Bodens für zulässig erklären und da ferner ein "freiwilliger" Antrag der verschuldeten Besitzer unter dem Drucke des Wucherers jeden Augenblick nach Wunsch herbeigeführt werden kann, so öffnet auch das neue Gesetz der weiteren Zernagung und Ausplünderung der Stammesländereien und der Großfamilienbesitzungen durch französische und eingeborene Kapitalisten Tür und Tor.
Die achtzigjährige Vivisektion an Algerien findet namentlich in der letzten Zeit um so schwächeren Widerstand, als die Araber durch die Unterwerfung einerseits Tunesiens 1881, anderseits neuerdings Marokkos von dem französischen Kapital immer mehr eingekreist und ihm rettungslos preisgegeben werden. Das jüngste Ergebnis des französischen Regimes in Algerien ist die Massenauswanderung der Araber nach der asiatischen Türkei. 213
Achtundzwanzigstes Kapitel.
Die Einführung der Warenwirtschaft
Die zweite wichtigste Vorbedingung, sowohl zur Erwerbung von Produktionsmitteln wie zur Realisierung des Mehrwerts, ist die Hineinbeziehung der naturalwirtschaftlichen Verbände, nachdem und indem sie zerstört werden, in den Warenverkehr und in die Warenwirtschaft. Alle nichtkapitalistischen Schichten und Gesellschaften müssen für das Kapital zu Warenabnehmern werden und müssen ihm ihre Produkte verkaufen. Es scheint, daß hier wenigstens der "Friede" und die "Gleichheit" beginnen, das do ut des, die Gegenseitigkeit der Interessen, der "friedliche Wettbewerb" und die "Kultureinflüsse". Kann das Kapital mit Gewalt fremden sozialen Verbänden Produktionsmittel entreißen und die Arbeitenden mit Gewalt zwingen, Objekte der kapitalistischen Ausbeutung zu werden, so kann es sie doch nicht mit Gewalt zu Abnehmern seiner Waren machen, es kann sie nicht zwingen, seinen Mehrwert zu realisieren. Was diese Annahme zu. bestätigen scheint, ist der Umstand, daß Transportmittel - Eisenbahnen, Schiffahrt, Kanäle - die unumgängliche Vorbedingung der Verbreitung der Warenwirtschaft in naturalwirtschaftlichen Gebieten darstellen. Der Eroberungszug der Warenwirtschaft beginnt meist mit großartigen Kulturwerken modernen Verkehrs, wie Eisenbahnlinien, die Urwälder durchschneiden und Gebirge durchstechen, Telegraphendrähte, die Wüsten überspannen, Ozeandampfer, die in weltfremde Häfen einlaufen. Doch ist die Friedlichkeit dieser Umwälzungen bloßer Schein. Die Handelsbeziehungen der ostindischen Kompanien mit den Gewürzländern waren so gut Raub, Erpressung und grober Schwindel unter der Flagge des Handels wie heute die Beziehungen der amerikanischen Kapitalisten zu den Indianern in Kanada, denen sie Pelze abkaufen, oder der deutschen Händler zu den Afrikanegern. Das klassische Beispiel des "sanften" und "friedliebenden" Warenhandels mit rückständigen Gesellschaften ist die moderne Geschichte Chinas, durch die sich wie ein roter Faden seit Beginn der vierziger Jahre, das ganze 19. Jahrhundert hindurch die Kriege der Europäer ziehen, deren Zweck war, China gewaltsam dem Warenverkehr zu erschließen. Durch Missionare provozierte Christenverfolgungen, von Europäern angezettelte Tumulte, periodische blutige Kriegsgemetzel, in denen sich die völlige Hilflosigkeit eines friedlichen Ackerbauervolkes mit der modernsten kapitalistischen Kriegstechnik der vereinigten europäischen Großmächte messen sollte, schwere Kriegskontributionen mit dem ganzen System von öffentlicher Schuld, europäischen Anleihen, europäischer Kontrolle der Finanzen und europäischer Besetzung der Festungen im Gefolge, erzwungene Eröffnung von Freihäfen und erpreßte Konzessionen zu Eisenbahnbauten an europäische Kapitalisten - das waren die Geburtshelfer des Warenhandels in China von Anfang der vierziger Jahre des vorigen Jahrhunderts bis zum Ausbruch der chinesischen Revolution.
Die Periode der Erschließung Chinas für die europäische Kultur, d.h. für den Warenaustausch mit dem europäischen Kapital, wird durch den Opiumkrieg inauguriert, in dem China gezwungen wird, das Gift aus den indischen Plantagen abzunehmen, um es für die englischen Kapitalisten zu Geld zu machen. Im 17. Jahrhundert war die Kultur des Opiums durch die englische Ostindische Kompanie in Bengalen eingeführt und durch ihre Zweigniederlassung in Kanton der Gebrauch des Gifts in China verbreitet. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts fiel das Opium so stark im Preise, daß es rapid zum "Volksgenußmittel" wurde. Noch im Jahre 1821 betrug die Einfuhr des Opium nach China 4.628 Kisten zum Preise von durchschnittlich 1.325 Dollar, dann fiel der Preis auf die Hälfte, und 1825 stieg die chinesische Einfuhr auf 9.62l Kisten, 1830 auf 26.670 Kisten.214 Die verheerenden Wirkungen des Gifts, namentlich der billigsten von der armen Bevölkerung gebrauchten Sorten, gestalteten sich zur öffentlichen Kalamität und riefen als Notwehr seitens Chinas ein Verbot der Einfuhr hervor. Bereits 1828 hatte der Vizekönig von Kanton den Import von Opium verboten, was aber den Handel nur in andere Hafenstädte lenkte. Einer der Pekinger Zensoren wurde