Der Bergpfarrer Staffel 20 – Heimatroman. Toni Waidacher

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Der Bergpfarrer Staffel 20 – Heimatroman - Toni Waidacher Der Bergpfarrer

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eine ganze Zeitlang am Tisch und dachte nach. Das, was der Bergpfarrer gesagt hatte, leuchtete ihm ein. Doch was er tun sollte, wuss­te er dennoch nicht.

      *

      Klaus fühlte sich etwas unbehaglich. Er war schon länger nicht auf dem Friedhof am Grab der Mutter gewesen. Aber heute zog es ihn wie magisch hin. Den ganzen Tag hatte er auf dem Feld gearbeitet und dabei versucht, seine Gedanken in die richtigen Bahnen zu lenken, doch es war ihm nicht geglückt.

      Sein Verstand sagte ihm, dass er keinen Grund hatte zu rebellieren. Gleichzeitig jedoch nagte etwas an seinem Herzen, für das er keinen Namen hatte. Er nannte es Misstrauen, Vorsicht, aber in seinem Innern wusste er, dass es gerade das nicht war.

      Es war ein heißer Tag gewesen, und auch jetzt, am Abend, stand die Luft unbeweglich, kein Windhauch erleichterte das Atmen und bewegte die staubigen Blätter der alten Eiche. Sogar die Vögel waren heute schon früh verstummt, obwohl es noch heller Tag war. Lediglich die Sonne stand schon tief über den Bergen, bereit, jeden Augenblick hinter ihnen zu versinken.

      Um diese Tageszeit befand sich kein Besucher mehr auf dem Friedhof von St. Johann. Ungestört konnte Klaus bis zur Mauer gelangen, wo das Grab der Mutter neben einem Schlehenbusch lag. Obwohl er damals noch klein gewesen war, konnte er sich gut an ihre Beerdigung erinnern, bei der mehr als das halbe Dorf anwesend war.

      Trauer erfüllte sein Herz, als er ihren Namen in dem fast schwarzen Grabstein las. Anneliese Anstätter. Gerade mal sechsunddreißig war sie geworden, dann hatte diese entsetzliche Krankheit sie innerhalb eines halben Jahres gnadenlos dahingerafft.

      Traurige Gedanken gingen Klaus durch den Kopf, während er den Topf mit der dunkelrot blühenden Geranie inmitten des kleinen Beetes abstellte, die blecherne Kanne holte, sie mit Wasser aus dem Brunnen füllte und die schon etwas verwelkten Pflanzen begoß.

      Nachdenklich stand er danach am Grab und versuchte, sich an das Gesicht der Mutter zu erinnern. Aber es war verschwunden, einfach aus dem Gedächtnis gelöscht. Das machte ihn so verzweifelt, dass ihm unvermittelt Tränen über die Wangen liefen.

      »Was ist mit dir, Klaus?« Sebas­tian Trenker war unbemerkt neben ihn getreten. Er sah die Tränen und spürte, dass er mit dem jungen Mann reden musste. »Magst mir deinen Kummer anvertrauen?«

      Klaus zuckte die Schultern. Has­tig wischte er sich das Gesicht ab. »Ich weiß selber net, was in mich gefahren ist. Vermutlich ist das meistens so, dass man nach einigen Jahren vergisst, wie ein Mensch ausgeschaut hat, wenn er net mehr präsent ist.«

      »Du hast vergessen, wie deine Mutter ausgeschaut hat. Und das macht dich so unglücklich? Schau, das ist wirklich ein ganz normaler Ablauf. Die Seele versucht, trotz eines großen Verlusts weiterzuleben. Würde die Trauer im Herzen net mit der Zeit weniger, dann könnte der Mensch nie wieder die Sonne anschauen ohne diesen Schmerz im Herzen. Das ist aber net der Sinn des Lebens.« Noch immer lag die Hand des Pfarrers auf dem Arm des jungen Mannes.

      Klaus dachte eine Weile nach, dann nickte er. »Da könnten S’ schon recht haben, Hochwürden«, sagte er zu dem älteren Mann. »Aber im Moment hätte ich meine Mutter so nötig wie schon lang net. Seit die beiden Frauen auf unserem Hof eingezogen sind, ist nix mehr, wie es war. Ich hab’ schon überlegt, ob ich das Feld räumen soll.«

      »Wie meinst das?«

      »Ich könnte mir in München oder in einer anderen Großstadt eine Arbeit suchen«, antwortete Klaus betont gleichgültig. »Dann hätten die beiden freie Bahn und könnten meinen Vater ausnehmen, solange er noch was hat.« Bitterkeit lag in seiner Stimme.

      »Wie redest denn über deine künftige Familie?« Der Bergpfarrer spürte, dass jetzt entschiedene Worte nötig waren. »Ich hab’ beide schon kennengelernt. Du schätzt sie falsch ein. Ganz bestimmt sind sie net des Geldes wegen auf eurem Hof. Gönn deinem Vater doch das Glück. Er hat es wahrlich verdient.«

      »Und was ist mit mir?«

      »Siehst, jetzt redest endlich aus dem Herzen. Es geht dir net ums Geld, es geht dir um die Liebe deines Vaters, die du net teilen kannst. Aber das musst doch auch gar net. Gib euch allen eine Chance, schau dir die Geschichte an und dann entscheide, wie es weitergehen soll.«

      »Sie haben keine Ahnung«, konterte der junge Mann. »Monika ist ja eine liebe Person, und eigentlich kann ich den Vater schon irgendwie verstehen. Nur kann ich net ertragen, dass er meine Mutter so schnell vergessen hat.«

      »Aber geh, er hat sie doch net vergessen! Nach über zehn Jahren verliert die Trauer um den Verlust eines geliebten Menschen seinen Schmerz. Es bleibt eine Wehmut, die nie endet. Dennoch heißt das net, dass man sein Leben auch beenden muss. Gönn ihm doch seine Familie. Wie lang wird’s dauern, dann hast du auch deine Familie, und dein Vater bleibt allein zurück.«

      »Das hat er auch gesagt.«

      »Und er hat recht. Glaub mir, Klaus, es ist net in Ordnung, wenn du dich gegen ihn stellst. Das hat er net verdient. Jeder Mensch braucht ein bissel Liebe, einen anderen, der zu ihm gehört und zu ihm hält.«

      »Na ja, das mit Carola zeigt ja wohl, dass das auch danebengehen kann«, wandte Klaus ein. Ein trauriger Blick streifte das Grab der Mutter. Doch zu seiner Überraschung merkte er, dass auch sein Schmerz mit einem Mal anders geworden war, sich während der Unterhaltung mit Sebastian Trenker verändert hatte.

      »Wer sucht, kann verlieren. Wer net sucht, hat schon verloren. Daran musst immer denken. Wie würde es dir gefallen, wenn sich dein Vater auf dem Hof verkriechen und immer nur um deine Mutter trauern würde? Was hättest du davon?«

      Klaus schwieg, offensichtlich dachte er noch immer nach. »Kann schon sein«, räumte er nach einer Weile ein. »Monika ist ja wirklich eine nette und dazu bildhübsche Person. Nur ihre Tochter…«

      »Was ist mit Martina? Sie ist ein Madl aus der Stadt, und trotzdem hat sie sich in den Wochen, die sie hier lebt, schon recht gut dreingefunden. Sie geht einkaufen, redet mit den Leuten, und man hat das Gefühl, als hätte sie schon immer in St. Johann gelebt.«

      »Merken S’, was ich meine?« Klaus war schon wieder voller Zorn. »Sie schmeichelt sich überall ein, alle mögen sie, und im Geheimen plant sie…«

      »Geh, was plant sie denn?« Sebastian lachte leise vor sich hin. »Welche Möglichkeiten hat sie denn, etwas zu planen? Glaubst denn wirklich, sie will dich aus deinem Heim ekeln?« Er schaute Klaus forschend ins Gesicht. »Verliebt hast dich in sie, und das willst für dich net akzeptieren.«

      »Ich und verliebt?« Klaus spürte, wie es ihm heiß ins Gesicht stieg vor Wut. Am liebsten hätte er den Mann vor sich in diesem Moment an den Schultern gepackt und einfach geschüttelt. »Ich glaub, das hier ist net der richtige Ort, um solche Dinge zu besprechen. Aber verliebt hab’ ich mich ganz gewiss net, net in eine aus der Stadt.«

      »Ist schon recht«, murmelte Sebastian vor sich hin und schüttelte mit einem kaum merklichen Lächeln den Kopf. »Du musst selbst drauf kommen, was Sache ist. Aber steigere dich net in solch einen Unsinn hinein, der dir das Leben nur unnötig schwer macht. Hör auf meinen Rat.«

      Klaus nickte geistesabwesend. »Schönen Abend auch noch«, murmelte er. Dann ging er mit raschen Schritten auf das Friedhofs­tor zu.

      In seinem Innern rebellierte es gegen die Vermutung des Bergpfarrers. Er sollte sich in Martina verliebt haben! Dass er nicht lachte. Einen größeren Unsinn hatte er schon lange nicht mehr gehört. Ausgerechnet in diese berechnende Großstadtpflanze. »Eher blü­hen im November

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