An neuen Orten. Rainer Bucher

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An neuen Orten - Rainer Bucher

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rein virtuelle kirchliche Räume oder „Zwischenräume“, wie es anderswo269 bei ihm heißt. Man wird also trotz der vom Herausgeber der Zeitschrift geschickt inszenierten Blattdramaturgie unterscheiden müssen, worum es Ebertz und worum es Werbick geht. Das „Verörtlichungs“- oder „Was wird aus der Gemeinde?“-Thema scheint eher das Forum, der Ort, der Spielraum, auf dem und mit dem andere Themen ausgetragen werden: soweit eine erste Beobachtung. Aber welche Themen? Wie und warum?

       2 Jürgen Werbicks Positionen

      Worum es Jürgen Werbick geht, das wird gleich zu Beginn seiner Ausführungen und ganz besonders in seiner Replik auf Ebertz deutlich. Es formuliert sich speziell in dem, was er fürchtet: Werbick fürchtet, dass unter der Decke einer Communio-Ekklesiologie – der Terminus kommt bei Ebertz allerdings genau besehen gar nicht vor – und mit Hilfe des Netzwerk-Gedankens, also auf der Basis der Auflösung der traditionellen Pfarrei- und Gemeindestrukturen270, „eine amtszentrierte (bzw. priesterzentrierte) Vollmachtsverteilung aufrecht“ erhalten wird, „die beim derzeitigen ‚Priestermangel‘ dazu führen muss, dass die Netze reißen und die Gemeindemitglieder wie die überlasteten Amtsträger sich allein gelassen fühlen“271, wie es in der Replik heißt. Werbick fürchtet also, wie es zu Beginn geheißen hatte, dass all die neuen gemeindetheologischen Überlegungen, jene von Ebertz, aber auch anderer, dazu dienen, „die Frage der Ämter und Aufgaben in der Kirche (zu) umschiffen“272.

      Werbicks Argumentation ist also primär amtstheologisch und kirchenpolitisch motiviert. Werbick graut es vor einem amtstheologisch begründeten „Zelebrationstourismus“273 und er befürchtet, sicher nicht ohne Grund, den ideologischen Umgang mit den Laien, die als „ekklesiologische Ersatzleute“ instrumentalisiert würden, „wenn die priesterliche ‚erste Garnitur‘ nicht mehr zur Verfügung steht“274. Mit anderen Worten: Werbick wittert hinter allen Modellen, die „Vernetzung“, großflächige Seelsorgeräume oder überhaupt die bischöfliche Diözesankirche favorisieren, als Motivation wie Resultat das zähe Festhalten an der alten klerikalen Zwei-Stände-Kirche, wie sie vorkonziliar tatsächlich Konzept und Realität war und nachkonziliar in der Praxis durchaus noch nicht überwunden ist. Wer könnte in dieser Intention Werbick widersprechen?

      Am Schluss seiner Replik fragt Werbick dann auch unmissverständlich die Entscheidungsträger der Kirche, also die Hierarchie, ultimativ und alternativ:

      Bejaht sie den „Ersatz“ der priesterlichen Gemeindeleitung durch Laien-Ämter und den weitgehenden „Ersatz“ der Eucharistiefeier vor Ort durch andere liturgische Formen wie auch deren sakramentalen Charakter, oder betrachtet sie dies alles als Notfall – zu dem man freilich selbst entscheidend beigetragen hat, weil man gemeindeleitenden Charismen den Weg zum priesterlichen Amt versperrt – und sucht sie nach Wegen, die diesem Notfall abhelfen könnten? Tertium non datur – es sei denn, man hält die Verörtlichung des Glaubens in Zeiten einer umfassenden Virtualisierung für weitgehend entbehrlich.275

      Es geht Werbick also um das, was man „Gemeindeleitungsdilemma“ nennen könnte, also um die unter den gegenwärtigen Bedingungen nicht auflösbare Entscheidungslage, entweder die Zulassungsbedingungen zum Priesteramt unverändert zu lassen, dann aber auf Grund des eklatanten Priestermangels die sakramentale, vor allem eucharistische „Versorgung“ des Volkes Gottes zu gefährden, zudem die Priesterrolle immer ausschließlicher auf Sakramentenspendung zu reduzieren und de facto den Umbau der gewohnten priesterlichen Rolle zu akzeptieren, insofern immer deutlicher gemeindeleitende Funktionen, offen oder unter der Hand, an Laien abwandern, oder aber die Zulassungsbedingungen zum Priestertum zu ändern, was mit einiger großer Wahrscheinlichkeit die Priesterzahlen wieder steigern und es wohl ermöglichen würde, die gegenwärtige pastorale Struktur aufrecht zu erhalten.

      Werbicks Option ist eindeutig, wenn sie auch eher nur indirekt aus seiner kritischen Stoßrichtung erschließbar ist: Er möchte, wie viele, etwa auch der Basler Bischof Kurt Koch,276 eher die Zulassungsbedingungen zum Priestertum verändern als umgekehrt die Basisrealität der Kirche dem aktuellen Priestermangel anpassen.

      Werbicks Gründe für diese Option sind nachvollziehbar: Die Feier der Eucharistie müsse, so Werbick, weiterhin im Zentrum der kirchlichen Vergemeinschaftung stehen, die Eucharistie aber müsse konkret vor Ort realisierbar sein, und dazu brauche es eben, so der Priester der einzig legitime Vorsteher der Eucharistie bleibe, wovon Werbick ausgeht, genug geweihte Amtsträger.277

      Zudem wird deutlich, dass Werbick nicht nur Eucharistievorsitz und Priestertum koppelt, was ja nicht umstritten ist, sowie Eucharistieversammlung und Gemeindebildung, was ebenfalls weitgehend Konsens sein dürfte, wenn auch in der Realität schon durchaus nicht so selbstverständlich wie theologisch postuliert, sondern auch, umstrittener schon, Eucharistievorsitz, Gemeindeleitung und Seelsorge. „Mir scheint die seelsorgliche Prägung der Gemeindeleitung unaufgebbar“, so Werbick, weswegen „eine verantwortbare Gemeindegröße dadurch definiert“ wäre, „dass sie es dem Gemeindeleiter erlaubt, Seelsorger zu sein“278. Da scheint dann doch unübersehbar die alte Hirtenmetapher als strukturierendes Modell kirchlicher Basissozialformen durch: überschaubar, in einem zugleich eucharistisch, seelsorglich und irgendwie auch lebensweltlich homogen und dabei dann kommunial verdichtet.

      Werbick stellt sich hier nun selbst den Einwand, ob dies nicht „doch ein recht priesterzentriertes Konzept“ sei,

      das die haupt- und ehrenamtliche Mitarbeit von Laien in ihrer ekklesiologischen Bedeutung unterschätzt und sich zu sehr auf die Eucharistiefeier als Mittelpunkt von Sammlung und Sendung der Kirche vor Ort konzentriert?279

      Um dann und an die Kirchenleitungen zu plädieren, doch zuzugeben, dass die eigenen Planungen, die auf Vernetzung und überregionale Einheiten hinausliefen, Laien doch wieder nur als „ekklesiologische Ersatzleute“ betrachten. Werbick wirft den Kirchenleitungen also letztlich einen instrumentellen Umgang mit den Laien vor, was bisweilen, vielleicht sogar regelmäßig, zutreffen mag, aber den Vorwurf, sein Konzept sei priesterzentriert, nicht wirklich widerlegt.

      Werbick bezweifelt im Übrigen nicht, dass die herkömmlichen Pfarrgemeinden „vielfach katholische Restmilieus“ darstellten, welche „sich schwer tun mit der Zugänglichkeit für die … ‚am Rande‘ “280, und er leugnet auch nicht, dass es einer spezifischeren „Profilierung der Gemeinden“281 bedürfe. Aber seine Zielvorstellung läuft eben doch auf das berühmte „geschwisterliche Zusammenwirken von priesterlichen Amtsträgern, haupt-, neben- und ehrenamtlichen Laien in den Pfarrgemeinden“282 hinaus und setzt, wie Werbick gleich zu Beginn schreibt, auf eine Seelsorge vor Ort, die unter anderem „durch eine Veränderung der Zugangsmöglichkeiten zum Weihesakrament“283 weiterhin möglich sein sollte.

      Was Ebertz wolle, das sei der Rückzug aus der Fläche, so Werbick. Warum er selbst in ihr bleiben will, wird eher in den Umrissen einer doch sehr herkömmlichen, priesterzentrierten Vorstellung der kirchlichen Basisstruktur deutlich – und vor allem im Druck auf die Veränderung der Zulassungsbedingungen zum Priestertum, den solch ein Festhalten ohne Zweifel ausübt.

       3 Michael Ebertz’ Positionen

      Was will nun aber Michael Ebertz? Sein Ausgangspunkt ist die soziale Realität entwickelter Gesellschaften. Klassische Pfarrgemeinden seien „Auslaufmodelle“ geworden, „an denen selbst die Lebensströme katholischer Kirchenmitglieder mehrheitlich vorbei fließen“284, insofern das Pfarrprinzip schlicht ungenügend geworden sei.285 Moderne Lebensverhältnisse hätten sich örtlich entbettet, der Übergang von lokalen zu nicht-lokal bestimmten Lebensformen sei schon lange im Gange. Kirchengemeinden seien daher „notorisch unterdifferenzierend“, „tendenziell communiofeindlich“, „mehr

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