Die Rede von Jesus Christus als Glaubensaussage. Группа авторов
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Eben nicht »Diener der Sünde« (ἁμαρτίας διάκονος), wie es Gal 2,17 explizit ausschließt; vgl. auch Röm 3,7f.
Vgl. Röm 15,12; Gal 1,16; 3,8.
Vgl. Gal 2,15; Röm 3,29f.
|103|Der Glaube an einen persönlichen und universalen Christus Jesus
Martin Leiner
1. Die Rede von Christus als Glaubensaussage
Diese Tagung trägt den Titel »die Rede von Christus als Glaubensaussage«. Auch wenn der Zweite Artikel des Apostolikums das »ich glaube« nicht noch einmal eigens wiederholt, gehe ich davon aus, dass es nicht ganz überflüssig ist, zum Thema des Glaubens einige Überlegungen aus systematisch-theologischer Sicht vorauszuschicken.
Es geht im Apostolikum um ein Glauben an: Gott Vater, Jesus Christus, den Heiligen Geist. Erst am Schluss, wenn es heißt: »Ich glaube die christliche Kirche […]« bis hin zum ewigen Leben kann man erwägen, ob es um einen Glauben an heilvolle Realitäten wie die Kirche und die genannten Heilsereignisse geht oder ob diese Realitäten im Glauben an den Heiligen Geist eingeschlossen sind. Glauben im Sinne des Glaubensbekenntnisses ist zunächst und vor allem nicht eine mindere Form des Wissens, sondern eine vertrauende Bezugnahme auf eine Person. Es wäre verfehlt, wenn man den Gegensatz überbetonen wollte, wie dies etwa Martin Buber in seiner Schrift »Zwei Glaubensweisen«[1] getan hat. In den Glauben an die trinitarische Person eingeschlossen ist der Glaube an Aussagen über diese Person. Das hebräische הֶאֱמַ֣נְתִּי (hä’äminthi), das griechische πιστεύω (pisteuō), das lateinische credo und das deutsche »ich glaube« betonen unterschiedliche Aspekte der personalen Beziehung und der mit ihr verbundenen Glaubensaussagen: Die Wurzel אמן (’mn): Das Getragen- und Gehaltensein durch eine Person[2] schließt auch die Beständigkeit und Zuverlässigkeit mit ein,[3] das griechische πιστεύω ist ohnehin zunächst das Vertrauen auf eine zuverlässige Realität,[4] wozu dann auch Personen zählen können, credo, nach einer umstrittenen Etymologie |104|von cor (»Herz«) und dare (»geben/schenken«):[5] Das Schenken des Herzens, zumindest das »Vertrauen schenken« und »ich glaube«, das »sich etwas lieb, vertraut machen«[6] schließen beide die sich auf den anderen verlassende Selbstfestlegung mit ein, wie es in den wortgeschichtlich verwandten Ausdrücken »Kredit geben« bzw. »geloben« zum Ausdruck kommt. Bekannt wird im Glaubensbekenntnis gleich in welcher Sprache immer zunächst und vor allem die Beziehung des ich – im Nizänum auch des wir – zu einer Person: Gott Vater, Jesus Christus, Heiliger Geist. Wenn sich der Glaube auf die Person Jesus Christus bezieht, dann lässt sich dies nicht vereinbaren mit einer Opposition zwischen dem irdischen Jesus und dem auferstandenen Christus. Nachdem Karl Barth eine Zeitlang die Kritik Rudolf Bultmanns an der liberalen und pietistischen Orientierung an Jesus geteilt hatte, schreibt er gegen diesen Gegensatz in KD II/2, 631: »Gott will Jesus […]. Es handelt sich beim Gehorsam gegen Gott immer darum, Jesus gehorsam zu werden und zu bleiben.« Als Menschen können wir gar nicht anders als mit dem Menschen Jesus und der Vielfalt seiner menschlichen Züge, die uns die Evangelien zeigen, in glaubende Beziehung zu treten.
2. Glaubensbekenntnis und Gesetzlichkeit
Systematischen Theologen ist die Beobachtung, dass der Glaube sich auf Personen richtet, wichtig, weil sie einem gesetzlichen Verständnis des Glaubensbekenntnisses entgegensteht. Gerhard Ebeling spricht dieses Problem wie folgt an: »Der Glaube an Jesus Christus entfaltet sich in einer Vielzahl von Aussagen. Das bringt ihn in den Geruch religiöser Gesetzlichkeit.«[7] Die Annahme aller einzelnen, vielleicht noch zerstückelten Glaubensaussagen wird zum frommen Werk. Je absurder oder schwerer verständlich die Aussage – von der |105|Jungfrauengeburt bis zur Himmel- und Höllenfahrt – umso größer ist die Leistung, die der »Glaubende« erbringen muss. Umso mehr wird das Glaubensbekenntnis Instrument der Werkgerechtigkeit und damit des Unglaubens. Man kann nach Ebeling dieser Gesetzlichkeit dadurch entgehen, dass man die christologischen Aussagen, auch in ihrer Fülle nicht als Glaubenspflicht, sondern als Ausdruck der unerschöpflichen Liebe Gottes versteht.[8] »Das ist gewissermaßen der Schlüssel zu allen christologischen Schlössern.«[9] Die beschreibenden Kennzeichnungen Jesu Christi, die wir in den Glaubensaussagen des Apostolikums vorliegen haben, sind in gewisser Weise sogar überflüssig, redundant. Im Grunde ist alles bereits im Glauben an Jesus Christus enthalten. Selbstverständlich ist Jesus Christus für jeden, der das Neue Testament kennt, derjenige über den das alles ausgesagt werden kann. Es ist ähnlich selbstverständlich für den Kenner, wie es für den Kenner nichts hinzufügt, wenn ich statt: »Ich beziehe mich auf Martin Luther«, sage: »Ich beziehe mich auf Martin Luther, den Reformator, der in Eisleben geboren ist, der in Leipzig an einer Disputation teilgenommen hat, der in Wittenberg Professor war und der in Eisleben gestorben ist.« Die Auswahl von Aussagen, die das Glaubensbekenntnis macht, scheint mir nicht darauf zu zielen, Jesus Christus besser zu identifizieren, sie hat offensichtlich auch nicht das Ziel, Vollständigkeit zu erreichen. Sehr wichtige Elemente des Lebens und der Lehre Jesu fehlen, etwa seine Beziehung zu Johannes dem Täufer, seine Predigt vom Reich Gottes, die Wunder, seine Ethik, seine Gleichnisse, die Einsetzung des Abendmahls auch die Heilsbedeutung seines Todes. Die Auswahlkriterien sind offenbar auch nicht allein zeitgenössische theologische Debatten, über das Leiden unter Pontius Pilatus sind keine solchen Debatten in der Alten Kirche bekannt. Damit wird die Frage spannend: Welches sind die Auswahlkriterien? Der Text des zweiten Artikels des Apostolikums verbindet, so meine Interpretation, die universale Bedeutung Jesu Christi mit absolut konkreten, individuellen Aussagen. Die individuellen Aussagen sind: der Name »Jesus«, er ist der »einziggeborene Sohn«, die Mutter »Maria«, »gelitten unter Pontius Pilatus«, »am dritten Tag« auferstanden. Die Universalität wird transversal als eine alle Bereiche des Seins durchlebende Geschichte erzählt: Im Nizänum noch klarer beginnt die Geburt aus Gott, dann das Erdenleben bis hin zum Tod |106|am Kreuz und zum Grab, dann tiefer noch bis in das Reich des Todes, durch die Auferstehung und die Himmelfahrt dann wieder zurück zu Gott. Die Auswahlkriterien des Apostolikums entsprechen ziemlich genau der christologischen Formel von Paul Tillich, die christliche Theologie habe in Jesus Christus eine Grundlage, die vollkommen konkret und absolut universal zugleich sei.[10]
3. Zur Frage eines Aufbrechens der Israel-Vergessenheit des Credos
Auf dieser Grundlage ergibt sich auch meine Antwort auf das von Karl-Wilhelm Niebuhr angeregte Aufbrechen der Israel-Vergessenheit des Credos. Wenn die christologischen Aussagen nicht nach der Logik der Vollständigkeit, sondern der Kombination von individueller Konkretheit und universaler Reichweite ausgewählt wurden, ist eine Erweiterung grundsätzlich möglich, wenn auch ökumenisch höchst konfliktträchtig. Auch andere Erweiterungen könnten wichtig sein. Eine Einbeziehung