Tatort Bodensee. Eva-Maria Bast

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Tatort Bodensee - Eva-Maria Bast

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einfältig-ahnungsloser Miene zu schließen, war der tatsächlich so völlig unbefleckt von jeglicher historischen Erkenntnis. »Der Hus, den kennt doch jedes Kind!«

      Protnik begriff, dass er wieder einmal einen Schuss voll danebengesetzt hatte. »Der Kerl hat sich mir jedenfalls nicht persönlich vorgestellt!«

      Horst war dem Wahnsinn nahe! »Mensch, Sputnik, das war vor fast 600 Jahren!«

      »Na also, dann geht’s ja auch gar nicht!«

      »Was geht nicht?!«

      »Dass der sich mir vorgestellt hat!«

      »Oh, Protnik!« Horst stöhnte verzweifelt auf. »Also der Jan Hus war ein böhmischer Reformator, und den haben sie beim Konstanzer Konzil mit dem Versprechen auf freies Geleit hierhergelockt. Der Kaiser persönlich hat es ihm versprochen. Und dann haben sie ihn angeklagt, ins Gefängnis geworfen und schließlich sogar auf dem Scheiterhaufen verbrannt! Die Stelle kann man noch heute besichtigen und das Konzil, also der Ort, wo die Versammlung stattfand und wo man sogar – zum einzigen Mal in der Geschichte übrigens – einen Papst auf deutschem Boden gewählt hat, das steht noch heute. Da drüben in der Nähe vom Bahnhof, das hast du doch gesehen, als wir dran vorbeigefahren sind in Richtung Schnetztor! So war das nämlich – und das sollte man eigentlich wissen!«

      »Ich weiß nur, dass wir jetzt die Nächsten sind, die sie ans Kreuz nageln werden«, brummelte Protnik säuerlich und zog die Tür der Polizeidirektion auf. »Also dann, bringen wir’s hinter uns!«

      »Halt, Moment mal!« Ein junger schmächtiger Mann kam auf sie zugelaufen. »Sind Sie nicht die beiden Polizisten aus Heilbronn und Ulm, die hier einen Termin beim Polizeichef haben?«

      Verwundert sahen die beiden Kommissare sich an. »Scheinen ja lauter Hellseher hier zu wohnen«, knurrte Protnik ärgerlich. Herausfordernd glotzte er den anderen an. »Und wer sind Sie bitte, wenn ich fragen darf?«

      Der Mann nickte eifrig. »Dürfen Sie! Hier ist meine Visitenkarte, bitte schön! Mike Mägerle vom Mehrfunk ist mein Name!«

      »Auch das noch!« Horst stöhnte gequält auf. »Ist das in Konstanz eigentlich üblich, dass da die Journalisten offenbar immer mehr wissen als die Polizei?«

      Sein Gegenüber lächelte überlegen. »Schon möglich!«

      »Und woher wissen Sie also, dass wir heute Abend einen Termin hier haben?«

      Der Typ vom Privatradio lächelte immer noch: »Berufsgeheimnis! Aber so viel kann ich sagen: Konstanz ist ein Dorf, zumindest was die Informationsbeschaffung angeht! Ich weiß also alles – fast alles«, setzte er nach einer kleinen Pause hinzu.

      »Und den Rest möchten Sie jetzt von uns erfahren, stimmt’s?« Protnik trommelte ärgerlich an die Scheibe der Eingangstür.

      Mägerle vom Mehrfunk nickte zustimmend. »Richtig! Zum Beispiel, weshalb Sie anscheinend nicht an einen Selbstmord bei ihrem Kollegen Grundler glauben!«

      »Und Sie denken, dass wir Ihnen das auf die Nase binden?« Horst fühlte, wie allmählich der Ärger in ihm aufstieg. Was glaubte der Radiofritze denn eigentlich?! Das war kein Sandkastenspiel im Privatfernsehen – das war bittere Realität, die sich hier abspielte!

      »Weiß ich nicht! Ich weiß nur, dass Ihr Kollege Grundler und mein Kollege Winter da an einem ganz dicken Ding dran waren und dass jetzt beide tot sind! Und dann weiß ich noch, dass es um irgendeinen Baggersee geht und dass die Pressestelle der Polizeidirektion auf Durchzug gestellt hat und permanent behauptet, das stimme nicht, da wäre nichts! Und dann«, er setzte eine bedeutungsvolle Miene auf, »dann weiß ich noch, dass der Polizeichef hier mit dem Landrat gut befreundet ist und der Landrat wiederum kennt einen der mächtigsten Kiesbarone im Kreis ganz hervorragend!« Vielsagend sah er sich um und senkte die Stimme: »Und außerdem ist der Kiesbaron wiederum Anteilseigner beim Mehrfunk, also bei meiner Radiostation. Was glauben Sie, was mir neulich unser Geschäftsführer erzählt hat, als ich eine Geschichte über den Kiesabbau bei uns im Landkreis machen wollte! Und wie er mich gewarnt hat, weiter mit ihrem Kollegen Grund­ler zu sprechen, als er mitgekriegte, dass ich mit dem telefoniert habe!« Wieder ließ er seinen Blick durch die Empfangshalle schweifen: »Sie sehen, auch ich muss vorsichtig sein! Und falls Sie mir nicht glauben, dass mir’s ernst ist: Ich habe kein Aufnahmegerät dabei!« Damit lüftete er die Schöße seiner Jacke: »Also – ob sie’s glauben oder nicht, mir geht es wirklich um etwas ganz anderes! Das, was da gerade auf höchster Ebene gespielt wird, ist eine Riesensauerei! Aber mir sind die Hände gebunden – journalistisch, meine ich. Und nachdem ich nun über meine Verbindungen in die Direktion hinein erfahren habe, dass Sie mittlerweile auch irgendwie drinhängen und überdies noch mit dem Grundler befreundet waren, da hab ich mir gedacht, ich muss Ihnen zumindest noch kurz vorher sagen, was Sache ist, bevor die Sie da oben fertigmachen! Und jetzt aber noch eine Frage«, damit sah er Protnik und Horst durchdringend an. »Glauben Sie allen Ernstes an diese Selbstmorde – an alle beide? Also ich glaube an keinen einzigen, dass das nur klar ist!!«

      Horst war verblüfft. All diese Informationen und jetzt diese entschiedene Feststellung! Donnerwetter! Gerade wollte er zu einer Antwort ansetzen, da legte ihm Mägerle die Hand an den Oberarm: »Da hinten kommt jemand! Besser für meinen Job, wenn man uns nicht zusammen sieht!« Und schon war er verschwunden!

      Die Stimme, die von ferne an sein Ohr drang, kam Horst bekannt vor: »Ach; da sind Sie! Und wir warten bereits seit fünf Minuten auf Sie!« Aha – Hofer war also auch mit von der Partie beim fröhlichen Schlachtfest! Er hätte es sich ja eigentlich denken können!

      Aufmunternd versetzte er Protnik, der mit sorgenvoll-zerfurchter Stirn neben ihm stand, einen Klaps auf die Schulter: »Komm, Kollege! Bringen wir’s also hinter uns!«

      Nach dem genauso exzellenten wie sündhaft teuren Abendessen (das würde kein billiger Urlaub werden, dessen war sich Horst mittlerweile schmerzhaft bewusst geworden!) waren sie mit der Autofähre von Konstanz nach Meersburg über den Bodensee zurückgefahren. Die verwunderten Blicke, mit denen Protniks verbeulter Astra mehr als einmal bedacht worden war, hatten sie geflissentlich ignoriert.

      Stumm hingen sie ihren Gedanken nach, während sie über die von einem leuchtenden, gelblich-weißen Vollmond beschienene, beinahe glatte schwarze Fläche des Bodensees dahinglitten. Das Donnerwetter in der Chefetage der Polizei war genauso verlaufen, wie sie das erwartet hatten: laut, heftig und unangenehm. Der Konstanzer PD-Chef – ein unangenehmer Zeitgenosse namens Ströbel mit stechenden, gelbgrünen Augen und dem massigen Körperbau eines Preisboxers – hatte zur Begrüßung nur kurz und kühl mit dem Kopf genickt, bevor er dem an der Telefonanlage neben dem Schreibtisch lauernden Schlotterbeck einen Wink gab: »Wir können also!«

      Der drückte grinsend auf einen Knopf an der Anlage und legte den Hörer auf. »Sie sind da, meine Herren!«

      Aha, schoss es Horst durch den Kopf, offensichtlich hatte man eine Telefonkonferenz geschaltet! Bevor er jedoch über die möglichen Teilnehmer hatte spekulieren können, war das Gewitter via Telefon auch schon losgebrochen. Steiner und Krauter, die beiden Chefs der Polizeidirektionen, in denen Horst und Protnik beschäftigt waren, meldeten sich in einer anscheinend vorher bereits festgelegten Reihenfolge nacheinander zu Wort und brachten ihr Missfallen über die Vorgänge der letzten Woche derart unmissverständlich zum Ausdruck, dass Horst sich fragte, ob man sich nicht die Telefongebühren hätte sparen können. Bei der Lautstärke müsste jetzt eigentlich halb Baden-Württemberg darüber Bescheid wissen, dass Horst und Protnik in diesem Augenblick nach allen Regeln der Kunst von ihren Chefs abgewatscht wurden!

      Die

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