Tatort Ostsee. Harald Jacobsen
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Читать онлайн книгу Tatort Ostsee - Harald Jacobsen страница 11
Sophie versuchte, ruhig zu bleiben. Stefan war nach wie vor ein arrogantes Arschloch. Er hatte sie behandelt, wie einen dummen Teenager. Sie solle nichts anfassen. Sie hatte lange genug als Polizeireporterin gearbeitet. Tina lag soviel daran, dass sie das alte Kriegsbeil endlich begraben würden. Und nun hatten sie sich bereits gestritten, bevor sie sich überhaupt gesehen hatten. »Scheiße«, flüsterte Sophie der Toten zu. »Wieso muss ausgerechnet ich hier lang joggen? Nimm es nicht persönlich, aber ich wünschte, ich hätte dich nie gesehen.« Im gleichen Moment schämte sie sich und sah sich die Leiche genauer an. Sie trug einen Neoprenanzug und lag auf dem Rücken. Warum sah das alles irgendwie falsch aus? Es musste grauenhaft sein zu ertrinken, dachte sie schaudernd. Vielleicht war die Frau schon fast am Ufer gewesen, als ihr die Luft ausging. Sophie fröstelte. Hatte sie den Strand gesehen und gedacht, dass sie es noch schaffen könnte? Die Augen waren geschlossen, so als hätte sie resigniert. Pelle hatte das Interesse an der Toten verloren und spielte mit einem großen Ast, der im Seetang lag. Sophie hatte das Gefühl, schon eine halbe Ewigkeit auf die tote Frau gestarrt zu haben, als endlich zwei Männer den Deich entlangliefen. Sie stiefelten durch den Sand auf sie zu.
»Aha! Da sind wir richtig! Polizeihauptkommissar Larrson. Das ist mein Kollege Claas Meier. Haben Sie Kriminalhauptkommissar Sperber verständigt?«
Sophie nickte. Larrson sah mit seinem grauen Vollbart eher wie ein Seebär aus. Er musste kurz vor der Pensionierung stehen.
»Wie ist Ihr Name?«, fragte Meier. Er sah aus wie ein pummeliges Riesenbaby. Wäre die Situation nicht so ernst, hätte sie beim Anblick des skurrilen Duos einen Lachanfall bekommen.
»Sophie Sturm.« Sie nickte mit dem Kopf in Richtung Leiche. »Mein Hund hat sie gefunden.« Larrson nickte und sein junger Kollege nahm ein Notizbuch zur Hand. Endlich sah sie auch Stefan. Er marschierte energisch auf sie zu.
»Morgen«, grüßte er brummig. »Und? Was haben wir?«
Sophie war entsetzt. Stefan roch nach Schnaps und ähnelte einem Penner. Er ging langsam um die Leiche herum. Pelle rannte begeistert auf die Gruppe zu. Den schweren Ast schleppte er gleich mit.
»Nimm den Hund weg!«
»Anscheinend wieder so ne Kiterin«, kommentierte Claas Meier und schüttelte den Kopf.
»Wieder?« Stefan stand auf und sah ihm ins Gesicht. »Was heißt denn wieder?«
»Vor drei Tagen ist auch so eine Verrückte ertrunken. Die wurde ein paar Meter weiter angeschwemmt.« Meier deutete mit dem Arm mehrfach in die Richtung und erinnerte an einen Verkehrspolizisten. Stefan nickte nur. Plötzlich wusste Sophie, was sie an dem Bild störte.
»Stefan?« Er warf ihr einen warnenden Blick zu, doch sie ließ sich nicht einschüchtern. »So wird man doch nie und nimmer angeschwemmt! Sie liegt auf dem Rücken, so als hätte man sie hingelegt.«
Stefan funkelte sie böse an und ignorierte sie dann. »Müsste schon ein paar Stunden tot sein. Broder, wo bleibt denn der Arzt?«
»Äh, Fips war noch beim Frühstück«, antwortete Meier für seinen Vorgesetzten.
»Fips?«
»Friedrich Pieper, äh, unser Doktor. Wir haben hier keinen Quincy auf Fehmarn.« Claas Meier kicherte über seinen Scherz.
»Ist hier irgendetwas witzig?«, fuhr Stefan ihn wütend an. »Wenn ja, dann würde ich gern mitlachen. Mach dich lieber nützlich und lass ein paar Kollegen kommen. Ich will hier keine Schaulustigen.«
In diesem Moment erschien ein älterer Herr mit Arzttasche auf dem Deich. Er winkte fröhlich, während er zum Strand spazierte. »Moin. Entschuldigt die Verspätung, aber ich hätte ja sowieso nichts mehr tun können. Moin Broder! Geht es deiner Frau wieder besser?«
Polizeihauptkommissar Larrson nickte. »Die Pillen, die du ihr verschrieben hast, haben Wunder gewirkt!«
»Antibiotikum! Ist eben das Beste, bei einer eitrigen Mandelentzündung.«
Sophie trat ungeduldig von einem Bein auf das andere. Sie konnte nicht glauben, dass die Männer neben der toten Frau ein Schwätzchen hielten.
»Wenn es den Herren recht ist, sollten wir mal zur Sache kommen«, unterbrach Stefan mürrisch.
Pieper schnalzte mit der Zunge und machte sich an seiner Tasche zu schaffen. Er streifte sich Handschuhe über und wischte der Toten die Haare aus dem Gesicht. Nachdem er sie nachdenklich betrachtet hatte, stand er wieder auf. »Ja, das arme Ding ist wohl ertrunken. Hat ja sogar noch den Neoprenanzug an. Ach, immer diese Unfälle. So, ich stell dann mal den Totenschein aus, oder? Soll ich ›Natürliche Todesursache‹ ankreuzen?«
»Doktor Pieper?«, fragte Stefan und sah plötzlich so unschuldig verwirrt aus wie Colombo. »Wenn Sie sich nicht hundertprozentig sicher sind, was aufgrund der Tatsache, dass Sie das arme Mädchen gar nicht richtig untersucht haben, schwierig sein dürfte, schlage ich vor, Sie machen Ihr Kreuzchen nicht so leichtfertig.«
Friedrich Pieper zuckte mit den Schultern und nickte dann. Sophie war fassungslos. »Macht ihr keine Fotos?«, fragte sie verwirrt.
Stefan starrte sie an. »Fotos? Das ist hier kein Mord, Sophie, und wir sind auch nicht in einem englischen Kriminalfilm. Kann mal einer die Personalien dieser Person aufnehmen!«
Meier fühlte sich sofort angesprochen. »Sie heißen Sophie Sturm und wohnen wo?«
Sophie war wütend. Sie war sich sicher, dass das nur dazu diente, sie abzulenken und aus dem Weg zu haben. »Stefan, was soll das?«
»Ich mach nur meine Arbeit und die willst du hoffentlich nicht behindern, oder?«
»Wo Sie wohnen?«, fragte Meier eindringlich.
Sophie funkelte ihn böse an. Plötzlich bemerkte sie, dass Pelle nicht mehr neben ihr war. Sie sah sich erschrocken um. Ihr Hund lag ein paar Meter weiter unten am Strand und kaute an der Rinde des Astes. Jetzt wusste sie, was nicht stimmen konnte.
»Das ist es! Stefan! Die Frau liegt hier oben, aber das angeschwemmte Treibgut liegt mindestens vier Meter weiter unten. Wie soll sie denn hier angeschwemmt worden sein?«
Hanjo ging ins Schlafzimmer. Das Doppelbett versetzte ihm jeden Morgen wieder einen Stich. Unmotiviert ging er an den Kleiderschrank und griff wahllos nach Hemd und Hose. Er zog seinen Bademantel aus, legte ihn über einen Stuhl und streichelte ihn kurz. Freya hatte ihm den Mantel vor 12 Jahren zu Weihnachten geschenkt. Mittlerweile war der blaue Frottee an einigen Stellen etwas fadenscheinig, doch er liebte den Bademantel. In diesem Leben würde er sich keinen neuen mehr zulegen. Weihnachten! Gut, dass jetzt Sommer war. An ein Fest ohne sie wollte er noch gar nicht denken. Hanjo schloss den letzten Hemdknopf und warf einen Blick aus dem Fenster. Am Strand standen einige Menschen zusammen. Sie hatten keine Bretter oder Segel dabei. Hanjo wurde neugierig. Er nahm sein Fernglas und regulierte die Schärfe. Das war doch Broder Larrson! Polizei? Hanjo fröstelte. Und da war Fips. Die blonde Frau kannte er nicht. Sie sahen alle zu Boden. Er folgte ihrem Blick mit dem Feldstecher. Es war ein Körper in einem Neoprenanzug. Schon wieder eine Tote! Er schloss für einen Moment die Augen. Würden die Touristen nun ausbleiben? Hanjo schüttelte den Kopf. Es war wirklich nicht der Zeitpunkt, sich darüber Gedanken zu machen. Gebannt schaute er weiter durch das Glas. Ein großer Hund spielte mit einem Ast. Ein Typ, der wie ein Penner aussah, lief zum Wasser. Er musste auch Polizist sein. Das war doch der Mann von Tina Sperber.