Tatort Ostsee. Harald Jacobsen

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Tatort Ostsee - Harald Jacobsen

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Eine junge Kiterin! Gruselig! Sie lag morgens mausetot am Strand!«

      Tina entspannte sich. Es war fast wie in alten Zeiten, nur dass Sophie nachdenklicher wirkte.

      Vor ein paar Jahren hätte sie sich eher die Zunge abgebissen, als ein Leben auf dem Land als schön zu bezeichnen. Was auch immer passiert war, sprechen wollte Sophie anscheinend nicht sofort darüber. Oder war gar nichts passiert? Tina stellte ihr Glas auf den Tisch und stand auf. »So, und nun zeig ich dir dein Zimmer und den Rest des Landhaustraums.« Sophie folgte ihr durch die große Glastür ins Haus. »Das ist der Wohnbereich.«

      »Wow!«

      Sie warf einen schnellen Blick auf Sophie. Sie schien wirklich beeindruckt zu sein. »Von außen sieht es gar nicht so geräumig aus! Und was für schöne Möbel!«

      Tina genoss das Lob und ging weiter. »Wir haben ein paar Wände rausreißen lassen. Früher waren das hier drei kleine Zimmer. Du weißt schon, Wohnzimmer, Esszimmer und ein kleines Kaminzimmer. Die Küche ging vom Flur ab. Jetzt ist alles offen.« Tina hatte das Haus zwischendurch verflucht, wenn sie Abend für Abend, nachdem die Kinder im Bett waren, mit Spachtel und Pinsel in dem Chaos herumgewühlt hatte. Aber jetzt war alles genauso, wie sie es sich immer vorgestellt hatte. Zwischen zwei großen Sofas aus braunem Wildleder stand ein asiatischer Couchtisch aus Teakholz. Die Wände waren weiß gekalkt. Ohne die große Schale mit roten Äpfeln und den bunten Kissen hätte der Raum fast puristisch gewirkt. Der lange Esstisch stand frei. Links davon kam man auf ein kleines Podest, auf dem ein kuscheliges Sofa vor dem alten Kamin stand. Die vielen Kinderbücher und die Zeitschriften ließen keinen Zweifel, dass es sich um den Lieblingsplatz ihrer Familie handelte. Rechts vom Essbereich lag die Küche. Sie war nur durch einen Tresen abgetrennt. Sophie pfiff durch die Zähne. »Alles Edelstahl!«

      »Ja, das habe ich aber schon bedauert. Die Kinder hinterlassen täglich Fingerabdrücke. Na, was solls? In 18 Jahren ziehen sie ja aus.«

      Sophie lachte und sah sich beeindruckt um. »Ich hatte ja eher Landhausstil erwartet, mehr so was Kuscheliges. Dass man ein Haus auch so stylen kann, wäre mir gar nicht in den Sinn gekommen. Es ist fantastisch! Eine Kombination aus Altem und Design. Und diese Küche! Man müsste hier eine Kochsendung produzieren.«

      Auf die Küche war Tina besonders stolz. Durch den warmen Boden wirkte der Edelstahl nicht kalt, sondern schick. Der Backofen lag auf Augenhöhe, was nicht nur ihren Rücken schonte, sondern auch die Kleinen vor Verbrennungen. Auf dem Tresen standen Tontöpfe mit frischen Kräutern und eine teure Espressomaschine, die dem Ganzen ein mediterranes Flair gaben. »Hättest du mir gar nicht zugetraut, was?«

      Sophie sah sie ernst an. »Ich wusste, dass du es wunderbar einrichten würdest, aber ich habe tatsächlich nicht mit so etwas Modernem gerechnet.«

      »Komm, wir gehen nach oben! Dort sind die Räume vom Stil her ganz anders.« Sophie folgte ihr die Treppe hinauf. »Lass uns leise sein. Finn wird zwar gleich aufwachen, aber ich würde dir vorher gerne noch dein Zimmer zeigen.« Sophie legte sich amüsiert den Finger auf die Lippen. »Das ist das Gästezimmer.« Tina öffnete die Tür.

      Sophie quiekte leise.

      »Wie süß!«

      Das kleine Zimmer sah aus wie ein Raum in einer Puppenstube. Die Tapeten hatten ein pastellfarbenes Blumenmuster und die Möbel waren antik.

      »Hier oben haben wir Rosamunde-Pilcher-Romanik pur. Die Räume sind alle ziemlich klein und so wirken sie gemütlicher. Neben deinem Zimmer ist ein Badezimmer. Du hast es ganz für dich. Die Kinder bade ich immer in dem großen Bad neben unserem Schlafzimmer.«

      Sie trat, gefolgt von Sophie, gerade zurück auf den Flur, als Finn zu jammern anfing. »Gutes Timing. Komm, nun wirst du den kleinsten Sperber kennenlernen.« Leise betrat Tina das Schlafzimmer und nahm ihr Baby aus der Wiege. »Hallo, kleiner Mann. Hast du schön geschlafen?«, fragte sie zärtlich.

      Plötzlich war aus dem Garten lautes Geschrei zu hören. »Mami! Mami! Wo bis du? Mami! Tonia is so gemein!«

      Tina rollte mit den Augen. »Sie streiten sich immer genau im richtigen Moment.«

      »Bleib hier! Ich geh runter und schlichte«, schlug Sophie vor und stürzte die Treppe hinunter. Tina dachte über ihre Freundin nach. War Sophie wirklich beeindruckt? Sophie, die alles hatte und alles konnte? Oder wollte sie nur nett sein? Felix kam ihr in den Sinn. Sophie hatte noch kein Wort über ihn verloren. Irgendwas stimmte zwischen den beiden ganz und gar nicht. Als ihr Jüngster satt war, wickelte sie ihn in eine Decke und nahm ihn mit hinunter. Sophie saß in dem Strandkorb auf der Terrasse und hielt ihr Gesicht in die Sonne. Ihre Augen waren geschlossen. »Hey, nicht einschlafen«, rief Tina. Sophie blinzelte sie an. »Was war denn mit Paul und Antonia?«

      »Ach, gar nichts«, antwortete Sophie. »Paul wollte nur auch mal das Stöckchen für Pelle werfen und sein reizendes Schwesterlein hat es ihm nicht gegeben. Ich habe Paul Pelles Lieblingsball gegeben und nun spielt Pelle mit ihm und Antonia schmollt.«

      »Na, dann ist ja alles wie immer«, stellte Tina fest. »So, und nun will ich dir meinen kleinen Engel vorstellen.«

      Tina legte ihrer Freundin ihren jüngsten Sohn in den Arm. Sophies Gesichtsausdruck veränderte sich. Sie sah fast ängstlich aus.

      »Gott, du bist aber süß!« Sophies Stimme brach und sie räusperte sich leise. »Weiß deine Mama eigentlich, wie viel Glück sie hat?«

      Zu Tinas Erstaunen füllten sich die Augen der Karrierefrau mit Tränen.

      Felix zerrte den Stecker aus der Telefonbuchse und schaltete die Handys aus. Den ganzen Tag hatte er unangenehme Fragen beantworten müssen. Es mussten Presseerklärungen verfasst und Sponsoren beruhigt werden. Eddy, sein Manager, war um ihn herumgeschlichen und hatte leise vor sich hingeflucht. Dabei hatte er mindestens fünf Hemden durchgeschwitzt. Felix wünschte sich, gleich aus einem Albtraum aufzuwachen. Langsam wurde ihm das Ausmaß der Katastrophe bewusst. Vor einer halben Stunde hatte er Eddy aufgefordert abzuhauen und ihn in Ruhe zu lassen. Nun war er endlich allein und konnte nachdenken. Was hatte Sophie sich nur dabei gedacht? Anscheinend wollte sie ihn fertigmachen. Natürlich war diese Nummer von ihr inszeniert. Sie musste ihn für einen Idioten halten, wenn sie dachte, er könne nicht eins und eins zusammenzählen. Felix lockerte seine Krawatte und ging zur Bar. Was wollte die Schlampe? Ihn erpressen? Seine Frau wusste sowieso Bescheid. Über alles. Sie wusste von der Tochter und sie wusste von seiner Affäre mit Sophie. Juliette ging es nur darum, im Luxus zu leben, den Kindern eine Mutter zu sein, die sie bewundern konnten, und zwischendurch seine Kreditkarte bluten zu lassen. Felix schenkte sich einen großen Whisky ein und setzte sich auf die Designercouch. Im Grunde hatte er ein prima Leben mit Juliette. Ihre Loyalität und Toleranz waren zwar nicht billig, aber er war ein freier Mann. Sein Job machte ihn für die ordinären Zuschauer zu einem Halbgott. Seine Laune besserte sich für einen Augenblick. Es machte nun mal Spaß berühmt zu sein. Es war leicht, sich jederzeit gut gelaunt und lässig zu zeigen, wenn man sowieso von jedermann geliebt wurde. Dass er zudem reicher und reicher wurde, war eine angenehme Nebensache. Mittlerweile hatte er Werbeverträge in Millionenhöhe. Seine noch immer ansehnliche Visage lächelte von Getränkekartons und Schokoriegeln. Und bis vor Kurzem hatte er noch eine aufregende Geliebte. Felix leerte das Glas in einem Zug. Er war allein in der riesigen Villa. Juliette war bei einer Freundin und die Kinder verbrachten die Nacht bei seiner Mutter. Übermorgen würden sie nach Mallorca fliegen. Er ging wieder zur Bar und holte die Flasche. Gut, dass Juliette nicht da war. Wenn sie ihm jetzt auch noch die Ohren vollheulen würde, würde er durchdrehen. Verdammter Artikel! Wie konnte Sophie nur so weit gehen? Was würde aus den Werbeverträgen? Sophie schien eine so vernünftige

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