Hat China schon gewonnen?. Kishore Mahbubani
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Elizabeth Economy vom Council on Foreign Relations schreibt: „Viele amerikanische und europäische Unternehmen beklagen, dass chinesische Unternehmen geistiges Eigentum stehlen. Bei jedem Jahresbericht der Außenhandelskammer steht dieser Punkt ganz oben in der Liste, wenn es um die Schwierigkeiten beim Geschäftemachen in China geht.“20
Der zweite Faktor, der dazu beigetragen haben könnte, dass sich die amerikanische Geschäftswelt derart von China entfremdete, war die Überheblichkeit, die chinesische Vertreter unmittelbar im Anschluss an die globale Finanzkrise von 2008/2009 an den Tag legten. Mehrere ausländische Beobachter haben dies ausführlich beschrieben. In seinem Buch „The Party“ schildert Richard McGregor, was 2008 beim Boao Forum geschah, dem chinesischen Gegenstück zum jährlich in Davos stattfindenden Weltwirtschaftsforum. Bei früheren Gelegenheiten sagten die Chinesen höflich: „Sie tun dieses, wir tun jenes.“ Beim Treffen von 2008 habe jedoch ein anderer Ton geherrscht, so McGregor. Dieses Mal lautete die Botschaft: „Sie gehen Ihren eigenen Weg. Wir gehen unseren eigenen Weg. Und unser Weg ist der richtige!“ McGregor beschreibt sodann den Ton auf dem Treffen:
Auf dem Boao Forum zogen die chinesischen Spitzenfunktionäre nacheinander ihre Glacéhandschuhe aus, die sie bei vergangenen Konferenzen angelegt hatten, und machten den Besuchern klar, dass sich das Blatt gewendet hatte. Zuerst kritisierte ein Beamter der Aufsichtsbehörde ein Treffen weltweit agierender Wirtschafts- und Finanzgrößen als „Lippenbekenntnis“. Ein anderer ließ kein gutes Haar an der Rolle der internationalen Ratingagenturen in der Finanzkrise. Ein pensioniertes Politbüromitglied forderte mit drohendem Unterton, die USA müssten „die Interessen der asiatischen Länder schützen“, wenn sie wollten, dass China weiterhin ihre Anleihen kaufte.“21
Gideon Rachman von der Financial Times beschreibt in seinem Buch „Easternization“ sehr gut, welche Stimmung nach der globalen Finanzkrise in Peking herrschte:22
In den Jahren nach dem Crash stellten westliche Diplomaten, insbesondere solche aus Europa, im Umgang mit den Chinesen einen neuen Ton fest. Ein britischer Diplomat, der kurz zuvor von einer Reise nach China zurückgekehrt war, erzählte mir 2011 mit einem Lachen, China sei das einzige Land gewesen, in dem man ihm erklärt habe: „Sie dürfen eines nicht vergessen: Sie kommen aus einer schwachen und im Zerfall begriffenen Nation.“ Ein weiterer sehr ranghoher britischer Diplomat sagte, der Umgang mit den Chinesen werde „zusehends unangenehm und schwierig“. Auf meinen Einwand, dass einige seiner Kollegen in Washington weiterhin sehr lobend über die chinesischen Spitzenfunktionäre sprachen, mit denen sie zu tun hatten, erwiderte der britische Offizielle: „Es gibt einen besonderen Tonfall, den die Chinesen inzwischen ausschließlich für die Amerikaner vorgesehen haben.“ Obwohl China weiterhin beteuerte, dass man weiterhin ein Entwicklungsland sei, trat die Regierung in Peking mehr und mehr wie eine werdende Supermacht auf – und das einzige Land, das man offenbar noch als tatsächlich ebenbürtig erachtete, waren die Vereinigten Staaten.
Möglicherweise erklärt der Hochmut, der Peking nach der globalen Finanzkrise befiel, auch die vergleichsweise kühnen Schritte, die China in den folgenden Jahren im Südchinesischen Meer unternahm. Wenn die Chinesen behaupten, nicht sie hätten damit begonnen, Felsen und Riffe im Südchinesischen Meer zurückzufordern, dann haben sie recht. Dieses Spiel haben die anderen vier Länder, die Ansprüche erheben, begonnen. China legte über einen sehr langen Zeitraum hinweg sehr große Zurückhaltung an den Tag. Leider beschloss man nach der globalen Finanzkrise jedoch, die eigenen Forderungen deutlich zu intensivieren. Mit ihrem neuen Auftreten im Südchinesischen Meer gaben die Chinesen jedoch den antichinesischen Stimmen in Amerika ein nützliches Propaganda-Werkzeug an die Hand.
Genauso ist klar, dass Pekings Zurschaustellung von Arroganz dem Geist dessen zuwiderlief, was Deng Xiaoping seinen Nachfolgern als Empfehlung mit auf den Weg gegeben hatte: „Beobachtet mit kühlem Kopf. Bleibt standhaft. Reagiert umsichtig. Verbergt unsere Fähigkeiten und wartet auf den rechten Augenblick. Beansprucht niemals die Führungsrolle. Seid fähig, etwas zu Ende zu führen.“ (Lěng jìng guān chá, wěn zhù zhèn jiáo, chén zhuó yìng fù, tāo guāng yăng huì, jué bù dāng tóu, yŏu suŏ zuò wéi,
Möglicherweise hätte sich dieses Problem eindämmen lassen können, hätte China über starke Anführer wie Deng Xiaoping und Zhu Rongji verfügt. Sie hätten einen Teil dieser Arroganz zügeln können. Leider jedoch waren die Nullerjahre auch ein Jahrzehnt mit einer vergleichsweise schwachen Führung. Chinas politische Führung zählt – ähnlich wie der Kreml zu Sowjetzeiten – fraglos zu den geheimnisvollsten Institutionen der Welt, dennoch ist klar, dass die Herrschaft von Hu Jintao (2003–2013) ein Interregnum darstellte zwischen der starken und disziplinierten Führung von Jiang Zemin (1993–2003) und Zhu Rongji (1998–2003) auf der einen Seite und der von Xi Jinping (2013 bis heute) auf der anderen Seite. Diese Phase relativer Schwäche führte dazu, dass sich, angeführt von Bo Xilai und Zhou Yangkong, Lager bildeten und die Korruption stark zunahm. Zugleich ließ Chinas Disziplin in seinen externen Angelegenheiten nach.
Was hätte China in den Nullerjahren mit einer stärkeren Führung anders machen können? Als es 2001 als Entwicklungsland der Welthandelsorganisation WTO beitrat, kam China in den Genuss zahlreicher Zugeständnisse, insofern hätte es als Allererstes anfangen müssen, sich langsam und stetig dieser Konzessionen zu entwöhnen. Dazu hätte es verkünden sollen, dass es als WTO-Mitglied im Rang eines Entwicklungslands zwar theoretisch das Recht genieße, diese Privilegien in Anspruch zu nehmen, dies in der Praxis aber nicht tun werde.
Chinas Wirtschaft erlebte ihre explosivste Wachstumsphase nach dem WTO-Beitritt 2001. Das BIP explodierte von 1.200 Milliarden Dollar im Jahr 2000 auf 11.100 Milliarden Dollar im Jahr 2015.24 China war so klug, seinen Beitritt in die WTO im Rang eines Entwicklungslands auszuhandeln, und das zu Recht. 2000 lag das jährliche kaufkraftbereinigte Pro-Kopf-Einkommen25 gerade einmal bei 2.900 Dollar (in etwa auf einem Niveau mit Pakistan, Bhutan, Jemen, den Kapverden, den Marshall-Inseln und Aserbaidschan). 2015 war das Pro-Kopf-Einkommen auf 14.400 Dollar gestiegen.26 Im selben Zeitraum entwickelte sich Chinas Volkswirtschaft von der Nummer 6 weltweit zur Nummer 2.
Natürlich hat es etwas offenkundig Unfaires an sich, wenn die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt (mit den größten Devisenrücklagen der Welt) für sich in Anspruch nimmt, genauso anfällig wie der Tschad oder Bangladesch zu sein und deshalb zu seinem Schutz besonderer WTO-Regelungen bedürfe. Das Paradoxe hier ist, dass China hart darum kämpfte, als Entwicklungsland eingestuft zu werden, dies in der Praxis aber nicht nutzte. Zwei Ökonomen, die sich die Bedingungen, zu denen China in die WTO aufgenommen wurde, gründlich angesehen haben, stellten folgende Beobachtung an: „Anders als gemeinhin angenommen hat China von den Vorteilen, die Entwicklungsländern beim Eintritt in die WTO zustehen, kaum welche in Anspruch genommen, abgesehen davon, dass es den Titel ‚Entwicklungsland‘ führen darf.“27 Und dennoch glaubten viele ausländische Beobachter, China nutze seinen Status als Entwicklungsland aus. Einer von Chinas