"Ich schaffs!" in Aktion. Ben Furman

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Jahre alt ist?«, hatten die aufgebrachten Eltern gefragt.

      Nachdem Erickson mit den Eltern gesprochen hatte, entschloss er sich, dem Mädchen einen Brief zu schreiben. Dieser begann mit der Erklärung, dass das Mädchen eine Größerwerde-Fee für 6-Jährige habe und diese die Absenderin des Briefes sei. Alle Kinder, so der Brief, hätten Feen für das Größerwerden, auch wenn sie sie noch nie gesehen hätten. Nun folgte eine detaillierte Beschreibung, wie die Fee für das Größerwerden aussah, wie viele Augen, Ohren und Beine sie hatte, wie sie sich fortbewegte und wie sie alles, was das Mädchen tat, sehen und hören konnte. Nach dieser Einleitung erklärte die Größerwerde-Fee für 6-Jährige, dass sie das Mädchen genau beobachtet habe und beeindruckt sei, wie viele Fähigkeiten es sich bereits mit 6 Jahren angeeignet habe. Dann erläuterte sie, dass einige Fähigkeiten einfach zu erlernen seien, während das Aneignen anderer sehr schwierig sei.

      Laut Erickson war der Brief ein voller Erfolg. Die Eltern berichteten, dass das Mädchen aufgehört hatte zu stehlen. Bald danach bekam die Fee für das Größerwerden einen Brief von dem Mädchen mit einer Einladung zu ihrem 7. Geburtstag. Erickson schrieb dem Mädchen einen zweiten Brief und bedauerte, dass er nicht kommen könne, denn er sei ihre Größerwerde-Fee für 6-Jährige und nicht die für 7-Jährige.

      An dieser Geschichte finde ich besonders aufschlussreich, dass sich Erickson auf das Kind statt auf seine Eltern konzentrierte. Er schien nicht in den für Therapeuten üblichen Mustern zu denken und hatte offensichtlich nicht die Haltung, dass man erst die Eltern ändern müsse, um das Kind verändern zu können. Er nahm das Problem ganz wörtlich und konzentrierte sich scheinbar ausschließlich auf das Mädchen. Aber auch wenn der Eindruck entsteht, dass er sich nur mit dem Kind beschäftigte, hatte seine Vorgehensweise wahrscheinlich auch einen Einfluss auf die Eltern.

      »Ich schaffs« folgt einer ähnlichen Logik. Der Fokus liegt darauf, Kindern beim Überwinden ihrer Probleme zu helfen, aber die Art der Intervention hat auch Auswirkungen auf die Eltern und auf andere Beteiligte.

      Das Konzept, Fähigkeiten zu erlernen, ist ein zentraler Aspekt in Ericksons gesamter Arbeit. Im Kommentar zu diesem Fall schrieb Sidney Rosen: »Erickson vermeidet vor allem Verbote, Maßregeln und Worte wie ›Du solltest‹. Er betont wie immer den Wert des Lernens. Als Erzieher ist er nicht böse, sondern lehrt auf anregende Weise. In all seinen Geschichten ist Erickson zwar sehr bestimmt, bestraft aber nicht. Seine Absicht ist es, Kindern dabei zu helfen, ihr eigenes Gefühl für Willen und Autonomie zu entwickeln« (Rosen 2009, S. 284 f.).

      Der Einsatz der »Größerwerde-Fee für 6-Jährige« ist ein essenzielles Element in dieser Geschichte. Kinder lassen sich durch Fantasiegestalten bezaubern, und es macht ihnen Spaß, mit solchen Wesen zu kommunizieren. Die Idee von hilfreichen Wesen haben wir für das »Ich schaffs«-Programm übernommen, bei dem Kinder sich eine Kraft-Figur auswählen, die ihnen beim Erlernen der jeweiligen Fähigkeit helfen soll.

       Jay Haley

      Die Arbeit von Milton Erickson hat viele Pioniere aus dem Bereich der Kurzzeittherapie inspiriert. Einer von ihnen, der Familientherapeut Jay Haley (1923–2007), nannte seinen Ansatz strategische Therapie. Er konzentrierte sich auf die Kinder statt auf die Eltern, um signifikante Veränderungen in der Funktionalität der gesamten Familie herbeizuführen. Das folgende Beispiel für seinen Ansatz hat Haley in den frühen 1980er Jahren bei einem Familientherapie-Kongress in Tel Aviv vorgetragen.

      Eine Familie war zur Therapie geschickt worden, weil ihr 12-jähriger Sohn Michael sich zu einem echten Pyromanen entwickelt hatte, der bereits drei ernst zu nehmende Brände mit erheblichem materiellen Schaden verursacht hatte. Haley beobachtete hinter einer Spiegelwand, wie der Therapeut die Familie interviewte, supervidierte ihn von dort aus und kam zu dem Schluss, dass die Familienstruktur aus den Fugen geraten war. Er war der Ansicht, dass die elterliche Zweierbeziehung nicht funktionierte und die Mutter zu ihrem Sohn hielt, während der Vater so im Clinch mit dem Jungen lag, dass er scheinbar kurz davor stand, ihn zu verstoßen.

      Bei einer kurzen Unterredung hinter der Spiegelwand forderte Haley den Therapeuten auf, der Familie als »Ursache« des Problems mitzuteilen, dass Michael die Handhabung von Feuer nicht beherrschte, und dass er dies testen wolle, indem er ihn im Therapieraum ein harmloses kleines Feuer mit Papier entzünden ließe. Der Junge tat das mit Begeisterung, und wie erwartet zeigte sich, dass er viele Fehler beim Anzünden der Streichhölzer, beim Anbrennen des Papiers und beim Löschen des Feuers machte. Sowie der »Beweis« von Michaels Inkompetenz erbracht war, wendete sich der Therapeut dem Vater zu und fragte ihn, ob er die Aufgabe übernehmen würde, seinen Sohn im kompetenten Umgang mit Feuer zu unterrichten. Der Vater stimmte zu, und kurz darauf waren die beiden intensiv damit beschäftigt, ein straffes Trainingsprogramm auszuarbeiten, bei dem der Vater seinen Sohn jeden Tag eine Stunde in den zu erlangenden Fähigkeiten zum sicheren Umgang mit Feuer unterrichten sollte.

      Vater und Sohn trainierten mehrere Wochen lang täglich sehr gewissenhaft, und Michael wurde ein richtiger Feuerexperte. Außerdem kamen die beiden sich als Ergebnis der intensiven Zusammenarbeit wieder viel näher, und auch die Eltern, die vorher so ziemlich über alles geteilter Meinung gewesen waren, begannen, am gleichen Strang zu ziehen. Michaels Faszination für Feuer legte sich wieder, und nach einigen Wochen gab der Therapeut den beiden die Erlaubnis, das Trainingsprogramm zu beenden und stattdessen nun etwas anderes gemeinsam zu unternehmen.

      Auch hier war der Fokus also nicht auf die Familie, sondern den Jungen gerichtet. Dennoch hatte die Intervention nicht nur Auswirkungen auf das Kind, sondern auch auf die Beziehungen zwischen allen Familienmitgliedern. »Ich schaffs« stützt sich auf genau diese Logik. Indem man sich auf das Kind konzentriert, eine neue Fähigkeit identifiziert, die es erlernen soll, und dann die Eltern und andere Bezugspersonen dazu bringt, ihm beim Erlernen der Fähigkeit zu helfen, lassen sich positive Veränderungen sowohl bei dem Kind als auch in seinem gesamten sozialen Umfeld erreichen.

       Insoo Kim Berg und Steve DeShazer

      Die lösungsfokussierte Therapie ist eine psychotherapeutische Richtung, die durch die Ideen von Milton Erickson inspiriert worden ist. Sie wurde während der 1970er und 1980er Jahre am Brief Family Therapy Center in Milwaukee/USA von einem Therapeutenteam – geleitet von Steve de Shazer (1940–2005) und Insoo Kim Berg (1934–2007) – entwickelt. In der lösungsfokussierten Therapie liegt der Fokus nicht auf Problemen (und dem, was sie möglicherweise verursacht hat), sondern auf Zielen, die die Klienten erreichen möchten, und darauf, was sie für das Erreichen dieser Ziele tun können.

      Bei dieser Art der Behandlung muss der Therapeut als Erstes vom Klienten erfragen, wie dieser ein gutes Ergebnis der Intervention definieren würde: »Wie würde eine bessere Zukunft nach Ihren Wünschen aussehen?« ist ein Beispiel für eine Frage, die er in der ersten Sitzung stellen könnte. Wenn er erst einmal ein klares Bild davon hat, was der Klient möchte, konzentriert er sich darauf, ihm beim Erreichen seines Ziels zu helfen.

      »Ich schaffs« folgt demselben Muster – mit der Ausnahme, dass die einleitende Frage »Wie könnte sich die Situation in Zukunft verbessern?« zu folgender Formulierung abgeändert wurde: »Welche Fähigkeit musst du entwickeln, damit sich die Situation in Zukunft verbessert?« Diese Modifikation basiert auf folgender Beobachtung: Bei der Anwendung des lösungsfokussierten Ansatzes in der Arbeit mit Kindern impliziert die Frage nach einem wünschenswerten Ausgang unweigerlich die Erwartung, dass das Kind sein Verhalten ändert bzw. lernt, sich zu benehmen oder anders auf eine bestimmte Situation zu reagieren.

      Ein anderes Charakteristikum der lösungsfokussierten Therapie ist die Betonung jeglicher Anzeichen von Fortschritt: Dieser Fokus ist auch typisch für »Ich schaffs«, wo Kinder enorm viel Aufmerksamkeit

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