Schulverweigerung als Entwicklungschance?. Johanna Kiniger

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Schulverweigerung als Entwicklungschance? - Johanna Kiniger Verlag für systemische Forschung

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zu setzen, eine Leistung, die die Fachwelt wesentlich bereichert.

      Neben diesem wesentlichen Schritt setzt Johanna noch einen weiteren wichtigen Schritt, nämlich die gewonnen Erkenntnisse in die Praxis umzusetzen und einen Methodenkoffer für die praktische Anwendung zu entwickeln. Damit gibt sie Fachleuten hilfreiche Werkzeuge für die Zusammenarbeit mit Schulverweiger*innen in die Hand. Diese werden zusammen mit den neuesten Entwicklungen im Bereich Schulverweigerung in einem weiteren Buch erscheinen.

      Allein die Tatsache, dass dieses erste Buch schon wertvolle Beiträge im Bereich Schulabsentismus setzt, lässt uns gespannt auf weitere Ergebnisse von Johanna warten. Wir durften sie ein Stück ihres wissenschaftlichen Weges begleiten und wünschen ihr alles Gute und weiterhin viel Erfolg!

       Mag.a Romana Schneider und MMMag. Stefan Ruetz,

       Ausblicke – Institut für lösungsorientierte Beratung

       Schwaz im April 2021

       Geleitwort von Elfie Czerny und Dominik Godat

      Stellen Sie sich vor, alle Menschen würden einander als Expert*innen für ihr eigenes Leben ernstnehmen und einbeziehen. Stellen Sie sich vor, alle hätten Interesse an den guten Gründen, die auch abweichendem Verhalten zugrunde liegt. Und dies nicht nur zwischen Erwachsenen, sondern vor allem auch mit Kindern und Jugendlichen. Stellen Sie sich vor, was wir voneinander lernen könnten, wenn wir so im Gespräch wären. Aus einem hierarchischen Verhältnis würde ein wahrhaftiges miteinander.

      Johanna Kiniger macht genau dies in ihrer Arbeit: Sie hört zu. Sie nimmt die Jugendlichen ernst. Sie möchte mehr über die guten Gründe erfahren. Sie entwickelt ihre Arbeit gemeinsam mit den Jugendlichen. Und Sie lässt sie zu Wort kommen. Aus „Schulverweigerung als Problem“ wurde so in Gesprächen mit den Jugendlichen „Schulverweigerung als Entwicklungschance“. Aus einem Problem wird eine mögliche Lösung. Aus destruktivem Verhalten werden Entwicklungschancen. Und wenn wir ernsthaft zuhören, dann merken wir, dass Jugendliche – auch die, die nicht zur Schule gehen – lernen möchten. Sie möchten sich entwickeln. Oder wie Max es ausdrückt: „Ich will (…) wieder neugierig sein dürfen auf das Leben und die Zukunft.“

      Dieser unkonventionelle Blickwinkel mag einige Leser*innen vielleicht verwirren. Uns begeistert er. Wir erinnern uns noch gut an die Jahrestagung des Austrian Solution Circle (ASC) 2019, an dem Johanna als Gewinnerin der ASC Forschungsförderung aufgezeigt hat, wie sich Jugendliche während ihrer Zeit der Schulverweigerung entwickeln. Jugendliche lernen in dieser herausfordernden Zeit mit Aufs und Abs das, was viele Erwachsene im Erwachsenenalter anstreben. Sie machen sich übers Leben Gedanken. Sie entdecken, was sie wirklich wollen. Sie entwickeln Strategien. Sie merken, was ihnen wichtig ist. Sie setzen sich mit sich und ihrer Umwelt auseinander.

      „Für mich sind Schulverweigerer*innen erstmals junge Menschen, die längere Zeit nicht zur Schule gegangen sind“, antwortet unser geschätzter Kollege Michael Eisele, Schulleiter des LZB St. Anton, auf die Frage, ob sie in ihrer Schule einen speziellen Begriff gebrauchen, für Jugendliche, die Schule verweigern. Seine Aussage verdeutlicht, dass es immer zuerst um den Menschen gehen sollte. Schulverweigerung wird dann nicht nur für die Jugendlichen eine Entwicklungschance, sondern auch für die Schule.

      Wir stellen uns gerne vor, wie die Welt aussehen würde, wenn alle Erwachsenen Jugendliche und Kinder so ernst nehmen. Wie ein Bildungssystem aussehen würde, in dem Lehrer*innen und Schüler*innen wirklich gemeinsam von- und miteinander lernen. Aus vorgegebenen Lerninhalten entstünde ein gemeinsamer Lernraum. Aus Ein- und Unterordnung würde ein gemeinsamer Dialog. Aus passend und unpassend würde ein Erkennen und Ernstnehmen von Unterschiedlichkeiten. Aus einem Einheitsbrei entstünde eine wahrhafte Vielfalt. Auseinandersetzen miteinander, Zuhören, Ernstnehmen, im Dialog bleiben und gemeinsam nach guten Möglichkeiten suchen, wären die Folge. Und sind dies nicht genau die Fähigkeiten, die wir in der Welt in Zukunft benötigen?

      Wir erhoffen uns, dass die vorliegende Arbeit von Johanna Kiniger anregt, Jugendliche und Kinder ernster zu nehmen und mit ihnen gemeinsam heute die Schule von morgen zu entwickeln.

       Elfie Czerny & Dominik Godat

       Zentrum für Lösungsfokussierte GesprächsFührung

       1 Einleitung

       1.1 AUSGANGSSITUATION UND FORSCHUNGSZUGANG

      Internationale Studien, Forschungsprojekte und Statistiken belegen, dass viele Kinder und Jugendliche nicht zur Schule gehen. Es gibt zahlreiche Untersuchungen, die Schulverweigerung als Problem sehen. In dieser Arbeit wird Schulverweigerung von einem neuen Blickwinkel her erforscht. Durch Reframing soll ein UM- und NEUDENKEN in Gesellschaft und Schule angeregt werden. Es gilt und galt zu erforschen, ob die systemisch-lösungsorientierte Betrachtungsweise zu neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen führt und wie die systemisch-lösungsfokussierten Fragestellungen des Interviewleitfadens auf die befragten Personen wirken. Öffnen sich durch den Lösungsfokus neue Perspektiven und Entwicklungsmöglichkeiten? Macht Lösungsfokus einen Unterschied?

       1.2 DER WEG HIN ZUR FORSCHUNGSFRAGE – EIN ABBILD VON UNVORHERSEHBAREN DYNAMIKEN

      Im Sinne des systemisch-lösungsorientierten Ansatzes wurde die Eigendynamik von Prozessen als kreative Lösungsmöglichkeit und als Entwicklungsimpuls wahrgenommen und genutzt. Meine ursprüngliche Forschungsfrage war problemorientiert und lautete: „Schulverweigerung ist ein großes Problem. Warum verweigern Jugendliche den Schulbesuch?“ In den ersten drei Probeinterviews kritisierten die Schulverweigerer*innen übereinstimmend den Zugang zur Thematik. Für die Befragten waren die Fragestellungen des Interviewleitfadens zu „normal“, negativ behaftet und einseitig. Sie wünschten sich ein Reframing, ein Umdenken und mehr Wertschätzung den Schulverweigerer*innen gegenüber. Darum änderte ich, gemeinsam mit den drei Jugendlichen, mit welchen ich die Probeinterviews durchgeführt hatte, den Interviewleitfaden ab. Wir entwickelten gemeinsam die systemisch-lösungsorientierten Fragestellungen weiter und passten sie an das Weltbild, an die Vorschläge und Erfahrungen der Betroffenen an. Anschließend wurden die 20 Interviews mit Schulverweigerer*innen aus Deutschland, Italien, Österreich und der Schweiz durchgeführt.

       1.3 FORSCHUNGSFRAGE UND ABLAUF DER SYSTEMISCHLÖSUNGSORIENTIERTEN INTERVIEWS

      Die Forschungsfrage der empirischen Untersuchung lautete am Ende folgendermaßen: Schulverweigerung als Entwicklungschance?

      Die partizipierenden Schulverweigerer*innen bezeichneten sich während der Befragung öfters als Expert*innen ihres Lebens und somit auch als Expert*innen für Schulverweigerung. Ihr größter Wunsch war, die Ergebnisse dieser Forschung zu veröffentlichen, um Breitenwirkung zu erzielen und um durch Verstörung bestehende Strukturen zu durchbrechen und ein Umdenken in der Gesellschaft einzuleiten. Mehrere Schulverweigerer*innen äußerten im Laufe des Gespräches zudem den Wunsch, einen systemisch-lösungsorientierten Entwicklungskoffer von Schulverweigerer*innen für Schulverweigerer*innen mit wirkungsvollen Tools zu entwickeln. Dieser Entwicklungskoffer ist in Ausarbeitung und wird bald veröffentlicht. Ein Tool des Entwicklungskoffers wird in diesem Buch vorgestellt.

      

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