Öffentliches Wirtschaftsrecht. Stefan Storr
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c) Grenzüberschreitender Bezug
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Da die Beseitigung der Hindernisse für den freien Verkehr von Waren, Personen und Kapital der Verwirklichung des Binnenmarktes dient, greifen die Grundfreiheiten nur dann, wenn der Sachverhalt einen Bezug zum Binnenmarkt hat, also grenzüberschreitende Sachverhalte erfasst[80]. Daran fehlt es, wenn ein Staat nur das Verhalten seiner eigenen Bürger regelt (zu den Konsequenzen einer damit uU verbundenen Inländerdiskriminierung s. Rn 151). In neueren Entscheidungen wurde der Anwendungsbereich der Grundfreiheiten allerdings dadurch erheblich ausgedehnt, dass der EuGH uU einen hypothetischen grenzüberschreitenden Bezug genügen lässt[81]. Durch die damit verbundene Anwendung der Grundfreiheiten auf Sachverhalte ohne konkrete Beteiligung von Angehörigen anderer Mitgliedstaaten wird die Zahl der verbleibenden ausschließlich innerstaatlichen Sachverhalte erheblich eingeschränkt. Dies folgt vor allem aus dem Umstand, dass sekundärrechtliche Konkretisierungen der Grundfreiheiten auf rein innerstaatliche Fälle erstreckt werden. So verlangt insbesondere die DienstleistungsRL (RL 2006/123/EG) keinen grenzüberschreitenden Bezug[82].
d) Bereichsausnahmen für die öffentliche Gewalt
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Nach Art. 51 AEUV sind die Niederlassungsfreiheit und über den Verweis in Art. 62 AEUV auch die Dienstleistungsfreiheit nicht anwendbar, wenn es sich bei der fraglichen Tätigkeit um die Ausübung öffentlicher Gewalt handelt; auch im Sekundärrecht – etwa für den Anwendungsbereich des Vergaberechts – wird die Bereichsausnahme relevant. Es handelt sich um einen unionsrechtlichen Begriff, der als Ausnahme von den Grundfreiheiten eng auszulegen ist[83]. Allerdings hat der EuGH bisher keine wirkliche Definition geliefert, so dass sich um die Anwendung regelmäßig Kontroversen entzünden. Eindeutige Fälle der Ausübung von öffentlicher Gewalt in diesem Sinne sind Justiz, Polizei und Militär. Zur öffentlichen Gewalt gehört aber auch die staatliche Wirtschaftsaufsicht.
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Problematisch wird die Bereichsausnahme immer dann, wenn Private in die Aufgabenerfüllung einbezogen werden. Nach dem EuGH werden allein solche Tätigkeiten erfasst, „die, in sich selbst betrachtet, eine unmittelbare und spezifische Teilnahme an der Ausübung öffentlicher Gewalt darstellen“[84]. Bei der Einschaltung Privater wird die fragliche Tätigkeit entweder als abtrennbar von der öffentlichen Gewalt oder, weil ihr untergeordnet, gar nicht unter den Tatbestand gefasst[85] oder die Berufung auf den Staatsangehörigkeitsvorbehalt als unverhältnismäßig angesehen, weil eine staatliche Kontrolle über die Privaten ausreichend (und regelmäßig aus anderen Gründen geboten) ist.
Bisher hat der EuGH daher in keinem einzigen Fall die Bereichsausnahme durchgreifen lassen: Die Tätigkeit der Rechtsanwälte und Notare fällt trotz des Bezuges zur Justiz schon gar nicht unter die Bereichsausnahme[86]. Erst recht stellt die Tätigkeit privater Sicherheitsunternehmen[87] keine öffentliche Gewalt dar. Kfz-Überwachung[88] und Versicherungsaufsicht[89] lassen sich dagegen als öffentliche Gewalt interpretieren. Dennoch greift im Ergebnis die Bereichsausnahme nicht. Bei der Übertragung der Kfz-Überwachung auf (beliehene) Private oder deren Einschaltung in die Versicherungsaufsicht genügt eine Überwachung dieser Tätigkeit durch den Staat. Sämtlichen Versuchen, diesen materiellen Begriff der öffentlichen Gewalt durch einen formellen Begriff zu ersetzen und an die Frage der Beleihung bzw die Befugnis zum Erlass von Verwaltungsakten anzuknüpfen, hat der EuGH zu Recht eine klare Absage erteilt[90].
a) Adressaten der Grundfreiheiten
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Ähnlich wie die Grundrechte sind die Grundfreiheiten grundsätzlich staatsgerichtet, wobei es aus Sicht der Union auf die Zuständigkeitsverteilung innerhalb der Mitgliedstaaten nicht ankommen kann. Sie gelten für die Mitgliedstaaten und ihre Untergliederungen (Länder und Gemeinden) auch dann, wenn sie in den Formen des Privatrechts handeln[91] und auch für die Tätigkeit öffentlicher Unternehmen[92]. Die Verbindung zwischen privatrechtlicher Organisationsform und staatlichem Einfluss rechtfertigt ihre Bindung an die Grundfreiheiten, schließt aber umgekehrt nicht aus, dass sie sich selbst gegenüber staatlichen Maßnahmen auf diese berufen können (s. näher Rn 731)[93]. An die Grundfreiheiten gebunden sind aber auch öffentlichrechtlich organisierte Formen der Selbstverwaltung wie die Kammern sowie Private bei einer Indienstnahme für staatliche Zwecke über die klassischen Formen der Beleihung hinaus, etwa für die Tätigkeit von Zertifizierungsstellen[94].
Ob es auch darüberhinaus eine unmittelbare Bindung Privater an die Grundfreiheiten (sog. unmittelbare Drittwirkung) geben kann, ist noch nicht abschließend geklärt. Der EuGH hat mehrfach eine unmittelbare Wirkung zwischen Privaten angenommen, um Einzelne vor der Macht privater Verbände zu schützen, die durch ihre besondere Stellung Bereiche des Wirtschaftslebens autonom regeln[95]. Dogmatisch ist diese Konstruktion nicht verallgemeinerungsfähig[96]. Allerdings bleibt abzuwarten, inwieweit die Rechtsprechung zu den europäischen Grundrechten auch die Grundfreiheitendogmatik beeinflusst[97].
b) Schutzbereich und Eingriff
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Erfassen die Grundfreiheiten einen Sachverhalt (zu den allgemeinen Anforderungen an die Eröffnung des Anwendungsbereiches Rn 52 ff, zu den im Einzeln geschützten Sachverhalten unten Rn 71 ff), stellt sich die Frage, inwieweit sie einer Vorschrift des nationalen öffentlichen Wirtschaftsrechts entgegenstehen. Trotz der unterschiedlichen Formulierung geht man von einer einheitlichen Struktur der Grundfreiheiten aus[98]. Dabei lassen sich wie in der deutschen Grundrechtsdogmatik Schutzbereich, Eingriff (Beschränkung) und Rechtfertigung unterscheiden.
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Als Eingriffsformen sind die (offene oder versteckte) Diskriminierung und die Maßnahmen gleicher Wirkung anerkannt. Neben der selten gewordenen offenen Diskriminierung, bei der Vorschriften unmittelbar an die Staatsangehörigkeit anknüpfen, gibt es vor allem Fälle der versteckten (faktischen bzw mittelbaren) Diskriminierung, die zwar nicht ausdrücklich Binnenmarktsachverhalte regeln, aber in ihren Auswirkungen EU-Ausländer typischerweise stärker betreffen als Inländer[99]. Da die meisten Vorschriften nicht zwischen In- und Ausländern differenzieren, handelt es sich idR um Maßnahmen gleicher Wirkung. Dieses Kriterium hat der EuGH am Beispiel der Warenverkehrsfreiheit entwickelt, aber mittlerweile auf die anderen Grundfreiheiten übertragen[100]. Verboten ist danach jede Maßnahme, die geeignet ist, „innergemeinschaftlichen Handel unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potentiell zu behindern“ (sog. Dassonville-Formel)[101]. Damit hat der EuGH die zunächst als Diskriminierungsverbote verstandenen Grundfreiheiten zu allgemeinen Beschränkungsverboten weiterentwickelt.
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Die Eingriffsmodalitäten sind irrelevant. Die Mitgliedstaaten sollen sich weder durch die