Klausurenkurs im Bürgerlichen Recht II. Ulrich Falk
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Die Anwendbarkeit von § 599 BGB hängt im vorliegenden Fall somit davon ab, ob die Verletzung des Entleihers auf der Verletzung einer Schutzpflicht beruhte, die einen hinreichenden inneren Zusammenhang mit dem Vertragsgegenstand aufwies. An diesem Punkt des Gutachtens wird deshalb die Frage entscheidungserheblich, wie die Pflicht, die B verletzte, dogmatisch einzuordnen ist: Handelt es sich um eine allgemeine, nicht leistungsbezogene Schutzpflicht aus § 241 II BGB oder um eine leistungsbezogene Nebenpflicht aus § 242 BGB?
Auf den ersten Blick mag es den Anschein haben, dass eine Schutzpflicht verletzt wurde, die sich offenkundig nicht auf den Vertragsgegenstand bezog. Ein innerer Zusammenhang zwischen dem verliehenen Oldtimer und dem unfallträchtigen Gartengerät, das an der Garagenwand lehnte, scheint nicht zu bestehen. Dieser Anschein trügt jedoch. A war gezwungen, die Garage zu betreten, um seine Vertragspflicht zu erfüllen. Ein enger Kausalzusammenhang zwischen dem Leihvertrag und der erlittenen Schädigung ist nicht zu leugnen. Deshalb ist von einer leistungsbezogenen Nebenpflicht auszugehen und die Anwendung von § 599 BGB vorzugswürdig. Ein Schadensersatzanspruch des A gegen B aus § 280 I BGB ist demnach zu verneinen.
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Ergänzende Hinweise zu Lösungsalternativen:
(1) Wenn man einen Leihvertrag verneint und stattdessen von einem Gefälligkeitsverhältnis mit rechtlichem Einschlag ausgeht, ändert sich an der Lösung nicht viel. Zusätzlich ist dann zu prüfen, welcher Haftungsmaßstab bei Gefälligkeitsverhältnissen der vorliegenden Art anzulegen ist: § 276 BGB oder § 599 BGB analog? Die Rechtsprechung wendet grundsätzlich § 276 BGB an; eine Haftungsmilderung für Gefälligkeitsverhältnisse lehnt der BGH ab.[19] Dagegen befürwortet ein großer Teil der Lehrmeinung eine analoge Anwendung der gesetzlichen Haftungsmilderungen, die für bestimmte Gefälligkeitsverträge bestehen – hier: § 599 BGB –, auf bloße Gefälligkeitsverhältnisse.[20]
(2) Wenn man die Haftung des B dem Grunde nach bejaht, müssen sich auch Ausführungen zum Anspruchsinhalt anschließen. Insoweit bietet der Sachverhalt fast keine Anknüpfungspunkte. Das kann man klausurtaktisch als stillschweigenden Hinweis darauf deuten, dass die Haftung schon dem Grund nach verneint werden sollte. Anderenfalls sind zum Anspruchsinhalt folgende Punkte zu bedenken:
A kann Ersatz seiner Heilungskosten (§ 249 II BGB) verlangen, soweit sein Ersatzanspruch nicht auf einen Versicherungsträger übergegangen ist (vgl. §§ 116 ff. SGB X; § 86 VVG). Zu ersetzen wäre auch ein Verdienstausfall (§ 252 BGB), soweit dieser Anspruch nicht auf einen Arbeitgeber übergegangen wäre, der zur Lohnfortzahlung verpflichtet ist (vgl. § 6 EFZG). Das darf man beim fortgeschrittenen Lebensalter des B (74 Jahre) ausschließen.
Ein Schmerzensgeld kommt seit Inkrafttreten des Schadensrechtsänderungsgesetzes am 1. August 2002 auch auf vertraglicher Grundlage in Betracht. Das Schadensrechtsänderungsgesetz ersetzte § 847 BGB durch § 253 II BGB. Die Bemessung des Schmerzensgeld liegt im freien richterlichen Ermessen gem. § 287 ZPO.[21] Eine Bezifferung, die sich in der Praxis an Schmerzensgeldtabellen orientiert,[22] wird in Klausuren nicht erwartet. Wegen des schweren Dauerschadens, den A durch seine Erblindung erleidet, kommt neben der Zahlung eines einmaligen Betrags auch eine Schmerzensgeldrente in Betracht.[23]
(3) Bejaht man wegen Annahme grober Fahrlässigkeit oder Nichtanwendung von § 599 BGB einen Schadensersatzanspruch aus § 280 I BGB, ist außerdem ein anspruchsminderndes Mitverschulden des A gem. § 254 BGB zu prüfen. § 254 BGB enthält eine praktisch höchst bedeutsame Durchbrechung des sogenannten Alles-oder-Nichts-Prinzips von § 249 BGB. Der BGH sieht in § 254 BGB eine besondere Ausprägung des grundlegenden Gebots von § 242 BGB, namentlich des Verbots des venire contra factum proprium: Der Geschädigte handelt treuwidrig, wenn er den vollen Ersatz eines Schadens fordert, an dessen Entstehung oder Vergrößerung er selbst mitgewirkt hat.[24] Für die Anwendung der Vorschrift kommt es nicht auf ein Verschulden im technischen Sinne an, denn im Zivilrecht bezieht sich Verschulden grundsätzlich auf den gesamten Haftungstatbestand, somit auch auf die Rechtswidrigkeit bzw. Pflichtwidrigkeit.[25] Es gibt allerdings keine Rechtspflicht, sich selbst nicht zu schaden.[26] § 276 BGB regelt daher in direkter Anwendung nur das Verschulden des Schuldners, nicht aber das eines Gläubigers. Für § 254 BGB ist ein sog. „Verschulden gegen sich selbst“ entscheidend, d. h. die Verletzung einer Obliegenheit, die dem Geschädigten im wohlverstandenen Eigeninteresse obliegt. Maßgebend ist an erster Stelle die Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge von Schädiger und Geschädigtem.
A ist an einem späten Abend nach Einbruch der Dunkelheit in eine ihm fremde, unbeleuchtete, ziemlich enge Garage eingefahren. Nachdem er den Motor abgestellt und das Cabriolet verschlossen hatte, befand er sich in weitgehender Dunkelheit. Er muss sich also gleichsam aus dem Raum hinaus getastet haben. Hätte er dagegen zunächst die Scheinwerfer des Wagens eingeschaltet gelassen, um sich nach dem Aussteigen erst einmal in der Garage umzusehen, so hätte er den tragischen Unfall wohl vermeiden können. Ein erhebliches Mitverschulden liegt somit nahe und führt zu einer Anspruchskürzung. Einer konkreten Bezifferung bedarf es nicht.
II. Anspruch auf Schadensersatz aus § 823 I BGB
A könnte gegen B einen Anspruch auf Schadensersatz gem. § 823 I BGB haben.
1. Rechtsgutsverletzung
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Eine Verletzung des Körpers und der Gesundheit des A liegen offensichtlich vor. Nicht näher erörtert werden muss auch die Frage, ob bei der Verletzungshandlung auf ein aktives Tun (Hinstellen des Rechens) oder auf ein Unterlassen (Nichtbeseitigung eines gefährlichen Zustands) abzustellen ist. Wenn man von einem Unterlassen ausgeht, so ist eine entsprechende Garantenstellung des B allemal zu bejahen. Auch die Kausalität der Verletzungshandlung bzw. die sogenannte Quasikausalität des Unterlassens sind, ebenso wie die Rechtswidrigkeit, ohne weiteres gegeben.[27]
2. Verschulden
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Bzgl. des Verschuldenserfordernisses gilt im Ausgangspunkt nichts anderes als bei der Prüfung von § 280 I BGB. B handelte fahrlässig im Sinne der Legaldefinition des § 276 II BGB. Dann stellt sich jedoch ein Zusatzproblem: Hat man – wie die hier favorisierte Lösung – § 599 BGB bei der Prüfung des Anspruchs aus § 280 I BGB für anwendbar erklärt, muss man nunmehr prüfen, ob diese Haftungsmilderung auf den deliktischen Anspruch durchschlägt.
Seit einem Grundsatzurteil des Reichsgerichts aus dem Jahr 1916[28] folgt die ganz h.M. der so genannten Theorie der Anspruchskonkurrenz. Demnach kommen Vertrags- und Deliktsrecht grundsätzlich nebeneinander („konkurrierend“) zur Anwendung.[29] Die konkurrierenden Ansprüche sind dabei voneinander unabhängig, was gegen eine Übertragung einer Haftungsmilderung vom Vertrags- in das Deliktsrecht spricht. Nach ganz herrschender Lehre, die ebenfalls schon auf die Entscheidung des Reichsgerichts zurückgeht, müssen Haftungsmilderungen, die das Gesetz im vertraglichen Bereich vorsieht, in der Regel aber auch auf konkurrierende Ansprüche aus unerlaubter Handlung übertragen werden.[30] Die Art und Weise der Übertragung der Haftungseinschränkung wird nicht einheitlich gehandhabt. Während eine Position die vertraglichen Haftungseinschränkungen im Deliktsrecht direkt anwenden will,[31] fließen die Haftungsprivilegierungen nach anderer Ansicht über den Grad der Anforderungen an die jeweilige Verkehrssicherungspflicht ein.[32] Da für das Ergebnis bedeutungslos, kann diese Frage als rein dogmatischer Streit dahinstehen.
In der Sache muss es einleuchten,