Handbuch Wirtschaftsprüfungsexamen. Christoph Hillebrand
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Nur in einer solchen weitergehenden Pflicht kann ein Verschulden (korrekter: ein Vertretenmüssen, nämlich einer Pflichtverletzung) begründet sein und nur in diesem Rahmen haftet der Verkäufer für die Vernachlässigung der verkehrsüblichen Sorgfalt (vgl. § 276 Abs. 2), auch durch seine Erfüllungsgehilfen (vgl. 278).
Die Beschaffungspflicht eines Gattungsschuldners ist dabei zwar Primärpflicht, hat aber nicht die Konsequenz des § 276 Abs. 1 a.E. auf Ebene der Sekundäransprüche. Anders als beim Werkliefervertrag (vgl. § 650 S. 1) ist die Herstellungspflicht keine Nebenpflicht des Kaufvertrags, so dass ein Herstellerverschulden dem Verkäufer als (Zwischen-)Händler nicht anzulasten ist, auch nicht über § 278. Lag eine Beeinträchtigung der Kaufsache bereits im Zeitpunkt des Vertragsschlusses vor, so kann ein Verschulden des Verkäufers nur in einer Verletzung etwaiger Kontrollpflichten über seine eigene ordnungsgemäße Lieferfähigkeit liegen; eine solche ist im Massengeschäft sicher zu verneinen. Dafür aber seit 2019 nun die §§ 445a/b, vgl. oben Rn. 94.
D.h. auch, dass es bei nicht behebbaren Mängeln auf den Zeitpunkt ankommt, in dem der Mangel eingetreten ist. Lag der Mangel bereits bei Kaufabschluss vor, sind etwaige Kontroll-, Prüfpflichten schadensersatzbegründend (Hätte der Verkäufer den Mangel kennen müssen?), bei später entstehenden Mängeln dagegen Obhutspflichten (Hätte er ihn verhindern müssen?); parallel zur anfänglichen Unmöglichkeit, vgl. in § 311a Abs. 2 S. 2). Bei behebbaren Mängeln gilt Selbiges. Allerdings tritt bei behebbaren Mängeln im Zeitpunkt des Gefahrübergangs die Beseitigungspflicht (§ 439) als Quelle von Pflichtverletzungen hinzu. Letzteres wirkt sich jedenfalls mit dem Nacherfüllungsverlangen (bzw. mit Ablauf der für die Nacherfüllung angemessenen Frist) dahin aus, dass der Verkäufer ab dann verschuldensunabhängig haftet (§ 276 Abs. 1 a.E.; er hat eine Einstandspflicht für die Lieferung einer mangelfreien Sache mit Kaufabschluss übernommen); aber bereits das Nacherfüllungsverlangen genügt als Mahnung der originären Lieferpflicht einer mangelfreien Sache und führt zur Verzugshaftung ab diesem Zeitpunkt (§§ 280 Abs. 2, 286, 287).
Beispiel:
Ein Betriebsausfallschaden infolge Lieferung einer mangelhaften Sache ist nach § 437 Nr. 3, 280 Abs. 1 bewehrt (Schadensersatz „neben“ der Leistung; nur soweit er noch kompensierbar wäre, ist er solcher „statt“ der Leistung). Insoweit ist § 440 zu beachten sowie das Verschuldenserfordernis. Kommt der Verkäufer sodann durch solche Mahnung in Verzug, kann der Käufer einen nachfolgenden Betriebsausfallschaden alternativ darauf stützen (§§ 437 Nr. 1, 439, 280 Abs. 2, 286; dazu sogleich unter Verzugsfolgen). Problematisch ist aber der „erste“ Betriebsausfallschaden zwischen Ablieferung und Nacherfüllungsverlangen. Dieser scheitert als Mangelrecht und als Verzugsfolge am fehlenden Nacherfüllungsverlangen (Mahnung); er wäre daher nur als Nebenpflichtverletzung nach § 280 Abs. 1 zu ersetzen; dazu fehlt aber wohl regelmäßig eine verletzte Pflicht.[65]
20. Prüfungschema zum Schadensersatz wegen Mangelschäden, § 437 Nr. 3 (Kauf) bzw. § 634 Nr. 4 (Werkvertrag)
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I. | Anspruchsvoraussetzungen 1. Wirksamer Kauf- bzw. Werkvertrag 2. Mangel (§ 434 bzw. § 633) bei Gefahrübergang 3. Nacherfüllung unmöglich, fehlgeschlagen oder verweigert, § 440 bzw. § 636 a) an der Nacherfüllung nicht gehindert, § 320 b) Fruchtloser Ablauf einer angemessenen Frist zur Nacherfüllung, § 281 Abs. 1 S. 1 c) Oder Entbehrlichkeit der Fristsetzung, vgl. §§ 440 bzw. 636: Nacherfüllung fehlgeschlagen, verweigert, unzumutbar oder unmöglich (entbehrlich auch beim Unternehmerregress, § 445a) 4. Verschuldensvermutung, § 280 Abs. 1 S. 2 (in Bezug auf Unmöglichkeit, Fehlschlagen etc. der Nacherfüllung) |
II. | Kein Gewährleistungsausschluss (z.B. § 377 Abs. 2 HGB; § 640 Abs. 3 bei vorbehaltloser Abnahme |
III. | Zulässige Berechnungsart als: 1. Schadensersatz statt der Leistung, §§ 437 Nr. 3, 281 Abs. 1 S. 1, 280 Abs. 1, Abs. 3 2. Schadensersatz neben der Leistung, §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1; parallel Aufwendungsersatz möglich, § 284 |
IV. | Keine Verjährung (§ 438 bzw. § 634a; ggf. §§ 309 Nr. 7, Nr. 8b ff., 307, 476 Abs. 2) |
21. Arten des Schadensersatzes
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Je nach Art des beim Käufer eingetretenen Schadens stehen ihm drei Berechnungsweisen zur Verfügung. Es sind dies der Schadensersatz statt der Leistung, der Schadensersatz neben der Leistung und der Aufwendungsersatz.
Mit dem Schadensersatz statt der Leistung kann der Käufer solche Schäden liquidieren, die entfallen wären, wenn der Verkäufer im Zeitpunkt des Schadensersatzverlangens noch ordnungsgemäß erfüllt hätte. Schadensersatz neben der Leistung betrifft hingegen Schadenspositionen, die bei entsprechender Nacherfüllung bereits nicht mehr entfallen wären und die deshalb nicht alternativ zur Leistung (nicht „statt“), sondern („neben“) kumulativ zur Leistung, also zur Vertragserfüllung beansprucht werden können.
Entgangener Gewinn (vgl. § 252) kann Schadensersatz statt der Leistung sein, wenn die Weiterveräußerungsmöglichkeit nach Ablauf der Nachfrist zur ordnungsgemäßen Erfüllung noch fortbesteht, und Schadensersatz neben der Leistung, wenn sie bereits vorher weggefallen war.[66] Die Kosten eines Deckungskaufs sind, soweit dieser nur zur vorübergehenden Überbrückung dient, Schadensersatz neben der Leistung, beim dauerhaften Deckungskauf Schadensersatz statt der Leistung.
Schadensersatz statt der Leistung setzt deshalb regelmäßig eine Nachfristsetzung voraus (vgl. § 281 Abs. 1), die nur ausnahmsweise (vgl. § 281 Abs. 2) und v.a. bei Unmöglichkeit der Nacherfüllung (vgl. § 283) entbehrlich ist. Schadensersatz neben der Leistung (vgl. § 280 Abs. 1) bedarf zu seiner Geltendmachung keiner Nachfristsetzung, weil diese Schadenspositionen gerade unabhängig von einer Nacherfüllung entstehen.
Diese Unterscheidung ist im Hinblick auf den Ersatz vergeblicher Aufwendungen (vgl. § 284) relevant. Das sog. Frustrationsinteresse („frustrierte Aufwendungen“) kann der Käufer nur alternativ zum Schadensersatz statt der Leistung, ohne Weiteres jedoch ergänzend zum Schadensersatz neben der Leistung geltend machen (anders z.T. nach der Rentabilitätsvermutung[67]).
Beispiel