Unternehmenskriminalität ohne Strafrecht?. Charlotte Schmitt-Leonardy

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Unternehmenskriminalität ohne Strafrecht? - Charlotte Schmitt-Leonardy страница 56

Unternehmenskriminalität ohne Strafrecht? - Charlotte Schmitt-Leonardy Schriften zum Wirtschaftsstrafrecht

Скачать книгу

zweifelsfrei als „Schädiger“ bestimmter Rechtsgüter identifiziert wurde, steht die Suche nach dem persönlich Verantwortlichen an ihrem Anfang. Agieren mehrere Mitarbeiter arbeitsteilig derart zusammen, dass jeder einzelne ein geringes Maß an Verantwortung innerhalb des gesamten kriminellen Vorgangs hat, kann er strafrechtlich nicht oder schwer zur Verantwortung gezogen werden. Die dahinter stehende Organisation kann so aufgebaut sein, dass allenfalls die tatsächlich handelnden, „unteren“[1] Ebenen strafrechtlich fassbar sind, deren Schuld wiederum überwiegend gering sein wird. Desweiteren liegt nahe, dass die Erschütterung „gesellschaftlich notwendigen Vertrauens“, wenn man sie als ein Merkmal der Wirtschaftskriminalität auffassen will,[2] in einem stärkeren Maße durch kriminelle Unternehmenstätigkeit erfolgen kann, als durch ein individuelles wirtschaftskriminelles Verhalten. Letztere kann man durchaus als Verhaltensweisen beschreiben, die – mittelbar oder unmittelbar – eine Verletzung gesellschaftlich notwendigen Vertrauens, welches Funktionsvoraussetzung für die sehr komplexen Wirtschaftsabläufe der heutigen Zeit ist, bedeuten. Des Weiteren scheinen Unternehmen als arbeitsteilig organisierte Einheiten ohne den individuell Verantwortlichen und grundverschiedenen internen Arbeitsabläufen von außen schwer einsehbar. Es handelt sich also um einen Wirtschaftsakteur, dem die Gesellschaft – mangels Einblick- und Kontrollmöglichkeit – Vertrauen entgegenbringen muss: Sowohl Verbraucher müssen sich hinsichtlich der Produktionstätigkeit auf Qualität und Fairness verlassen, als auch andere Marktteilnehmer müssen sich beispielsweise hinsichtlich der Einhaltung bestimmter Wettbewerbsregeln auf Unternehmen „einlassen“, ohne sie selbst betreffende Prozesse kontrollieren zu können. Insofern ist anzunehmen, dass ein möglicher Vertrauensbruch weitreichendere Konsequenzen hat, weil er in diesem Kontext weniger mit „individuellem Versagen“ gerechtfertigt werden kann und der Bezug zum „Systemvertrauen“[3] insofern deutlicher ist. Schließlich scheint das Unternehmen als „Lernkontext“ prädestiniert zu sein, weil hier Mitarbeiter miteinander auf Produktionsziele hinarbeiten und zudem Vorgaben durch höhere Hierarchieebenen eine Rolle spielen.

      145

      

      Anmerkungen

       [1]

      Also in der Hierarchie des Unternehmens unten angesiedelten Angestellten, die gleichzeitig am meisten Weisungen unterworfen sind.

       [2]

      Bejahend: Schwind Kriminologie, § 21 Rn. 17 m. w. N.; Boers/Nelles/Theile Wirtschaftskriminalität und die Privatisierung der DDR-Betriebe, S. 27; verneinend: Eisenberg Kriminologie, § 47 Rn. 5 m. w. N.

       [3]

      Vgl. zu diesem Begriff Otto MschrKrim 1980, 397 (399 ff.).

       [4]

      So der Fokus von Hefendehl MschrKrim 2003, 27 (27).

      Teil 1 Interdisziplinäre Grundlagen der UnternehmenskriminalitätC › IV. Unternehmenskriminalität – ein „täter“orientierter Versuch der Begriffsbildung

      146

      147

      Anmerkungen

       [1]

      Vgl. zu dieser wissenschaftlichen Tradition mit zahlreichen Nachweisen: Meyer Qualitative Forschung in der Kriminologie, S. 31 ff., die diesen Ansatz für eine Biographiestudie zu Jugendgewalt fruchtbar macht.

       [2]

      Kaiser Kriminologie, S. 471.

      

Скачать книгу