Kommunikationswissenschaft. Roland Burkart

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Kommunikationswissenschaft - Roland Burkart

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– Verständigung zwischen einem·einer Kommunikator·in und wenigstens einem Teil des dispersen Publikums tatsächlich zustande kommt, ist in der Regel vorhanden.

      Der Prozess der Massenkommunikation kann somit sehr wohl als ein grundsätzlich kommunikatives Geschehen verstanden werden, in dem Kommunikation auch tatsächlich gelingen kann, aber nicht notwendigerweise gelingen muss.

      Was nun die spezielle Intention kommunikativen Handelns (also: das Interesse des jeweils Handelnden) sowie das variable Ziel (die Realisierung seines jeweiligen Interesses) betrifft, so scheint hier eine weitere Besonderheit massenmedial verbreiteten kommunikativen Handelns vorzuliegen: Man kann eine Übergewichtung des „situationsbezogenen“ Interesses6 unterstellen. Ich würde sogar die These vertreten, dass bei (vielen) öffentlichen Aussagen das inhaltsbezogene Interesse von einem bestimmten situationsbezogenen Interesse überlagert, wenn nicht sogar dominiert wird.

      Publizität meint (im Anschluss an Groth 1960) „die grundsätzliche Zugänglichkeit der Aussage für jedermann“ (Merten 1999: 147). Publizität ist die unumstößliche Konsequenz der Veröffentlichung einer Aussage via Massenkommunikation. Im Prinzip kann dann jeder von der vermittelten Botschaft wissen, niemand ist vom Empfang des Inhalts ausgeschlossen (Groth 1998: 49 ff.).7

      Das bedeutet im Klartext: Diejenigen, deren kommunikatives Handeln infolge seiner massenmedialen Verbreitung öffentlichen Charakter gewinnt, schöpfen bereits aus dem Umstand, dass sie mit ihren Äußerungen öffentliche Präsenz gewinnen, eine zentrale Motivation zur Produktion von Aussagen. Damit soll keineswegs die Existenz eines „inhaltsbezogenen“ Interesses öffentlicher kommunikativer Handlungen geleugnet werden. Der Hinweis auf die Übergewichtung dieses speziellen „situationsbezogenen“ Interesses deutet vielmehr auf eine grundsätzlich neue Qualität kommunikativen Handelns hin, die dieses erst durch seinen öffentlichen Charakter gewinnt.

      Dazu sei abermals auf Kob verwiesen, der in diesem Zusammenhang von der „Attraktion der Publizität“ (1978: 394) spricht. Publizität stellt für ihn nicht nur einen elementaren Anlass für öffentlich-kommunikatives Handeln dar, er sieht darin auch eine zentrale Motivation der Zuwendung seitens derer, die diese veröffentlichten Aussagen rezipieren. Für beide Seiten (Kommunikator·innen wie Rezipient·innen) sei es nämlich vorrangig diese Attraktion der Publizität, die sie zum Handeln bringt. Kob unterscheidet verschiedene Interessen, die hier im Spiel sind:

      •Das Interesse an eigener Publizität.

      Öffentliche Präsenz ist heute längst für alle möglichen Organisationen und Institutionen sowie diverse Personengruppen – ob aus Politik, Wirtschaft oder Kultur (Kunst, Wissenschaft) – existenznotwendig geworden.8 Publizität via Massenkommunikation ist nach wie vor ein probates Mittel, um öffentliche Aufmerksamkeit zu erlangen.

      •Das Interesse zu publizieren.

      Damit meint Kob das Interesse (z. B. von professionellen Journalist·innen), Tatbestände, Ereignisse, Personen, Ideen etc. (also: materielle und geistige Produkte) öffentlich – und damit potentiell jedermann – zugänglich zu machen.

      •Das Interesse des Publikums am publik Gemachten.

      Wie bereits erwähnt, ist auch für die Rezipient·innen der „publizistische Charakter“ solcher öffentlichen (genauer: veröffentlichten) Produkte vielfach der eigentliche Anlass, sich den Medien zuzuwenden. Man nimmt „Erscheinungen wahr, von denen man weiß, dass gewichtige soziale Institutionen sie für allgemein relevant halten und dass gleichzeitig eine Unzahl anderer Menschen in der weiteren und näheren Umwelt ebenfalls auf sie aufmerksam sind. Der publizistische Charakter dieser Produkte hebt sie für den Rezipienten eben über den Bedeutungshorizont beliebiger sonstiger menschlicher Äußerungen hinaus, denen er alltäglich begegnet, denn damit signalisieren sie ihm gesellschaftlich sehr generelle Aufmerksamkeitsschwerpunkte“ (Kob ebd.: 395).

      Es soll nicht unerwähnt bleiben, dass „Publizität als Vermittlung von Politik und Moral“ (Habermas 1990: 178) bereits im Jahre 1796 von niemand Geringerem als dem deutschen Aufklärungsphilosophen Immanuel Kant (1724–1804) eingeführt wurde. Nach Kants Auffassung sollte das Prinzip der Publizität den·die Gesetzgeber·in sowohl beim Prozess der Gesetzgebung, als auch bei „der nachträglichen Beurteilung der Rechtmäßigkeit politischer Entscheidungen“ (Rühl 1999: 126) leiten. In den Worten Kants: „Alle auf das Recht anderer Menschen bezogene Handlungen, deren Maxime9 sich nicht mit der Publizität verträgt, sind unrecht“ (Kant 1968: B 98–99; zit. n. Rühl: ebd.).

      Als Ergebnis der hier diskutierten Begriffsbestimmung lässt sich nun formulieren:

      Massenkommunikation ist ein via Massenmedien organisierter öffentlicher, indirekter (in der Regel) einseitiger aber dennoch grundsätzlich kommunikativer Prozess, in dem die Chance auf gelingende Kommunikation (wie sie in diesem Buch definiert worden ist) durchaus besteht.

      Abseits inhaltlicher Zielsetzungen sind die kommunikativen Handlungen (sowohl auf der Kommunikator·innen- als auch auf der Rezipient·innenseite) zudem von einem speziellen Interesse her motiviert: von der Attraktivität der Publizität.

      Diese Publizität zu erzeugen, ist eine fundamentale Leistung der publizistischen Medien10. Publizistik11 „stellt Öffentlichkeit für Personen und Sachverhalte her und macht diese bekannt“ (Saxer 2002: 3). Gegen den (älteren) Begriff Publizität, der ursprünglich mit der (im Rahmen der Französischen Revolution) erkämpften Presse- und Meinungsfreiheit im nachabsolutistischen Staat verbunden war, hat sich nach und nach der modernere Begriff der Öffentlichkeit durchgesetzt (vgl. Rühl 1999: 125 ff.). Kommunikation, die in der Öffentlichkeit stattfindet, ist daher auch ein zentraler Fokus der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft. Was versteht man aber genau unter Öffentlichkeit, wofür ist sie wichtig und wie entsteht sie heute? Der Terminus öffentlich wird im deutschen Sprachraum in der Regel als Gegensatz zu privat verwendet. Diese Unterscheidung ist tief im abendländischen Denken verankert (Peters 1994, Weintraub 1997) und gilt als „fundamental für moderne, liberale politische und rechtliche Ordnungen“ (Peters 1994: 43). Nicht zufällig wird privat auch mit Etikettierungen wie vertraulich und geheim verbunden, denn es geht um eine soziale „Grenzziehung im Bereich von Kommunikation und Wissen“ (ebd.).

      Mit Privatheit ist derjenige Bereich gemeint, in dem Menschen ihren natürlichen Affekten (v. a. innerhalb der familiären Intimsphäre) „und ihren privaten Geschäften (Markt) nachgehen“ (Imhof 2003: 193). Private, vertrauliche oder geheime Aktivitäten geschehen abgeschirmt „gegenüber Beobachtung oder Kenntnis von Unbefugten“ (Peters 1994: 44) und gelten als legitim (wie z. B. das Brief- oder das Geschäftsgeheimnis). Sogar in modernen Demokratien, die vielfach auf Transparenz setzen, werden Ausnahmen (wie Staatsgeheimnisse oder Beratungen hinter verschlossenen Türen) weithin anerkannt (ebd.).

      Öffentlich nennen wir dagegen Plätze, Häuser oder „Veranstaltungen, wenn sie, im Gegensatz zu geschlossenen Gesellschaften, allen zugänglich sind“ (Habermas 1990: 54). Diese Zugänglichkeit impliziert Situationen, in denen man auch mit „der

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