Verändere dein Bewusstsein. Michael Pollan

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Verändere dein Bewusstsein - Michael Pollan

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ich meinen Geist als psychologisches Labor, deshalb beschloss ich, freiwillig teilzunehmen.

      Das war noch bevor man die Bedeutung von Set und Setting begriff. Man führte mich in einen Kellerraum, gab mir eine Spritze und ließ mich allein.» Die beste Voraussetzung für einen Horrortrip, doch Richards erlebte genau das Gegenteil. «Ich hatte das Gefühl, in eine unglaublich detailreiche Bilderwelt einzutauchen, die wie islamische Architektur aussah, mit arabischer Schrift, über die ich nichts wusste. Und dann verwandelte ich mich irgendwie in diese verschlungenen Muster und verlor meine gewohnte Identität. Und ich kann bloß sagen, dass sich der ewige Glanz mystischen Bewusstseins offenbarte. Mein Bewusstsein war überflutet von Liebe, Schönheit und Frieden, weit über alles hinaus, was ich je gekannt oder für möglich gehalten hatte. ‹Ehrfurcht›, ‹Herrlichkeit› und ‹Dankbarkeit› waren die einzigen Worte, die noch Gültigkeit besaßen.»

      Die Schilderungen derartiger Erfahrungen klingen stets ein bisschen dürftig, zumindest im Vergleich zu der emotionalen Wucht, die vermittelt werden soll; für ein lebensveränderndes Ereignis wirken die Worte geradezu läppisch. Als ich das Richards sagte, musste er lächeln. «Sie müssen sich einen Höhlenmenschen vorstellen, der mitten nach Manhattan versetzt wurde. Er sieht Busse, Mobiltelefone, Wolkenkratzer, Flugzeuge. Und dann zappen Sie ihn in seine Höhle zurück. Was erzählt er über seine Erfahrung? ‹Es war groß, es war eindrucksvoll, es war laut.› Er hat nicht den Wortschatz, um ‹Wolkenkratzer›, ‹Aufzug›, ‹Mobiltelefon› zu sagen. Vielleicht spürt er, dass die Szene irgendeine Aussagekraft oder Ordnung hatte. Doch wir brauchen Wörter dafür, die es noch nicht gibt. Wir haben fünf Buntstifte, brauchen aber fünfzigtausend verschiedene Farbtöne.»

      Mitten in seiner Reise kam einer der Fachärzte vorbei, um nach Richards zu sehen, und bat ihn, sich aufzusetzen, damit er seine Reflexe testen konnte. Als der Arzt mit seinem Gummihämmerchen auf seine Patellasehne klopfte, empfand Richards, wie er sich erinnert, «Mitleid mit der noch in den Kinderschuhen steckenden Wissenschaft. Die Forscher hatten keine Ahnung, was in meiner inneren Erfahrungswelt vor sich ging, sie wussten nichts von ihrer unaussprechlichen Schönheit oder ihrer potenziellen Bedeutsamkeit für uns alle.» Ein paar Tage nach der Erfahrung kehrte Richards in das Labor zurück und fragte: «Was für eine Droge haben Sie mir gegeben? Wie schreibt man das? Und der Rest meines Lebens besteht aus Fußnoten dazu!»

      Aber nachdem in der Folge mehrere Psilocybin-Sitzungen keine mystische Erfahrung auslösten, fragte sich Richards, ob er den ersten Trip vielleicht überhöht hatte. Etwas später kam Walter Pahnke kurz nach seiner Doktorarbeit bei Timothy Leary in Harvard an die Universität, und die beiden wurden Freunde. (Es war Richards, der Pahnke während eines gemeinsamen Deutschlandaufenthalts zu dessen erstem psychedelischen Trip verhalf; offenbar hatte er in Harvard weder LSD noch Psilocybin genommen, weil er dachte, das könne die Objektivität des Karfreitagsexperiments beeinträchtigen.) Pahnke schlug vor, Richards solle es noch mal versuchen, diesmal aber in einem Raum mit gedämpfter Beleuchtung, Pflanzen und Musik und mit einer höheren Dosis. Wieder hatte Richards «eine unglaublich tiefgehende Erfahrung. Ich begriff, dass ich den ersten Trip nicht überhöht, sondern achtzig Prozent davon vergessen hatte. Ich habe nie an der Stichhaltigkeit dieser Erfahrungen gezweifelt. Das war das Reich mystischen Bewusstseins, von dem Shankara sprach, von dem Plotin schrieb, von dem Johannes vom Kreuz und Meister Eckhart schrieben. Es ist auch das, wovon Maslow mit seinen ‹Grenzerfahrungen› sprach – obwohl Abe dazu keine Drogen brauchte.» Richards studierte später an der Brandeis University unter Maslow Psychologie. «Abe war der geborene jüdische Mystiker. Er konnte sich einfach hinten in den Garten legen und eine mystische Erfahrung haben. Psychedelika sind für diejenigen von uns da, die nicht von Natur aus so begabt sind.»

      Richards gewann aus diesen ersten psychedelischen Erkundungen drei unerschütterliche Überzeugungen. Die erste lautet, dass die Erfahrung des Heiligen, von der sowohl die großen Mystiker als auch Leute auf dosisintensiven psychedelischen Reisen berichten, die gleiche Erfahrung und «real» ist – d. h. nicht bloß eine Ausgeburt der Fantasie.

      «Wer tief oder weit genug in sein Bewusstsein vordringt, stößt auf das Heilige. Das ist nichts, was wir erzeugen, sondern etwas, das irgendwo darauf wartet, entdeckt zu werden. Und das passiert zuverlässig Ungläubigen genauso wie Gläubigen.» Die zweite lautet, dass diese Erfahrungen mystischen Bewusstseins, ob ausgelöst durch Drogen oder etwas anderes, aller Wahrscheinlichkeit nach die Hauptgrundlage von Religion darstellen. (Nicht zuletzt deshalb findet Richards, dass Psychedelika für Theologiestudenten zur Ausbildung gehören sollten.) Und die dritte, dass das Bewusstsein eine Eigenschaft des Universums und nicht des Gehirns ist. In dieser Frage hält er es mit dem französischen Philosophen Henri Bergson, der den menschlichen Geist als eine Art Funkempfänger auffasst, der sich auf Energiefrequenzen und außerhalb seiner selbst existierende Informationen einschwingen kann. «Wenn man die Blondine finden will, die letzte Nacht die Nachrichten moderiert hat», erklärte Richards in Analogie dazu, «sucht man sie nicht im Fernsehgerät.» Der Fernseher ist, genau wie das menschliche Gehirn, zwar vonnöten, reicht aber nicht aus.

      Nachdem Richards sein Aufbaustudium beendet hatte, nahm er Ende der 1960er Jahre eine Stelle als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Spring Grove State Hospital in der Nähe von Baltimore an, wo sich im Stillen, weit entfernt von dem Lärm und grellen Glanz, der Timothy Leary umgab, eine äußerst unwahrscheinliche, den Fakten zuwiderlaufende Geschichte der Psychedelik-Forschung abspielte. Es handelt sich hier um einen Fall, wo die Kraft der Leary-Erzählung die überlieferte Geschichte verbogen hat, sodass viele von uns glauben, vor Learys Ankunft in Harvard habe es dort keine seriöse Psychedelik-Forschung gegeben und nach seiner Entlassung gar keine mehr. Doch bis zu dem Tag im Jahr 1977, an dem Bill Richards seiner letzten Versuchsperson Psilocybin verabreichte, betrieb Spring Grove aktiv (und ohne große Kontroverse) eine ehrgeizige Psychedelik-Forschung – vieles davon gefördert vom National Institute of Mental Health – mit Schizophrenen, Alkoholikern und anderen Suchtkranken, Krebspatienten, die mit Ängsten kämpften, sowie theologischen und psychologischen Fachkräften und Patienten mit schweren Persönlichkeitsstörungen. Von Anfang der 1960er bis Mitte der 1970er Jahre erhielten mehrere Hundert Patienten und Probanden in Spring Grove psychedelische Therapien. In vielen Fällen erzielten die Forscher in gut konzipierten Studien sehr gute Ergebnisse, die regelmäßig in von Fachkollegen geprüften und begutachteten Zeitschriften wie dem Journal of the American Medical Association (JAMA) oder The Archives of General Psychiatry veröffentlicht wurden. (Roland Griffiths ist der Meinung, ein Großteil dieser Forschung sei «fragwürdig», Richards dagegen sagte: «Diese Studien waren nicht so schlecht, wie Roland unterstellt.») Es ist bemerkenswert, wie viel von der Arbeit, die heute an der Hopkins University, der NYU und andernorts verrichtet wird, in Spring Grove vorweggenommen wurde; es ist in der Tat kaum ein gegenwärtiges Experiment mit Psychedelika zu finden, das in den 1960er und 1970er Jahren nicht schon in Maryland durchgeführt wurde.

      Zumindest am Anfang erhielt die psychedelische Arbeit in Spring Grove viel öffentliche Unterstützung. 1965 zeigte CBS News einen begeisterten einstündigen «Sonderbericht» über die Arbeit der Klinik mit Alkoholikern, der den Titel LSD: The Spring Grove Experiment trug. Die Reaktionen auf die Sendung waren so positiv, dass das Parlament Marylands auf dem Campus des Spring Grove State Hospital eine mehrere Millionen Dollar teure Forschungseinrichtung namens Maryland Psychiatric Research Center einrichtete. Stan Grof, Walter Pahnke und Bill Richards wurden als Leiter eingestellt, zusammen mit Dutzenden weiterer Therapeuten, Psychiater, Pharmakologen und Betreuungspersonal. Ähnlich schwer zu glauben ist, was Richards erzählte: «Jedes Mal, wenn wir jemanden einstellten, haben wir mit ihm als Teil der Ausbildung für die spätere Arbeit ein paar LSD-Sitzungen durchgeführt. Dazu waren wir bevollmächtigt! Wie sollte man sonst nachempfinden können, was im Kopf des Patienten vorging? Ich wünschte, wir könnten das an der Hopkins tun.»

      Die Tatsache, dass ein derart ehrgeiziges Forschungsprogramm in Spring Grove bis Mitte der siebziger Jahre fortgeführt werden konnte, deutet darauf hin, dass die Geschichte von der Unterdrückung der Psychedelik-Forschung etwas komplizierter ist als allgemein angenommen. Obwohl es stimmt, dass einige Forschungsprojekte – wie Jim Fadimans Kreativitätsexperimente

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