Gelassene Eltern – glückliche Geschwister. Laura Markham
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Das bedeutet also, dass Eltern, die angemessene Erwartungen stellen und ihre Kinder darin unterstützen, diese Erwartungen zu erfüllen, Kinder erziehen, die wahrscheinlich eher miteinander auskommen. Strenge und nachgiebige Eltern andererseits erziehen Kinder, die häufiger streiten.
Warum Bestrafung und Nachgiebigkeit dazu führt, dass sich Geschwister noch mehr streiten
Die Meisten von uns wissen instinktiv, warum Nachgiebigkeit unseren Kindern nicht dabei hilft, sich zu verstehen. Wenn wir wollen, dass sie sich gut behandeln, müssen wir eine klare Erwartungshaltung darüber festlegen, wie wir zu Hause miteinander umgehen, und unsere Kinder darin unterstützen, diesen Erwartungen gerecht zu werden. Aus diesem Grund kann der Ratschlag, dass Eltern die meisten Streitigkeiten unter Geschwistern ignorieren sollten, kontraproduktiv sein. Dies wird in Teil 2 eingehender erklärt.
Für Eltern ist es dennoch oftmals schwer zu verstehen, warum Bestrafung dazu führt, dass Geschwister mehr streiten. Schließlich bestrafen wir, um für die Einhaltung unserer Grenzen zu sorgen und wichtige Lektionen zu lehren. Warum sollte das dazu führen, dass unsere Kinder weniger nett zueinander sind?
Betrachten wir dieses Thema durch die Augen des Kindes, so erhalten wir einige überraschende Einblicke. Aus der Sicht Ihres Kindes ist Disziplin kein Mittel, um ihm angemessenes Verhalten beizubringen. Vielmehr versteht Ihr Kind ganz richtig Disziplin als eine Möglichkeit, wie Sie mit Konflikten umgehen, wenn Familienmitglieder wütend sind oder kollidierende Wünsche haben. Mit anderen Worten, die Art und Weise, wie Sie Ihr Kind maßregeln, nimmt sich Ihr Kind als Vorbild für den Umgang mit zwischenmenschlichen Problemen. Somit lehrt Bestrafung, bei der Gewalt angewendet wird, immer dann Gewalt gegenüber dem Bruder oder der Schwester anzuwenden, wenn ein Problem gelöst werden muss.
Möchten Sie noch ein paar weitere Einblicke darüber erhalten, wie Ihr Kind Bestrafung empfindet und wie diese Ihr Kind und seine Beziehungen zu seinen Geschwistern prägt?
1 Bestrafung hat zur Folge, dass Kinder versuchen, weitere Bestrafungen zu vermeiden. Dies ist nicht das Gleiche, wie wenn einem andere am Herzen liegen. Sie lernen vielleicht, nicht ihren Bruder oder Schwester zu schlagen, unterlassen dies aber nur, weil sie nicht noch mehr Ärger bekommen wollen, und nicht, weil sie damit ihrem Bruder oder ihrer Schwester wehtun. Bestrafung verzögert die Entwicklung von Empathie. Dadurch ist es für Kinder schwieriger, die Perspektive des Bruders oder der Schwester wahrzunehmen.15
2 Setzt man Grenzen ohne empathisches Einfühlen, so nimmt man den Kindern die Möglichkeit, Selbstdisziplin zu verinnerlichen.16 Niemand mag kontrolliert werden, somit überrascht es nicht, dass Kinder Grenzen ablehnen, die nicht empathisch sind. Wenn Kinder sich unseren Grenzen widersetzen, nehmen sie die »Kontrolle« außerhalb von sich wahr. So verrückt es auch klingen mag, dies bedeutet, dass sie es als Ihre Aufgabe ansehen, sie davon abzuhalten, ihren Bruder anzugreifen, wenn sie wütend sind, und nicht als ihre eigene Aufgabe, sich zu regulieren. Wenn wir Grenzen setzen, bei denen sich das Kind verstanden fühlt, verinnerlicht es am Ende unsere Grenzen – und übernimmt Verantwortung für sich, sogar wenn keine Autoritätsperson anwesend ist.17
3 Kinder, die mit Bestrafung aufwachsen, lernen, diese gegen ihre Geschwister einzusetzen, um ihre eigene Position und Macht zu erhöhen. Wenn Kinder wissen, dass ihr(e) Konkurrent(in) bestraft werden wird, haben sie einen Anreiz zu petzen, denn so können sie entweder dem Geschwisterkind wehtun oder die Rolle des »braven Kindes« einnehmen.“ (Mehr über Petzen in Kapitel 4.)
4 Wenn Geschwister dafür bestraft werden, dass sie sich streiten, werden sie nachtragender zueinander und konzentrieren sich mehr darauf, sich zu rächen. Oftmals geraten sie in einen negativen Kreislauf von aufwiegelnden Konflikten und versuchen es so darzustellen, dass es die Schuld des anderen Kindes ist.
5 Wenn Kinder mit strafender Disziplin aufwachsen, neigen sie eher zu Wut und Depression.18 Das liegt daran, weil wir ihnen beibringen, dass der Teil ihres Ichs, der ihre Emotionen ausmacht, für uns nicht annehmbar ist. Da die Eltern ihnen nicht dabei helfen zu lernen, wie sie mit diesen schwierigen Gefühlen umgehen können, werden sie allein gelassen und versuchen für sich herauszufinden, wie sie ihre »niederen« Impulse überwinden können. Aus diesem Grund haben sie Probleme, ihre Wut zu beherrschen und neigen dazu, dies an ihren Geschwistern auszulassen, die sich in den meisten Fällen in unmittelbarer Nähe befinden.
6 Bestrafung lehrt Angst. Kinder lernen, was sie erleben und was Sie vorleben. Wenn Kinder das tun, was Sie wollen, weil sie Angst vor Ihnen haben, ist es nur noch ein kleiner Schritt zum Tyrannisieren. Wenn Sie schreien, werden die Kinder schreien. Wenn Sie Gewalt anwenden, werden die Kinder Gewalt anwenden. Und zwar gegen jede(n), gegen die oder den sie es können – auch ihre Geschwister.
Vielleicht ist es nicht leicht zu hören, aber die Forschungsergebnisse sind eindeutig: Kinder lernen durch Bestrafung am Ende völlig unbeabsichtigte Lektionen über die Themen Macht ausüben, Streitigkeiten beilegen und Umgang mit aufwühlenden Gefühlen. Somit gefährdet es für gewöhnlich nicht nur die Entwicklung Ihres Kindes, wenn Sie es bestrafen, sondern es hat einen negativen Einfluss auf die Beziehung Ihrer Kinder zueinander.
Disziplin überdenken
Und wie ist es mit Disziplin? Wie kann sie in Beziehung zu unserer Diskussion über Bestrafung gebracht werden? Das Wort »Disziplin« bedeutet im eigentlichen Sinne »anleiten« und leitet sich vom lateinischen Wort discere – »lernen« ab. Bestrafung hat mehr mit Gewalt zu tun als mit Anleitung. Die Definition des Wortes Bestrafung lautet: einer anderen Person emotionalen oder physischen Schaden zufügen, um diese dazu zu bringen, das zu tun, was man ihr sagt. Aber in unserer Kultur ist meistens das, was wir für Disziplin halten, tatsächlich darauf ausgerichtet, dem Kind emotional (und manchmal physisch) wehzutun, damit es das tut, was wir wollen. Insofern ist Disziplin, wie wir sie verstehen und über sie denken, eine Form der Bestrafung.
Da das Wort »Disziplin« so oft und hartnäckig missverstanden wird, schlage ich vor, dass wir das Wort nicht verwenden. Stattdessen wollen wir bewusst die »Disziplin hinter uns« lassen und uns als Eltern verstehen, die mit liebevoller Führung ihre Kinder coachen. Was würde das ändern? Nun, es würde zunächst unser Verständnis über unsere Kinder verändern. Anstatt zu glauben, unsere Kinder bräuchten »Disziplin«, damit sie sich nach unseren Vorstellungen benehmen, würden wir sie mit komplett anderen Augen sehen.
1 Kinder werden geboren und müssen sich mit einem Erwachsenen verbunden fühlen, der sie leiten wird. Kinder werden unserer Führung folgen und diese Eltern-Kind-Verbindung beschützen, solange diese nicht ihre Integrität gefährdet. Wenn Sie mit Ihrem Kind verbunden bleiben, dann wird es kooperieren wollen. Wenn es dies nicht will, dann weil es nicht kann und es Ihre Hilfe bei den Emotionen braucht, die sein unangemessenes Verhalten steuern.
2 Fragen Sie sich, ob so manches Fehlverhalten daher rührt, dass das Kind einfach das tut, was es will? Aber selbstverständlich! Doch in diesem Fall ist es ein