Die größten Klassiker der deutschen Literatur: Sturm und Drang. Johann Gottfried Herder

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Die größten Klassiker der deutschen Literatur: Sturm und Drang - Johann Gottfried Herder

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fremden Eingaͤnge in den Geſpraͤchen: ſcheint mir ein Putz, den die Philoſophiſche Wuͤrde nicht braucht. Denkende Leſer fuͤhrt er von der Betrachtung der Wahrheit ſelbſt ab: ſie muͤſſen ſich von den Spazziergaͤngen nachher wieder zuruͤck finden: und wer blos wegen dieſer Einkleidungen lieſet — fuͤr den hat Moſes nicht geſchrieben: eine Braut blos wegen ihres Putzes lieben, iſt laͤcherlich. Der Weiſe ſehe ſeinen Gegenſtand ſo helle als Moſes; er zeige ihn im rechten Geſichtspunkte, er leite die Jdeen natuͤrlich fort, er habe die Erlaͤuterungen, und die Sprache in ſeiner Gewalt: ſo wird eine ſimple Abhandlung draus werden, ohne Trockenheit und fremden Schmuck; ſie wird ihren ganzen Zweck erreichen, einem Leſer, der Wahrheit ſucht und liebt, ohne Zwang und Umwege, ein Geleitsmann zu ſeyn — wozu? nicht zu lernen, ſondern ſelbſt zu denken. So ſind die Abhandlungen im 2ten Theil der Philoſophiſchen Schriften; einige Litteraturbriefe, die eigene Betrachtungen liefern, vielleicht von eben dem Verfaſſer, und — die Leßingſchen Abhandlungen.

      Der Kern ſeiner Schriften enthaͤlt viele Samenkoͤrner von großen Wahrheiten, neuen Beobachtungen und einer merkwuͤrdigen Beleſenheit: die Schale derſelben iſt ein muͤhſam geflochtenes Gewebe von Kernausdruͤcken, Anſpielungen und Wortblumen. Der Philolog hat, damit ich mich ſeines eigenen Zeugniſſes bediene:

      Geleſen:) und allerdings, ſehr viel, ſehr weitlaͤuftig und mit Geſchmack geleſen (multa et multum legit); allein die Balſamduͤfte vom Aetheriſchen Tiſch der Alten, mit einigen Vapeurs der Gallier und dem Brodem der Brittiſchen Laune vermiſcht, ſind zu einer Wolke geworden. Dieſe umhuͤllt ihn, er mag ſtrafen, oder weißagen (die beiden Verrichungen ſeiner Schriften), wie die Juno, wenn ſie den Ehebrecher belauſcht, oder die Pythiſſe, wenn ſie Weißagungen in Kabbaliſtiſcher Proſe murmelt. Seine Beleſenheit iſt alſo zuſammen gefloſſen, ſo wie die Koͤnigliche Schrift, auf unzuſammenhaͤngend Papier geſchrieben, dies zuerſt thut. — Jndeſſen wuͤrde oft freilich eine kleine naͤhere Anzeige der Spruchſtelle, woruͤber er commentirt, vieles entraͤzeln, aber auch verrathen; und da ich ſelbſt unter die ſtummen Leſer ſeiner Schriften gehoͤre; ſo bin ich nicht in der Lage, hier Errathungen fuͤr Geſichtspunkte angeben zu koͤnnen.

      Beobachtet) Seine Bemerkungen vereinigen eine ganze Ausſicht in einen Geſichtspunkt: hier ſtehe aber ein Leſer, der dieſen Punkt treffe, der ſein Auge, der ſeine Laune zu Beobachtungen hat — ſonſt ſieht er verzogne Stellungen, und Schimmel ſtatt eines Mikroſcopiſchen Waͤldchens. Leſer, der du bieſe hingeworfne Beobachtungen verſtehen, brauchen, ergaͤnzen kannſt: du haſt ſie erfunden!

      Gedacht:) wie es ſcheint, uͤber Schriften, die ihm ein Aergerniß oder eine Augenweide geweſen — und uͤber Vorfaͤlle, dazu er allein den Schluͤſſel behaͤlt. Weil er aber die Spinnengewebe der Syſteme haßt: ſo iſt jeder Gedanke eine unaufgefaͤdelte Perle; jeder Gedanke iſt in ein Wort eingekleidet, ohne welches er ihn nicht denken und ſagen konnte.

      Angenehme Worte geſucht und gefunden.) Seine Annehmlichkeiten ſind keine Folgen von gelernten Regeln: ſeine Fehler ſind ſo gar, bis auf die Einkleidungen, Anſpielungen und Licht und Schatten, bei ihm regelmaͤßig. Vielleicht hat ihn alſo der ehrliche Fulbert Kulmius, umſonſt zum Schuͤler der Baumgartenſchen Aeſthetik zu machen geſucht, und vielleicht haͤtte ihn der 254ſte Litteraturbrief nicht eben nach allen Regeln zum Verbrecher des Stils machen doͤrfen. Erfindung und Zeichnung ſind Fruͤchte der Denk- und Seh- art, die vielleicht einer gewiſſen Sokratiſchen Unwiſſenheit aͤhnlich ſeyn moͤgen, wie er ſie beſchreibt. Eine Zunge kann ſtammlen, wenn die Seele gewiſſe Jdeen nicht zu verknuͤpfen und auszudruͤcken weiß. — Barocci malte gruͤnes Fleiſch: und Guercius ein trauriges Colorit: Von den Schriften dieſes Verfaſſers gilt es alſo vermuthlich, was Plinius vom Maler Eutykrates ſagt: auſtero maluit genere, quam iucundo placere.

      Seine Nahrung von ferne gebracht:) oft woher und wo es niemand vermuthete, und dachte. Wo der ehrwuͤrdige Satyr, Swift, leichtfertige Traͤumer und fromme Seleniten fand; im Monde; da findet ein anderer Ritter und Rieſen:

      Jch hieb viel tauſend Feinde nieder,

       Jn allen Neſſeln,

       die ich fand Da lagen denn die kleinen Leichen u. ſ. w. ſ.

       Gedichte von Karſchin.

      Haͤtte unſer jezo ebentheuerlicher Sokrat, eine Aſpaſia, ſeine Gedanken auszudruͤcken, und einen Alcibiad, ſie auszubilden; vielleicht haͤtte er Schuͤler und Nachkommen, bis alsdenn vielleicht im dritten Gliede ein Ariſtoteles, Socratis et Platonis peior progenies, ein Syſtem errichtete, in der Philologie und Aeſthetik, woran ſein Großvater nicht gedacht hatte.

       Inhaltsverzeichnis

      „Wenn man Werkzeuge nicht ſo vollkommen „haben kann, als man ſie wuͤnſchet: ſo „muß man aus den vorraͤthigen zu machen „ſuchen, was ſich daraus machen laͤßt. Leibnizens gelehrte Sprache iſt nicht zu bekommen: wie koͤnnten wir uns der Deutſchen z. E. noch am bequemſten zu den Wiſſenſchaften bedienen? Dieſe Frage doͤrfte allenfalls eine andre als Vorlaͤuferin haben, „welche unter denen in Europa recht bekannt „gewordenen Sprachen der Jdealvollkommenheit einer Sprache, die Worte braucht, „am naͤchſten koͤmmt. Eine gar nicht weitlaͤuftige Metaphyſik der Sprache, wuͤrde „uns dieſe Jdealvollkommenheit wenigſtens „einigermaſſen kennen lernen.„ Wir wollen zu dieſen angegebenen Stuͤcken von Jdealvollkommenheit einige Anwendungen auf die Deutſche Sprache dazuſezzen; erinnern unſern Leſer aber zuruͤck an den Unterſchied, den wir zwiſchen Jdealſchoͤnheit, mittlern Bequemlichkeit, und wirklichen Vollkommenheit gemacht, und den der Verfaſſer dieſes Briefes hie und da verfehlt hat.

      „Man kann die Sprache unter zwei Augpunkten betrachten, in ſofern ſie einmal unverbundene, und unzuſammenhaͤngende Begriffe vorſtellt; hernach ſo

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