Die größten Klassiker der deutschen Literatur: Sturm und Drang. Johann Gottfried Herder

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Die größten Klassiker der deutschen Literatur: Sturm und Drang - Johann Gottfried Herder

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für sich hat, so gering sie auch sein mag. Wir müssen freilich etwas ergreifen. Aber ob das nun alles so ist, wie wir glauben? Da frage ich mich wieder: was nennst du so Sein, wie du es dir vorstellst? Dein Glaube, daß es so ist, ist ja auch etwas, und von dem übrigen weißt du nichts. Dieses war auch die Zeit da ich (Gott verzeih mir wenn ich irre) zu glauben anfing, daß die Muscheln in den Bergen gewachsen sein könnten. Es war aber kein positives Glauben, sondern bloß dunkeles Gefühl von unsrer Unfähigkeit, oder wenigstens von der meinigen in die Geheimnisse der Natur einzudringen.

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      Zum Teil zum Vorhergehenden gehörig: Das Wesen, was wir am reinsten aus den Händen der Natur empfangen, und was uns zugleich am nächsten gelegt wird, sind wir selbst, und doch wie schwer ist da alles und wie verwickelt! Es scheint fast, wir sollen bloß würken ohne uns selbst zum Gegenstand der Beobachtung zu machen. So bald wir uns zum Gegenstand der Beobachtung machen: so ist es fast einerlei ob wir aus dem Hainberg den Ursprung der Welt, oder aus unsern Verrichtungen die Natur unserer Seele wollen kennen lernen.

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      Selbst unsere häufigen Irrtümer haben den Nutzen, daß sie uns am Ende gewöhnen zu glauben, alles könne anders sein, als wir es uns vorstellen. Auch diese Erfahrung kann generalisiert werden, so wie das Ursachen-Suchen, und so muß man endlich zu der Philosophie gelangen, die selbst die Notwendigkeit des principii contradictionis leugnet.

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      Die beiden Begriffe von Sein und Nichtsein sind bloß undurchdringlich in unsern Geistes-Anlagen. Denn eigentlich wissen wir nicht einmal was Sein ist, und so bald wir uns ins Definieren einlassen, so müssen wir zugeben daß etwas existieren kann was nirgends ist. Kant sagt auch so was irgendwo.

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      Es ist doch fürwahr zum Erstaunen, daß man auf die dunkeln Vorstellungen von Ursachen den Glauben an einen Gott gebaut hat, von dem wir nichts wissen, und nichts wissen können, denn alles Schließen auf einen Urheber der Welt ist immer Anthropomorphismus.

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      Wenn der Verstand reift, oder seine Regierungskräfte fühlt ohne etwas zu haben was er regieren kann, so entstehen freilich seltsame Dinge. Man fällt in den Fehler der kleinen Fürsten, und macht sich vor den Großen lächerlich. Hat man viel gelesen und besitzt wenig Regierungskunst, so macht man sich vor den Weisen lächerlich. Wenn sich denn doch am Ende einmal lächerlich gemacht sein soll: so wollte ich doch lieber vor dem Großen lächerlich werden, als vor dem Weisen, lieber vor dem Belesenen, als vor dem Denker, der mich immer nach der Art beurteilt, womit ich von meinem Vermögen Gebrauch gemacht habe.

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      Man ist nie glücklicher als wenn uns starkes Gefühl bestimmt, nur in dieser Welt zu leben. Mein Unglück ist nie in dieser sondern in einer Menge von möglichen Ketten von Verbindungen zu existieren, die sich meine Phantasie unterstützt von meinem Gewissen schafft, so geht ein Teil meiner Zeit hin, und keine Vernunft ist im Stand darüber zu siegen. Dieses verdiente sehr auseinander gesetzt zu werden. Lebe dein erstes Leben recht, damit du dein zweites genießen kannst. Es ist immer im Leben wie mit der Praxis des Arztes, die ersten Schritte entscheiden. Das ist doch Unrecht irgendwo, in der Anlage oder im Urteil?

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      Zug: Jemand zerreißt ein Papier und wirft es voll Ungedult zum Fenster hinunter indem seine Frau hereintritt: da schreibt man mir schöne Sachen von dir, sagt er und geht aufgebracht weg. Die Frau, die kein gutes Gewissen hat, läßt durch ihr Kammer-Mädchen die Stückchen alle zusammenlesen, und des Abends, da sie allein sind, suchen sie alles zusammenzulegen, es fehlen aber Stückchen; mit jedem Wort das sie lesen erklären sie sichs und verraten ihre Schuld, am Ende findet sich daß es (ein) Dinten-Rezept war.

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      Passabel auszudrücken, was andere Leute gedacht hatten, war seine ganze Stärke.

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      Es geht freilich sonderbar zu unter uns Erdreichern.

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      Man liest jetzt so viele Abhandlungen über das Genie, daß jeder glaubt er sei eines. Der Mensch ist verloren, der sich früh für ein Genie hält.

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      Ist es nicht besonders, daß die katholischen Prediger immer ihre Gemeinden vor den protestantischen Schriften warnen müssen? Die protestantischen hingegen warnen die ihrigen nie vor den katholischen. Ja wäre ich ein protestantischer Prediger, ich würde glaube ich meiner Gemeinde die Lesung der sogenannten erzkatholischen Bücher als eines der stärksten Befestigungsmittel in ihrem Glauben empfehlen.

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      Bei aller meiner Bequemlichkeit bin ich immer in Kenntnis meiner selbst gewachsen, ohne die Kraft zu haben mich zu bessern, ja ich habe mich öfters für alle meine Indolenz dadurch entschädigt gehalten, daß ich dieses einsah, und das Vergnügen, das mir die genaue Bemerkung eines Fehlers an mir machte, war oft größer, als der Verdruß, den der Fehler selbst bei mir erweckte. So sehr viel mehr galt bei mir der Professor, als der Mensch. Der Himmel führt seine Heiligen wunderlich.

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      Ohne Witz wäre eigentlich der Mensch gar nichts, denn Ähnlichkeit in den Umständen ist ja alles was uns zur wissenschaftlichen Erkenntnis bringt, wir können ja bloß nach Ähnlichkeiten ordnen und behalten. Die Ähnlichkeiten liegen nicht in (den) Dingen, vor Gott gibt es keine Ähnlichkeiten. Hieraus folgt freilich der Schluß, daß je vollkommener der Verstand ist, desto geringer ist der Witz, oder es muß Seelen-Einrichtungen geben, die so gespannt werden können, wie manche Waagen (wieder Witz) daß man sie so wohl zum Genau-als Roher-wiegen gebrauchen kann.

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      Mehr Dinge zu erfinden wie etwa der Schnupftabak, der allerdings eine gar seltsame Erfindung ist. Es ist doch würklich, wenn man bedenkt wie viel Wohlgerüche es in der Natur gibt, eine Art von Onanie.

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      Eine goldne Regel: Man muß die Menschen nicht nach ihren Meinungen beurteilen, sondern nach dem, was diese Meinungen aus ihnen machen. – Ich fühle, daß ich nach der Meinung der Welt hiergegen nicht aushalte, ob ich gleich vor Gott überzeugt bin, daß ich es würde, wenn sie mich genauer kennte. Also das Aus-ihnen-machen muß genau beobachtet werden.

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      Den redlichen Mann zu erkennen ist in vielen Fällen leicht, aber nicht in allen, so wie verschiedene Mineralien, bei einigen ist chemische Zerlegung nötig, aber wer gibt sich bei Charakteren damit ab, oder wieviel haben die Fähigkeit dazu? Das schnelle Aburteln ist größtenteils dem Faulheits-Trieb der Menschen zuzuschreiben, das mühsamere chemische System findet in Praxi wenig Anhänger, wir sind wernerisch gesinnt im Charaktersystem.

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      Ich möchte zum Zeichen für Aufklärung das bekannte Zeichen des Feuers (Δ) vorschlagen. Es gibt Licht und Wärme, es ist zum Wachstum und Fortschreiten alles dessen was lebt unentbehrlich, allein – unvorsichtig behandelt brennt es auch und zerstört auch.

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      Darf ein Volk seine Staats-Verfassung ändern wenn es will? Über diese Frage ist sehr viel Gutes und Schlechtes gesagt worden. Ich glaube die beste Antwort darauf ist: Wer will es ihm wehren, wenn es entschlossen ist? Allgemein gewordenen Grundsätzen gemäß handeln ist natürlich, der Versuch kann falsch ausfallen, allein es ist nun einmal zum Versuch gekommen. Diesem Versuche vorzubeugen

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