Blut für Gold. Billy Remie
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Читать онлайн книгу Blut für Gold - Billy Remie страница 6
»Und die junge Lady sagt sich los von seiner Brut«, fuhr der Uniformierte kalt fort. »Da die Jungen nachweißlich nie bei ihr lebten, hat sie das Recht, die Stiefmutterschaft abzuerkennen. Van Brick wurde des Verrates angeklagt, sein Unternehmen geht an diejenigen, denen er geschadet hat, wie es das Gesetz vorsieht. Demnach haben seine Jungen kein Recht mehr auf Anteile davon, und da sie keine Mutter und auch sonst keine Mittel zur Verfügung haben, sind sie nun Waisen und obdachlos. Dieses Haus hier wird verkauft, sie müssen ausziehen!«
Magda wurde bleich, sie schüttelte vehement den Kopf. »Es sind doch nur Jungen! Kinder! Bitte, Herr, lasst sie einfach in Ruhe. Lady Ilona wird sich bestimmt ein Herz fassen und sie aufnehmen.«
»Lady Ilona hat vor dem Schwarzen Rat vehement verkündet, dass sie von ihrem Ehemann geschlagen, missbraucht, zu dieser Ehe gezwungen und in ihrem Haus festgehalten wurde wie eine Sklavin. Ich glaube nicht, dass man der jungen Lady zumuten sollte, die Brut dieses Monsters aufzuziehen. Und jetzt holt die Jungen, sonst müssen wir sie mit Gewalt auf die Straße zerren…«
Magda presste die Lippen zusammen. »Die Jungen sind nicht hier.«
Der Uniformierte schlug ihr mit dem Handrücken ins Gesicht, sodass ihr Kopf herumflog und ihre grauen Haare sich aus ihrem wirren Geflecht lösten. Blut klebte an ihrer Lippe, aufgerissen von dem Siegelring des Mannes. Sie leckte es sich ab, dann schielten ihre Augen für den Bruchteil eines Augenblicks zu Darcar nach oben. Sie sah ihn direkt und eindringlich an.
Er zog sich zurück und eilte auf wackligen Beinen ins Zimmer. Gerade, als er den Uniformierten sagen hörte: »Seht oben und auch im Keller nach. Zieht die kleinen Bastarde an ihren Haaren raus aus ihrem Versteck.«
Schritte erklangen auf den knarrenden Stufen. Leise drückte Darcar dir Tür zu und holte einen Stuhl, um ihn unter die Klinke zu stemmen.
Dann drehte er sich um. Veland stand hilflos im Nachtanzug mitten im Raum, offensichtlich verängstigt, und drückte Everett an sich, der natürlich überhaupt keine Ahnung hatte, was passierte, er konnte ja kaum allein auf seinen kleinen, dünnen Beinchen stehen. Er war noch zu klein, und Darcar machte es einen Moment unendlich traurig, dass Evi sich weder an Mutter noch an Vater erinnern würde. Doch solche Gedanken durfte er jetzt nicht aufkommen lassen, er biss wütend die Zähne zusammen.
»Was ist los?«, jammerte Veland.
Darcar legte einen Finger über seine Lippen, um ihm zu bedeuten, still zu sein. Sie sahen sich in die Augen, verstanden sich, nickten. Veland hielt eine Hand über Evis Mund und Nase, als dieser zu wimmern begann.
Nebenan wurde die Tür zum Schlafzimmer ihres Vaters aufgestoßen, sie vernahmen deutlich, wie die Männer Möbel umstießen und den Schrank durchwühlten, Teppiche wegzogen und den Boden, sowie die Wände abklopften.
»Schnell«, flüsterte er beinahe tonlos zu Veland.
Darcar schlug das Herz bis zum Hals, sie waren in einem einfachen Haus, es gab keine versteckten Fluchtwege oder doppelte Böden, wie in den Geschichten, die Magda ihnen gerne vorgelesen hatte. Es war nur ein stinknormales Haus. Immerhin hatten sie bis dorthin auch niemals Feinde gehabt, vor denen sie sich hätten verstecken und um ihr Leben bangen müssen.
In Windeseile zog Darcar die Schubladen der Kommoden auf und zog seinen Brüdern Pullover und Socken an, wobei Veland das natürlich allein schaffte, aber Evi brauchte Hilfe.
Es war keine Zeit, um mehr einzupacken, er wickelte Everett noch in ein weißes Lacken und schlüpfte selbst in einen Mantel und Schuhe, dann nahm er Evi auf den Arm und ging zum Fenster.
Sofort schlug ihm kalter Wind und Nieselregen entgegen, wie es für Phillin Burgh üblich war, und der Morgen gewann gerade erst an Farbe, dichter Dunst stand in den Straßen über dem alles einnehmenden, schwarzen Stein, aus dem die Stadt erbaut war.
Seit die Stadtwacht ins Haus eingedrungen war, war nicht so viel Zeit vergangen, wie es sich für ihn angefühlt hatte.
Darcar warf einen Blick nach unten – und fluchte unterdrückt. Das war höher, als er gedacht hatte. Er würde es bestimmt schaffen, aber nicht mit Evi auf dem Arm.
Schritte vor der Tür, jemand rüttelte an ihr, erst probehaft, dann kräftiger. Veland zuckte erschrocken zusammen. Darcar zog ihn an der Schulter zu sich.
»Nimm Evi, ich gehe zuerst, dann springst du und ich fange euch auf!«, erklärte er.
»Nein!«, rief Veland und drückte ihm Everett zurück an die Brust. Der Kleine fing durch die grobe Behandlung an zu weinen, spürte instinktiv, dass um ihn herum gerade ihre ganze Welt zusammenbrach, und seine Brüder Angst hatten. »Pa! Pa!«, weinte Everett. Es war das einzige Wort, das er bis zu diesem Moment je gesagt hatte.
»Du darfst mich nicht allein lassen!«, flehte Veland aufgelöst, »Darc! Du darfst uns nicht allein lassen!«
»V! Ich muss euch auffangen, es ist zu hoch!« Er rief die Worte aufgebracht in das Gesicht seines panischen Bruders, der daraufhin auf die Lippe biss, um nicht zu weinen. Darcar würde sich hinterher entschuldigen, gerade verlor er etwas die Geduld; hatte selbst Angst und wusste nicht, was er eigentlich tun sollte.
Vor der Tür wurden Rufe laut. »Aufmachen! Sofort!« Sich leise zu verhalten war jetzt unnötig, sie würden diese Tür aufbrechen. Schon rumste es lautstark, als mindestens einer der Uniformierten mit der Schulter dagegen rannte. Magdas Stimme mischte sich unter den Lärm: »Lasst sie in Ruhe! Es sind doch nur Kinder! Lasst sie gefälligst in Ruhe! So habt doch ein Herz!«
»Nimm ihn jetzt!« Darcar drückte den weinenden Evi nachdrücklich in Velands Arme, der von dem Chaos vor der Tür kurz abgelenkt war, und drehte sich zum Fenster um, ehe sein Bruder sich erneut weigern konnte.
Doch als Darcar auf das Fensterbrett steigen wollte, bemerkte er unten etwas im Vorgarten. Fluchend ließ er sich fallen und duckte sich unter das Fenster, packte Veland und riss ihn zu sich.
»Was?«, wimmerte Veland verwirrt. »Was ist los?«
Darcar schüttelte nur mit grimmiger Miene den Kopf und presste seine Brüder an sich. Er wollte ihnen nicht sagen, dass Scharfschützen auf das Fenster zielten. Wollte sie nicht verstören. Ihr Leben lang – so kurz es auch gewesen sein mochte – hatten sie beigebracht bekommen, dass die Männer der Stadtwacht ihre Beschützer, ihre Helfer waren. Am heutigen Tage wurden sie zu ihrem schlimmsten Feind, und das nur, weil ihr Vater all sein Geld verloren hatte.
Darcar war sich nicht sicher, ob die Schützen sie nur festhalten sollten, oder ob diese Mistkerle wirklich abdrücken würden. Er wäre das Risiko eingegangen, wäre er allein.
»Darc, wir müssen fliehen!« Veland riss an seinem Hemd. »Wir müssen fliehen, Darc!«
Darcar schüttelte erneut den Kopf, presste Veland an sich und grub die Nase in sein weiches Haar, das nach Keksen und Kaminfeuer duftete. »Das geht nicht, V.« Er schloss die Augen. »Es tut mir so leid, so leid…«
Er wusste nicht, was er tun sollte, er wusste gar nichts mehr. Ein Gefühl der Leere breitete sich in ihm aus, er wollte doch tatsächlich weinen, sehnte