Mann meiner Träume. Nicole Knoblauch

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Mann meiner Träume - Nicole Knoblauch

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„Welches Bild kommt dir in den Kopf, wenn du an Napoléon denkst?“

       „Klein, dick, rundliches Gesicht.“

       „Das ist der Napoléon, den man von Bildern kennt. Der Kaiser. Warte einen Moment.“ Marie sprang auf, lief zu einer der Napoléonkisten und wühlte darin herum.

       „Ha, hier ist es!“ Triumphierend hielt sie einen Bildband in die Luft.

       „Siehst du?“ Sie schlug das Buch auf und zeigte Anna das Portrait eines jungen, schmalen Soldaten mit langen Haaren. „Das ist der Mann, den ich in meinem Traum treffe. Das ist Napoleone.“

       „Das ist genau das, was ich meine. Du kennst dich aus und weißt, wie er als junger Mann aussah, was er als junger Mann dachte. Da du in deinen Träumen den jungen Napoléon triffst, sieht er so aus und handelt so.“

       „Napoleone. Das ist nicht Napoléon I., Kaiser der Franzosen, Herrscher über Europa. Das ist einfach ein Mann, der versucht, in den Wirren der Revolution zu überleben.“

       Anna zuckte mit den Schultern. Sie hatte genug über Napoléon gehört – oder Napoleone. Wo auch immer da der Unterschied lag.

       „Und wer ist dieser andere Mann?“

       „Tristan Berière?“

       „Genau der.“

       „Ich weiß nicht, wer das ist.“ Marie runzelte die Stirn. „Um ehrlich zu sein, habe ich den Namen nie gehört oder gelesen.“

       „Was macht er in deinen Träumen?“

       „Mich zu Napoleone bringen? Ich glaube nicht, dass er wichtig ist.“

       Anna runzelte die Stirn, ließ es aber auf sich beruhen. Es würde sich sicher zeigen, ob dieser Mann wichtig war oder nicht.

       „Du hast ja sowieso nur Augen für Napoleone“, neckte sie ihre Cousine.

       „Und warum auch nicht? Er hat mich vor dem Pöbel beschützt!“

       „Der dir wahrscheinlich nichts getan hätte!“

       „Das kannst du gar nicht wissen! Napoleone ist ein guter Mensch.“

       „Na, ich weiß ja nicht.“ Anna hüstelte. „Nach allem, was ich von dir über Napoléon weiß, bin ich mir nicht sicher, ob er ein guter Mensch war.“

       „Der Mann in meinen Träumen ist es!“ Seufzend rieb sich Marie die Schläfe. „Das klingt alles wirr, oder?“

       „Och, weißt du, so lange du Stefan los bist, ist mir alles recht.“

       Marie lächelte und trug Teller und Tasse in die Küche. „Ich werde heute mein Zimmer fertig einräumen“, rief sie ins Wohnzimmer.

       „Soll ich dir helfen?“

       „Nein, brauchst du nicht. Es fehlen nur noch die Napoléonsachen.“ Ihr Blick wich verlegen zu Boden und sie errötete leicht. „Das möchte ich alleine machen.“

       Anna lächelte in sich hinein. „Da will ich auch nicht helfen.“ Sie stellte das Geschirr neben die Spüle und und ließ Wasser einlaufen. „Verschwinde! Ich mach das schon!“

       In Windeseile stellte Marie ihre Sachen ab. „Danke!“. Sie umarmte Anna kurz und rannte aus der Küche.

       8. November (Frühjahr 1790)

       Anna erwachte durch ein leises Klopfen an der Tür. „Ja?“, murmelte sie verschlafen.

       Sie hörte die Tür knarzen und Maries Stimme: „Darf ich reinkommen? Du musst das lesen!“

       Sofort war Anna hellwach. „Ist etwas passiert?“

       „Nein. Ja. Ich weiß nicht. Lies es. Ich möchte deine Meinung hören.“

       Veränderung

      Meer. Salzige Luft füllte meine Lungen und ich sog gierig den Duft ein. Kreischende Möwen übertönten ab und an das sanfte Rauschen der Brandung. Ich öffnete die Augen und da lag es vor mir. Ruhig glitzerte es in der Sonne. Sie stand noch nicht sonderlich hoch, versprach aber einen heißen Tag.

      Rechts von mir erstreckte sich der Strand scheinbar endlos. Links ragte eine massive Festungsanlage empor. Dahinter lag eine Stadt.

      In diesem Moment läuteten die Kirchenglocken und ich wusste, wo ich war: Korsika. Genauer: Ajaccio, Napoleones Geburtsstadt.

      Meine Füße versanken im Sand und ich streifte die Schuhe ab. Strümpfe trug ich keine, aber ein langes Kleid, das mit einem breiten, über den Brüsten gekreuzten Tuch auf Taille gebracht war. Schnürbrust oder Mieder fehlten. Mein Haar bedeckte ein im Nacken verknotetes Kopftuch. Ich öffnete den Knoten, schloss für einen Moment die Augen und genoss den warmen Sand zwischen den Zehen und den kühlen Wind im Haar.

      „Marie? Marie Seurant?“

      Das Blut rauschte laut durch meine Adern und wisperte seinen Namen: Napoleone.

      Freudestrahlend drehte ich mich um und breitete die Arme aus. Ein Lächeln erhellte sein Gesicht und er beschleunigte seine Schritte. Die nackten Füße versanken leicht im Sand, das weite Hemd und offene Haar flatterten im Wind.

      Sobald er vor mir stand, nahm er meine Hand und hauchte einen Kuss darauf. „Du bist es wirklich!“

      „Ja.“

      „Ich wusste, dass ich dich wieder sehe!“ Seine geflüsterten Worte ließen mein Herz flattern und ich begann zu lachen. Aus Verlegenheit, aus Freude, vor Glück!

      „Es ist schön, hier zu sein!“ Ich entzog ihm meine Hand und drehte mich ein paar Mal im Kreis.

      Er stimmte in mein Lachen ein und wenige Sekunden später lag ich in seinen Armen. Keine Ahnung, wie es dazu gekommen war. Unsere Gesichter berührten sich fast, sein Blick verfing sich in meinem und ich hörte auf zu denken. Sein heißer Atem streifte meine Wange, doch er küsste mich nicht.

      Er sah mich nur an, als wolle er in meine Seele blicken. Ich wagte nicht, zu atmen, aus Angst, er könnte das Zittern bemerken, dass mich erfasst hatte. Mit geschlossenen Augen erwartete ich seinen Kuss – der nicht kam.

      Stattdessen ließ er mich los und fasste meine Hand. „Ich werde dich meiner Familie vorstellen“, sagte er in einem Tonfall, als gäbe es nichts Wünschenswerteres auf der Welt.

      Der Familie? Dieser Horde undankbarer Hyänen, von denen er sich sein ganzes Leben lang nicht lösen würde?

      „Du siehst nicht begeistert

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