12 Jahre als Sklave. Solomon Northup

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12 Jahre als Sklave - Solomon Northup

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befohlen loszumarschieren, Eliza und die Kinder folgten nach. Wir wurden in den Hof geführt, von dort in die überdachte Passage, dann über eine Treppenflucht hinauf durch eine Seitentür in das obere Zimmer, von wo ich die Schritte hatte hin und her gehen hören. Es war mit einem Ofen, einigen alten Stühlen und einem langen Tisch, bedeckt mit Papieren, eingerichtet. Der Raum war weißgetüncht, ohne einen Teppich auf dem Boden, und schien eine Art Büro zu sein. Neben einem der Fenster hing, wie ich mich erinnere, ein rostiges Schwert, das meine Aufmerksamkeit auf sich zog. Burchs Koffer befand sich dort. Seinen Anweisungen gehorchend ergriff ich mit meiner ungefesselten Hand einen der Griffe, während er den andern nahm, dann schritten wir durch die Vordertür hinaus auf die Straße, in derselben Reihenfolge, in der wir die Zelle verlassen hatten.

      Es war eine dunkle Nacht. Alles war ruhig. Ich konnte Lichter oder deren Reflektion drüben in Richtung Pennsylvania Avenue sehen, doch es war niemand, nicht einmal ein Spätheimkehrer zu sehen. Ich beschloss beinahe, zu versuchen davonzulaufen. Ohne die Handschellen hätte ich den Versuch sicherlich unternommen, welche Konsequenzen sich auch daraus hätten ergeben mögen. Radburn bildete das Schlusslicht, einen großen Knüppel tragend, und die Kinder zur Eile antreibend, so schnell die Kleinen nur vermochten. So zogen wir, schweigend und in Handschellen, durch die Straßen Washingtons, die Hauptstadt einer Nation, deren Theorie der Staatsführung, wie man uns sagt, auf der Grundlage des unveräußerlichen Rechts des Menschen auf Leben, FREIHEIT, und dem Streben nach Glück ruht! Heil dir, Columbia, glücklich Land, wahrhaftig!

      Als wir das Dampfschiff erreichten, wurden wir schnell in den Laderaum getrieben, zwischen Fässer und Kisten mit Fracht. Ein farbiger Diener brachte ein Licht, die Glocke wurde geläutet und bald darauf war das Schiff auf dem Weg den Potomac hinab, uns zu einem unbekannten Ziel tragend. Die Glocke schlug erneut, als wir die Gruft Washingtons passierten! Zweifelsfrei verneigte sich Burch ehrfurchtsvoll mit entblößtem Kopf vor der heiligen Asche des Mannes, der sein glanzvolles Leben der Befreiung seines Landes gewidmet hatte.

      Keiner von uns schlief in jener Nacht außer Randall und der kleinen Emmy. Zum ersten Mal war Clem Ray völlig überwältigt. Für ihn war die Vorstellung, in den Süden zu gehen, überaus schrecklich. Er ließ die Freunde und Bekannten seiner Jugend zurück – alles, was seinem Herzen lieb und teuer war – um aller Wahrscheinlichkeit nach nie mehr wiederzukehren. Er und Eliza vermischten ihre Tränen, ihr grausames Schicksal beklagend. Was mich angeht, so schwierig es auch war, war ich dennoch bestrebt, meinen Mut nicht zu verlieren. In meinen Gedanken formte ich hundert Fluchtpläne und war vollkommen entschlossen, das Wagnis bei der erstbesten verzweifelten Gelegenheit einzugehen. Zu dieser Zeit jedoch war ich schon zufrieden, dass ich meine Richtlinie einhielt, nichts weiter zu dem Thema zu sagen, dass ich als Freier geboren worden war. Es würde mich nur Misshandlungen aussetzen und die Chancen meiner Befreiung vermindern.

      Am Morgen wurden wir nach Sonnenaufgang zum Frühstück auf das Deck gerufen. Burch nahm uns die Handschellen ab und wir setzten uns an den Tisch. Er fragte Eliza, ob sie sich ein Schlückchen genehmigen wolle. Sie lehnte ab, ihm höflich dankend. Während der Mahlzeit schwiegen wir alle – kein Wort wurde zwischen uns gewechselt. Eine Mulattin, die am Tisch bediente, schien Anteil an unserem Schicksal zu nehmen – sie forderte uns auf, guten Mutes zu sein und nicht so niedergeschlagen. Nach dem Frühstück wurden uns die Handschellen wieder angelegt, und Burch befahl uns, zum Achterdeck zu gehen. Wir saßen zusammen auf ein paar Kisten und sagten immer noch nichts in Burchs Gegenwart. Gelegentlich kam ein Passagier dahin herüber, wo wir saßen, blickte uns eine Weile an, dann kehrte er schweigend zurück.

      Es war ein sehr schöner Morgen. Die Felder entlang des Flusses waren mit Grün bedeckt, weit über das Maß hinaus, wie ich es zu dieser Jahreszeit erwartet hätte. Die Sonne schien warm herab; die Vögel sangen in den Bäumen. Die glücklichen Vögel – ich beneidete sie. Ich wünschte mir Flügel, so wie sie, auf dass ich die Lüfte zerteilen könne, dahin, wo meine Küken im kühleren Norden vergeblich auf das Kommen ihres Vaters warteten.

      Am Vormittag erreichte der Dampfer Aquia Creek. Dort stiegen die Passagiere in Kutschen um – Burch und seine fünf Sklaven nahmen eine allein in Beschlag. Er lachte mit den Kindern, und bei einem Halt ging er sogar soweit aus sich heraus, dass er ihnen ein Stück Pfefferkuchen kaufte. Er sagte mir, ich solle meinen Kopf hochhalten und schlau aussehen. Auf diese Weise mochte ich vielleicht einen guten Herrn erwischen, wenn ich mich benähme. Ich erwiderte darauf nichts. Sein Gesicht war mir verhasst, und ich konnte nicht ertragen, es anzublicken. Ich saß in der Ecke, in meinem Herzen die Hoffnung nährend, die noch nicht völlig erloschen war, dem Tyrannen eines Tages auf dem Boden meines Heimatstaates zu begegnen.

      In Fredericksburgh wurden wir von der Kutsche in einen Eisenbahnwaggon verladen, und vor Einbruch der Dunkelheit kamen wir in Richmond, der wichtigsten Stadt Virginias an. In dieser Stadt wurden wir aus dem Waggon geholt, und durch die Straße zu einem Sklavenpferch getrieben, zwischen dem Eisenbahndepot und dem Fluss gelegen, von einem Mr. Goodin geführt. Dieser Pferch ähnelte dem von Williams in Washington, außer dass er etwas größer war; außerdem standen zwei kleine Hütten in gegenüberliegenden Ecken des Hofes. Diese Hütten findet man gewöhnlich in Sklavenpferchen, wo sie zur Untersuchung des menschlichen Viehs durch den Käufer genutzt werden, bevor der Handel besiegelt wird. Schwächlichkeit bei einem Sklaven sorgt ebenso wie bei einem Pferd für einen beträchtlichen Wertverlust. Wenn keine Garantie gewährleistet wird, ist eine genaue Untersuchung für einen „Negerjockey“ (Anm. d. Übers.: eine abwertende Bezeichnung für Sklavenhändler, die trotz ihrer Bedeutung für die Wirtschaft der Südstaaten auch innerhalb dieser Staaten ausgegrenzt wurden. Diese Schizophrenie wird durch die ebenfalls übliche Bezeichnung „Südstaaten-Shylock“ noch deutlicher.) ganz besonders wichtig.

      Wir wurden an der Tür von Goodins Hof von diesem Gentleman persönlich begrüßt – ein kleiner, fetter Mann mit einem runden, feisten Gesicht, schwarzem Haar und Schnurrbart, und einem Teint, der fast so dunkel war wie der von einigen seiner eigenen Schwarzen. Ihm war ein hartes, strenges Aussehen zu eigen, und er war vielleicht fünfzig Jahre alt. Burch und er begrüßten sich mit größter Herzlichkeit. Sie waren offensichtlich alte Freunde. Einander wärmstens die Hände schüttelnd, bemerkte Burch, dass er etwas Gesellschaft mitgebracht hätte, erkundigte sich, um welche Uhrzeit die Brigg losfahren würde, und bekam zur Antwort, dass sie vermutlich am nächsten Tag um die und die Zeit losmachen würde. Dann wandte sich Goodin mir zu, nahm mich am Arm, drehte mich ein Stück herum, blickte mich scharf an mit dem Auftreten eines Mannes, der sich selbst für einen guten Kenner von Waren hält, und als ob er im Geiste abschätzte, wie viel ich wert sein mochte.

      „Nun, Junge, wo bist du her?“ Mich einen Augenblick vergessend, antwortete ich: „Aus New York.“

      „New York! Hölle! Was hast du denn da oben gemacht?“, war seine erstaunte Frage.

      Als ich Burch in diesem Augenblick beobachtete, wie er mich mit einem zornigen Ausdruck ansah, dessen Bedeutung nicht schwer zu verstehen war, antwortete ich sofort: „O, ich war nur kurz dort oben gewesen“, auf eine Weise, die andeuten sollte, dass auch wenn ich schon bis nach New York gekommen war, ich doch eindeutig zu verstehen geben wollte, dass ich nicht zu jenem freien Staat gehörte, wie auch zu keinem anderen.

      Goodin wandte sich dann Clem zu, und danach Eliza und den Kindern, untersuchte sie gründlich und stellte verschiedene Fragen. Er war mit Emily sehr zufrieden, wie jeder, der das liebenswerte Antlitz des Mädchens sah. Sie war nicht mehr so sauber wie damals, als ich sie das erste Mal sah; ihr Haar war nun etwas in Unordnung; aber durch seine zerzauste und weiche Fülle strahlte immer noch ein kleines Gesicht von höchst überragender Lieblichkeit. „Insgesamt ein hübscher Posten – ein teuflisch guter Posten“, sagte er, diese Meinung mit mehr als einem einfühlsamen Adjektiv verstärkend, die man in keinem christlichen Vokabular finden konnte. Daraufhin gingen wir in den Hof. Eine ansehnliche Zahl von Sklaven, etwa dreißig möchte ich meinen, bewegten sich dort umher, oder saßen auf Bänken unter dem Schuppendach. Sie waren alle sauber angezogen – die Männer trugen Hüte, die Frauen Taschentücher um ihre Köpfe geknotet.

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