Kampf um Katinka. Thomas Pfanner
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Stanislaus ließ seinen Gedanken freien Lauf. Ziemlich rasch verknüpfte er die Pläne, die er und seine Getreuen in Erwartung des schlimmst möglichen Falles gefasst hatten, mit dem aktuellen Ereignis. Es passte alles zusammen, als ob der Höchste ihm durch die Wut des Vizekönigs einen Trumpf in die Hand spielen wollte. Und genau genommen war es eben das: Ein Geschenk. Das Vorhaben der Horaver war ihm nun bekannt. Alles, was er zu tun hatte, war, eine Warnung auf den Weg zu bringen.
Das Display klappte aus der Armlehne, einige Tastenberührungen später erschien das Bild eines nicht übermäßig hübschen Mannes mittleren Alters.
»Zu Euren Diensten, Herr.«
»Basil, wir haben einen hochwohllöblichen Auftrag des Vizekönigs umzusetzen.«
Basil de Montmillard, sein persönlicher Sekretär und Angehöriger der niedersten Rangstufe des katinkischen Adels, blinzelte zwei Mal. Stanislaus nickte befriedigt und fuhr fort: »Der Vizekönig entsendet zweihundert unserer schönsten und stärksten Frauen zur Siegesfeier der Kaiserin. Sorgen Sie dafür, dass sie unverzüglich zur Abreise bereit sind. Am Besten, wir wählen für den Transport unser schnellstes Schiff. Und, Basil, begleiten Sie die Damen, sicher ist sicher. Die Kaiserin wird es sicher zu schätzen wissen, wenn die Geschenke unversehrt übergeben werden. Dazu sollten Sie einige Wachen mit auf die Reise nehmen.«
Basil zuckte mit keiner Wimper, selbst die Augen blieben so ausdruckslos wie zwei Brunnenlöcher. Tonlos bestätigte er:
»Sehr wohl, Herr. Es wird geschehen.«
Der Bildschirm erlosch und klappte geräuschlos weg. Erbherzog Stanislaus rieb sich sinnierend das Kinn. Wie beiläufig manche Dinge doch begannen, bevor sie in einem gewaltigen Gemetzel gipfelten.
*
Roscoe Tanner, Captain des Schlachtkreuzers Grizzly, schaute seinen namenlosen Gesprächspartner, selbst ernannter Kommandant der Freizeitjacht Saskia, in einer Art konzentrierter Lässigkeit an. Er verfügte über einige Erfahrung im Umgang mit gegnerischen Verhandlungsführern, sodass er seine Spannung perfekt verbergen konnte. Zu einem gewissen Teil empfand er darüber hinaus auch Freude am Verhandlungspoker. Er verstand etwas von Körpersprache, konnte aus Haltung, Körperspannung und Ausdruck der Augen stets mit hoher Sicherheit auf die Wahrheit hinter der Fassade des anderen schließen. Im Laufe seines Lebens hatte er zudem lernen müssen, ihm aufgetischte Lügen aus dem Bauch heraus zu identifizieren. Jeder Einwohner von Katinka konnte das, bei dieser Art von Kolonialherrschaft eine zwingend notwendige Eigenschaft.
Aus dieser Vorgeschichte heraus vermochte Tanner die Angst des namenlosen Gangsters förmlich zu spüren. Die selbstgefällige Arroganz war gänzlich aus dem groben Gesicht gewichen. Verbal versuchte er jedoch alles, um das Bild des harten und alles im Griff habenden Entführers aufrechtzuerhalten. Ein sehr dummer Versuch, schon Kleinkinder schlossen überwiegend aus Körperhaltung und Gesichtsausdruck auf die Absichten und Gefühle ihrer Alten und nur am Rande auf die blanken Worte.
»Jetzt hören Sie genau zu, Horave. Sie werden die Soldaten aus dem Schiff holen und uns unserer Wege ziehen lassen. Alles andere wird sich sehr negativ auf die Gesundheit der Prinzessin auswirken. Haben Sie verstanden?«
Aus den Augenwinkeln sah Tanner, wie sich Sir Ulrich erhob und die Brücke verließ. Eine kluge Entscheidung, denn der Erste Offizier konnte sich kaum noch beherrschen. Wäre er geblieben, hätte es bis zur ersten pampigen Antwort nicht mehr allzu lange gedauert, mit möglicherweise fatalen Konsequenzen. Tanner schenkte dem schwitzenden Mann auf dem Display ein treuherziges Lächeln:
»Guter Mann, ich würde ja gerne. Glauben Sie mir, ich sehne mich nicht danach, einer Vertreterin der Kaiserlichen Familie das hochwohlgeborene Gesäß zu retten, ganz sicher. Aber Sie wissen sicherlich, dass auf allen Schiffen unserer Flotte automatische Aufzeichnungsgeräte installiert sind. Ich kann mir nicht erlauben, einen Fehler zu machen. Daher sehe ich mich im wahrsten Sinne des Wortes gezwungen, Ihr Schiff zu erobern.«
Der Gangster stand zu sehr unter Druck, um die Lücken in der Argumentation des Captains zu entdecken. Gäbe es diese Aufzeichnungsgeräte, dürfte Tanner ganz sicher nicht darauf zu sprechen kommen und in geradezu defätistischer Weise über die Prinzessin reden. Stattdessen versuchte der Kerl, den Captain mit einer Variante des bösen Blicks zu bezwingen.
»Reden Sie keinen Quatsch. Das letzte, was ich tue, ist, der kleinen Schlampe den Kopf abzuschneiden. Also, zum letzten Mal: raus aus meinem Schiff.«
Tanner lächelte ebenso entschuldigend wie falsch:
»Ich will an dieser Stelle wirklich nicht diskutieren, wessen Schiff die Saskia ist, ich sehe aber doch ein gewisses Patt in der augenblicklichen Situation.«
»Patt?«, gurgelte der Gangster entgeistert. Ein dicker Schweißtropfen rann von der rechten Schläfe ausgehend über die Wange und blieb am Unterkieferknochen hängen, vorwitzig glitzernd und gar nicht daran denkend, sich in den Abgrund zu stürzen. Dem sah sich sein Eigentümer schon ziemlich nah. Das Mikrofon auf der Brücke der Jacht übermittelte elektronisch gefiltert nur die Stimme des Mannes vor dem Bildschirm, dennoch war nicht zu übersehen, dass von außerhalb des Bildausschnittes irgendjemand auf den Verbrecher einredete. Dessen Augen wanderten immer wieder in die Richtung, der Mann hatte offenbar Mühe, sich auf das Gespräch mit der Grizzly zu konzentrieren. Ihm fehlte schlicht die Ausbildung, wie sie Major Anheuser genossen hatte. Tanner sprach sanft und gleichzeitig eindringlich mit ihm wie mit einem kranken Gaul: »Natürlich. Ich kann die Eroberung der Jacht nicht aufgeben und kann gleichzeitig die Brücke nicht stürmen. Sie können nicht weg und gleichzeitig dürfen Sie Ihrer einzigen Geisel nichts tun, weil sonst ich derjenige sein werde, der Ihnen etwas tut. Daher bleibt keine andere Alternative als zu verhandeln.«
»Verhandeln?«, echote der Mann. Vermutlich wurde ihm ganz langsam bewusst, dass er für dieses Palaver zu viel Zeit verbrauchte, während er an anderer Stelle wichtige Entscheidungen treffen müsste. Andererseits wagte er nicht, die Verbindung einfach zu kappen. Er hatte seine Forderung vorgebracht und nun war er gezwungen, sie nach Kräften durchzusetzen. Ein Misserfolg mochte fatale Folgen haben und passte ohnehin nicht in das Weltbild eines Entführers. Tanner nutzte derweil die hektische Denktätigkeit, um in die Lücke zu stoßen:
»Sie sollten Ihre Forderungen überdenken. Wir haben einen gewissen Vorrat an Gold an Bord. Wir könnten einen Austausch durchführen, der Sie in die Lage versetzt, mit einem schönen Sümmchen das Weite zu suchen. Was halten Sie davon?«
Kurz ließ Tanner ein treuherziges Grinsen aufleuchten, er spürte einige erstaunte Blicke auf sich ruhen. Die Grizzly hatte ganz sicher kein Gramm Gold an Bord.
Jedenfalls irritierte der Vorschlag den Mann auf der Jacht noch wesentlich stärker als die eigene Besatzung. Immerhin handelte es sich um einen in der Geschichte der Kaiserlichen Flotte einmaligen Vorgang. Noch niemals hatte ein Schiff von Horave eine Verhandlungslösung auch nur in Erwägung gezogen, von der Zahlung eines Lösegeldes ganz zu schweigen. Entsprechend unvermutet traf das Angebot den Gangster, sodass er einen Augenblick erlebte, in dem er die Kontrolle verlor und ganz verdattert vor sich hinmurmelte.
»Das geht nicht. Ich muss sie abliefern. Es geht nicht, so ein Ärger.«
Roscoe Tanner gab sich alle Mühe, so zu tun, als ob er das alles nicht hören würde. Stattdessen sprach er rasch weiter, um dem Kerl keine Gelegenheit zu geben, sich seines Fauxpas bewusst zu werden. Er erhöhte einfach sein Angebot in der Hoffnung, die Gewissenskonflikte seines Kontrahenten verschärfen zu können. Möglicherweise verkleisterte die Gier dessen Hirn und verschaffte so die fehlenden Sekunden.
»Also