Kampf um Katinka. Thomas Pfanner

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Kampf um Katinka - Thomas Pfanner

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selbstverständlich in die Empfindung von Fortbewegung um. Man glaubte durch die täuschend echten Eindrücke, die Innenohr und Gehirn produzierten, wirklich, die Beschleunigung hautnah zu fühlen. Es dauerte etwa eine Minute, dann erstarb der Ionenhammer für wenige Sekunden, in denen der Rumpf neu ausgerichtet wurde. Weitere dreißig Sekunden mit hoher Beschleunigung folgten sowie eine weitere Manövrierphase.

      »Blinder Fleck erreicht. Vollschub für neunzehn Minuten und drei Sekunden ab … jetzt.«

      »Sensoren stellen weiterhin keinerlei Aktivität fest, die Jacht treibt immer noch.«

      Nagama hielt den Blick unverrückbar auf ihre Anzeigen gerichtet, wechselte immer wieder Einstellungen, mit denen sie die verschiedenen Sensoren ständig neu abfragte, fein justierte und nach kleinsten Abweichungen fahndete. Tanner beobachtete die Brückenmannschaft wohlwollend bei der Verrichtung ihrer Aufgaben, wandte sich dann dem Riesen zu.

      Major Dwight D. Anheuser fungierte als Commander der an Bord stationierten Füsiliere. Die achtzig Männer und Frauen starke Truppe machte sich im normalen Bordleben als ein Zwischending zwischen Ordnungsmacht und Service-Einheit nützlich. Eventuelle aufkommende Streitigkeiten wurden von den Füsilieren geschlichtet, bei Unfällen, Reparaturen und medizinischen Notfällen waren sie zur Stelle. Die allumfassende Ausbildung machte es möglich, dass in allen relevanten Bereichen zumindest fundierte Grundkenntnisse bestanden, darüber hinaus verfügte jeder Füsilier über ein Spezialgebiet. Das eigentliche und für alle verbindliche Spezialgebiet blieb hingegen der Kampf. Im Gefecht wurde die Truppe zu einer Raumlande-Einheit, die sowohl auf Planeten niedergehen, als auch Raumschiffe entern konnte, seien sie nun intakt oder angeschossen und unmittelbar vor dem Reaktorbruch stehend.

      Anheuser sprengte jedes vernünftige Maß. Knapp über zwei Meter groß wirkte er wie die überlebensgroße Werbepuppe einer Firma, die Dopingmittel an den Mann zu bringen trachtete. Jeder einzelne Muskel quoll aus der eng anliegenden Uniform hervor, als handele es sich um eine allergische Reaktion auf den Stich einer treptichorischen Tantalusspinne. Kein Zweifel, der Mann trainierte wie ein Besessener, dennoch waren die ungeheuren Muskelpakete nicht ohne pharmazeutische Hilfe aufzubauen, so viel musste jedem Betrachter klar sein. Einen wirklichen Grund für das Aufbauen gab es nicht, bei Einsätzen mit zehnfacher Beschleunigung waren die Muskelmassen eher hinderlich, da sie nun mal wie der Rest des Körpers ebenfalls um das Zehnfache an Gewicht zunahmen. Unter den Füsilieren an Bord befanden sich Männer und Frauen von durchaus zierlicher Gestalt, die mit den körperlichen Strapazen kein Problem hatten. Anheuser pfiff auf die Erfordernisse des Dienstes, so lange sie seinem Körperkult entgegen standen. Er galt als rücksichtslos im Einsatz und als überaus kreativ. Einen Auftrag führte er unter allen Umständen durch, koste es, was es wolle. Tanner störte sich nicht an der grimmigen Miene des Füsiliers, der selbst im vertrauten Gespräch seine abweisende Aura um keinen Deut verminderte.

      »Dwight, wir haben da ein kleines, aber hässliches Problem«, begann Tanner. Anheuser antwortete mit kratziger Stimme, die in dem gewaltigen Resonanzkörper einen Tick zu hell ertönte: »Gibt es denn andere Probleme als die hässlichen? Hatte noch nie mit einem netten Problem zu tun. Komme was wolle, meine Leute sind zu jeder Schandtat bereit.«

      Tanner verkniff sich ein Lächeln. Die Angewohnheit des Majors, seine kleinen Scherze mit todernster Miene rauszuhauen, war wirklich nicht jedermanns Sache. Drei Minuten später hatte der Kommandant die wesentlichen Eckdaten ausgebreitet und der Major schaffte es tatsächlich, seinem Gesicht ein paar Sorgenfalten hinzuzufügen, obgleich nicht sofort ersichtlich war, wo auf dem eckigen und verkniffenen Antlitz der Platz dafür hergekommen war.

      »Verstehe. Das ist wirklich ein hässliches Problem. Wie soll ich es lösen?«

      Pragmatisch wie immer konzentrierte sich der Soldat auf das Naheliegende.

      »Im Kern machen wir es wie immer. Nachdem wir längsseits gegangen sind, werdet ihr rübermachen und die Lage klären. Der einzige aber zugleich extrem wichtige Unterschied besteht in der Notwendigkeit einer gewissen Zurückhaltung beim Schusswaffengebrauch. Daraus erwächst ein ziemliches Risiko für die eigene Sicherheit, soviel ist klar. Was wir hingegen ganz und gar nicht gebrauchen können, ist eine angeschossene Prinzessin.«

      »Verstehe«, wiederholte Anheuser und diesmal klang es so, als wollte er mit seinem breiten Kiefer ein Stück Blech zermalmen. Er schätzte die gute alte Rein-Raus-Taktik, auf alles schießen, was sich bewegt, ohne zu fragen oder zu zögern, und dann unverzüglich umkehren. Enteraktionen im freien Raum wurden praktisch nie zur Rettung oder Gefangennahme von Menschen unternommen. Damit hatten die Füsiliere in der Regel keine Last, da die Waffentechnik mit der Technologie der Panzerung in einem stabilen Ungleichgewicht zueinanderstand. Einen Wirkungstreffer zu landen gestaltete sich extrem schwierig, wenn er jedoch gelang, gab es für die komplette Besatzung des getroffenen Schiffes kaum Überlebenschancen. Daher ging es beim Entern um die Rettung oder Eroberung von Datenträgern, Papieren oder anderen Geheimnissen.

      Hinter der Stirn des Majors arbeitete es. Als Frontoffizier benötigte er nicht lange, um zu einem ersten Ergebnis zu gelangen.

      »Schätze, ein gewöhnlicher Frontalangriff zieht diesmal nicht. Die sehen uns kommen, töten die Prinzessin oder schieben sie als Geisel in den Flur zwischen uns. Im letzteren Fall wird aus der Veranstaltung eine fiese Hängepartie mit offenem Ausgang. Ich schlage daher eine taktische Täuschung vor. Diese Jacht ist nicht übermäßig groß, deshalb muss ein Loch im Rumpf reichen. Wenn ihr zwei oder drei Löcher reinballert, entlüftet der ganze Kahn und es gibt nichts mehr zu retten. Also ein Loch, durch das ein Trupp in Standard-Vorgehensweise aufentert. Ich komme derweil durch den Ionenhammer ins Schiff.«

      Tanner atmete scharf ein, seine Fähigkeit, sich die Dinge plastisch vorzustellen, gab ihm einen Vorgeschmack auf das, was Anheuser gerade vorzuschlagen im Begriff war.

      »Der Trupp, der durchs Loch kommt, lässt sich aufhalten, verzettelt sich, biegt falsch ab, irgend so was, was die Situation gerade hergibt. Alle im Schiff befindlichen Verteidiger sollen sich auf den Trupp konzentrieren, gleichzeitig aber keine übergroße Besorgnis entwickeln. Wenn die in Panik geraten, wäre es nicht so gut um unser Ziel bestellt. Wir gehen von hinten durch die kalte Küche und überraschen sie. Ende der Geschichte.«

      Tanner bewunderte die Entschlusskraft Anheusers, insbesondere in Verbindung mit dem grenzenlosen Optimismus, den der Major wie einen Schild vor sich hertrug. Natürlich wussten sie beide, dass jede andere Gemütsregung nicht zu seinem Körper, seiner Haltung und seinem Gesichtsausdruck passte. Ein Kerl wie er musste einfach optimistisch gepolt sein, in einem solchen Muskelgebirge erwartete man ganz sicher keinen Bedenkenträger. Mit den real drohenden Risiken hatte das wenig zu tun, nur dachte der Major nicht in Kategorien wie Risiko. Sein Ansatz lautete: Ignoriere ein Risiko, dann ignoriert es auch dich.

      »Ganz so kalt wird die Küche nicht sein. Wenn die da drüben fliehen wollen, wird es heiß im Antriebsteil, sehr heiß.«

      »Nichts, was unsere Körperpanzer nicht vertragen könnten. Alles, was wir brauchen, ist ein Loch im Antriebsstrang, dann kühlt das Weltall den ganzen Bereich in Minuten.«

      Tanner nickte. Es hatte keinen Zweck, weiter über die Gefahren und Unwägbarkeiten des kommenden Einsatzes zu diskutieren. Der Kommandant gab das Ziel vor und der Frontoffizier entschied über die taktische Variante. So hatten sie es immer gehalten, im Gegensatz zu der strikten Hierarchie, die vom Flottenkommando vorgegeben wurde, aber eben auch immer erfolgreich. Tanner vertraute seinen Leuten, so wie sie ihm vertrauten. Anders konnte er sich sein Kommando nicht vorstellen. Man musste sich im Leben entscheiden, auf welche Weise man die Dinge anpackte. Ob man daran zugrunde ging oder obsiegte, lag nicht notwendigerweise in den eigenen Händen. Insofern war es müßig, sich Sorgen zu machen.

      »Gut, genehmigt. Achtet auf guten Funk, wir werden wahrscheinlich was improvisieren müssen. Schaffe deine

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