Der Attersee in der Literatur des 19. Jahrhunderts. Franz Roither (Hrsg.)
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Von hier aus führen verschiedene Wege auf den vielbesuchten Schafberg, dessen Besteigung wohl kein Naturfreund unterlassen sollte.
Ein Weg führt über die Eisenau, Sulsenalm und den unteren Schafberg in 6 Stunden gefahrlos auf die Spitze; ein zweiter Weg geht durch den Burggraben, Schafbergthürl zur Höhe, während ein dritter sehr bequemer über Scharfling am Mondsee, Hüttenstein und die Schafbergalm zum Ziele führt. Als empfehlenswerthen Führer nenne ich den Mathias Scharnthoner in Unterach.
Hier kann ich es nicht unterlassen, die Partie auf den Schafberg, die ich vor einigen Jahren unternommen, einzuschalten, wie ich sie in meinem Tagebuche eingeschrieben finde.
Der Marsch begann Nachmittags von Unterach aus westwärts zum Mondsee. Nach ¾ Stunden war er erreicht und ein Einbaum (ein in Form eines Troges ausgehöhlter Baumstamm, der als Nachen dient) gemiethet, der mich in einer halben Stunde nach Scharfling über den herrlichen Mondsee hinüber schaukelte.
Nach Scharfling begann bald ein düsterer Hohlweg steil bergan bis auf die Wasserscheide der Ischl und der Ager. Von hier gieng es dann bergab dem Orte Hüttenstein zu, mit dem hübschen, dem Fürsten Wrede gehörigen Schlosse Eich. In der Nähe desselben, in einem dunklen Winkel hineingedrückt, senkrecht unter der Straße, drohte der kleine, pechschwarze Krottensee dämonisch, wie ein riesiges Tintenfaß herauf.
Vom Orte aus begann der Anstieg des Schafberges über einen gut ausgetretenen Fußweg zuerst über grüne Matten, dann durch Wald und Gesträuch, über Bergmäder zur Oberalm, wo nahe an einander in malerischer Verworrenheit eilf Sennhütten herumliegen. Eine davon ist zum Theil aus Stein gebaut mit mehreren Zimmer, zur Fremdenwohnung eingerichtet mit bequemem Betten. Eine Frau von St. Gilgen besorgt die Wirthschaft, bietet gute Küche und lobenswerthen Keller, und, wer Freude daran hat, eine angenehme Conversation. Nach einer Stunde war der Gipfel und die bequeme Restauration des Herrn Schwarzinger von St. Wolfgang erreicht.
Der Abend war schön und schon ziemlich vorgerückt, darum begab ich mich nach einer kurzen Ruhe auf den Dachboden der Herberge, den Untergang der Sonne erwartend, welche bald blutroth am fernen Horizonte hinunterstieg, zuerst einen rothen, allmälig in’s Gelbe und Fahle übergehenden Schein und dann eine ziemlich helle Mondnacht zurücklassend. Im Speisesaale angekommen, folgte eine amüsante Durchmusterung des dicken Fremdenbuches. Unzählige Namen, große Titel, schlechte Verse, entlehnte Gedanken, spärlich unter ihnen ein klares Original, ein gelungener Witz; wie wenige Weizenkörner in einem Haufen Spreu, wie seltene Goldkörner im Sandes des Flußufers.
Nach einer kurzen Nachtruhe war ich schon wieder, mit allem Nothwendigen ausgerüstet, auf dem Balkone. Noch war ringsum das zauberhafte Licht einer hellen Mondesnacht. Der Mond mit seinem funkelnden Sternenheere schien herabgestiegen zu sein auf den tief unten liegenden Riesenspiegel des Attersees. Einzelne glänzende Wölklein huschten geisterhaft an ihm vorüber und stockten sich im Osten wie eine ferne Gebirgsmasse auf. Die Contouren der umliegenden Gebirge erschienen in ganz unbestimmten Formen, wie mit einem dunklen Schleier verhüllt, nur die näheren Flächen des Aber- und Mondsee’s sendeten einen matten Schimmer aus dem dunkelgrauen Chaos ihrer Umgebungen herauf. Der Mond neigte sich zum Untergange; seltsam ausgezackte Nebel, in die sich die zerrissenen Schatten ferner Gebirge hineinbohrten, warfen ihren hüllenden Schleier über seine sinkende Scheibe. Darauf folgte beinahe gänzliches Dunkel.
Es war sehr kalt; ein zeitweiliges Warten auf dem einem leisen Winde ausgesetzten Balkone brachte mich auf den Gedanken, im Schlafzimmer hingekauert den erwünschten Zeitpunkt abzuwarten, was ich sicher auch gethan hätte, wenn nicht ein kaum bemerkbarer fahler Schein am östlichen Firmamente meine Aufmerksamkeit auf sich gezogen hätte. Dem allmälig intensiver werdenden Scheine folgte eine immer mehr und mehr sich röthende Feuermasse, umgeben von einem Strahlenkranze, in dessen Kern die Sonnenscheibe wie ein plötzlich angezündetes Strontianfeuer mir entgegenleuchtete. Die Umrisse der Wölklein umsäumten sich mit brennendem Purpur, während sich im Süden die edelgeformte Pyramide des Dachstein, wie ein rosenrother Riesenkrystall, über die noch schwarzen Zacken der umliegenden kleineren Berges-riesen emporhob. Bald tauchten die Strahlenfluthen tiefer hinab und steckten bald diese, bald jene Spitze in Brand, bis ein wahres Glutenmeer, der ganzen Gebirgslänge nach, emporzulodern schien.
Von nun an begann ein lebhaftes Schimmern und ein blitzendes Strahlenspiel auf den Firnern, Gletschern und Schneefeldern des Dachsteins und des ewigen Schnee im Bezirke Berchtesgaden. Der rothe Schein gieng allmälig vom sanften Purpur in intensiveres Gelb über, während die Zinnen der südlichen und westlichen Stein- und Eiskolosse noch im schönsten Rothe fortglühten, als schwarze Ungethüme mit brennenden Häuptern. Der glänzende Sonnenball entwickelte sich aus seiner Nebelverkappung, die Wölklein strahlten in schimmerndem Gelb, das Firmament bemalte sich mit Blau und die veilchenblauen fernen Gebirge nahmen bestimmtere Formen an. Die dunkelbewaldeten Vorgebirge streckten ihre sägeartig ausgezähnten Rücken empor, durch die weichen Thalmulden stürzten, wie Silberfäden, hüpfende Bächlein herab, dem Flusse zueilend. Zwischen Wald und Felsen schillerten die vom sanften Morgenwinde leise bewegten Seespiegel, das bewegliche Röhricht herumschaukelnd. Die Fenster der Berghütten blinkten wie glühende Sternlein in den schiefen Strahlen der Morgensonne.
Die Schatten kürzten sich, das Chaos in Baierns Ebenen entwirrte sich allmälig, die röthlichen, von unzähligen Schattenfurchen durchzogenen Felsengebirge erbleichten, zwischen ihnen schimmerten, wie flüssiges Silber, die kegel- und pyramidenförmigen Hörner und Spitzen der Eis- und Schneegebirge der Tauernkette hervor. Auf einigen Thälern ruhte eine horizontal abgeebnete Nebelmasse, die ich in der Dämmerung Zwielicht für Seen gehalten hatte.
Nun drangen die lieblich andächtigen Klänge der Aveglocken, bald von da, bald von dort herauf; die Finken und andere Jochbewohner begannen sich zu regen, schlüpften durch die Rhododendron-Stauden, die ihnen eine gastliche Herberge geboten, und stimmten fröhlich ihre Lieder an; die Alpenschafe verließen ihre Lagerstätten unter den schirmenden Hochtannen, die mit ihren Aesten und Zweigen den Boden berühren, unter deren Schutze die harmlosen Thiere die Nachtzeit im erquickenden Schlafe, oder mit ihrem stereotypen Wiederkauen, dicht an einander gekauert zugebracht hatten. Bald öffneten sich die Zwinger der Alpenkühe, traulich klangen ihre vielen Glöcklein und Schellen durch die leise Morgenluft. Mehr und mehr lichtete sich das Firmament, die Nebel verdünnten sich und verschwanden.
Nun erst begann ich das Studium der Gegenden, unabsehbar im Kreise, beginnend von dem Riesengrenzsteine Österreichs, Steiermarks und Salzburgs, dem Dachstein im Südosten (Höhe ü. d. M. 9490 F.). Vor ihm erheben sich der düstere Plassen-, die Kallenbergspitze und der Lauffner Berg; mehr gegen Süden die Gsengplatten, die löwenzahnartigen Donnerkogeln, das Heidlhorn in der Nähe der Zwieselalm, das Haberfeld, der hohe Zinken und die Sperberspitze; weiter gegen Westen die Steingewände des Bleikogels, des Raucheckes und Tirolerkopfes am Tännengebirge, dazu in noch weiterer Ferne die glänzende Decke des ewigen Schnees, der übergossenen Alpe, des steinernen Meeres (der höchste Punkt die Wildfelsspitze, 9298 F.); weiter hinauf der Watzmann, der hohe Göll, der hohe Kalter, die Mühlstürzhörner, der Birnhorn, das Breithorn am Loferer Steingebirge, der hohe Kaiser (in Tirol), die Sesselberge, das Sonntagshorn, der Untersberg und die Staufenspitze. Vor diesen benannten sieht man die Rasen- oder Felsenspitzen und Kuppen des Gaisberges, des Spielberges, des Wiesbachhörndles, des Ochsenberges, des Schlenken, Schmittenstein’s, Trattberges, Schwarzberges (im Salzburgischen), die Drachenwand bei Mondsee. Im Nordwesten und Norden die Ebenen Baierns und darin die schimmernden Spiegelflächen der Chiem- und Waginger Seen. Bei besonders reinem Horizonte soll man soger die Thürme der Frauenkirche in München bemerkt haben. Mehr in der Nähe sah ich den Taferlberg, Thanberg, den Haunsberg (bei Laufen am Inn) und dazwischen die Seeflächen des Trumer-, Graben- und Mattsee, des Waller-, Zeller- und Fuschlersees, ferner den Kobenauserwald, den Hausruckberg, das Hügelland von Oberösterreich und darüber hinaus die unabsehbare Ebene Baierns mit den vielen Thürmen, Ortschaften, Schlössern …
Gegen