Die Magier von Stonehenge Teil II.. Denise Devillard
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Matthew legte das Buch nach einer halben Stunde zur Seite und schüttelte den Kopf. Was für ein verrückter Haufen! Aber was hatte Paymon mit denen zu tun? Ein Dämon, der sich für einen christlichen Orden interessierte? Das war absolut paradox! Hier stimmte Etwas nicht! Wenn sich Paymon so sehr für sie interessierte, mussten sie etwas besessen haben, das er unbedingt haben wollte. Die große Preisfrage war nur, wonach genau er suchte und wofür? Ein Schriftstück? Oder ein Gegenstand? Matthew grübelte. In dem Buch über die Templer hatte er nichts Auffallendes finden können, was Paymon so wichtig sein könnte, dass er einen derartigen Aufwand betrieb. Zudem machte es eines deutlich, nämlich, dass er trotz seiner gewaltigen Kräfte, offenbar keine andere Möglichkeit besaß. Matthews Interesse war nun vollends geweckt. Das Ganze schien ihm eigentlich fast unmöglich. Dieser Gegenstand musste wahrlich etwas ganz Besonderes sein. Sonst wäre er längst schon in Paymons teuflischen Händen gelandet. Da er aber keine Hinweise in dem Buch finden konnte, beschloss er, genau danach zu suchen. Es gab nur eine Möglichkeit und das war der Orden selbst. Er musste selbst in die Vergangenheit reisen, um mehr darüber herauszufinden.
Doch in welches Jahr sollte er überhaupt reisen? Die Anfangsjahre würden vermutlich kaum ein Ergebnis bringen. Wenn er es schaffte, in eines der letzteren Jahre zu reisen, zu dem Zeitpunkt, als die Templer angeblich ihre Schätze in Sicherheit gebracht hatten, wären seine Chancen bestimmt größer, etwas herauszufinden. Die Frage war nur, wie er dies bewerkstelligen sollte. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als es einfach auszuprobieren. Dazu war jedoch vorher ein Testlauf nötig. So konzentrierte er sich auf das vergangene Jahr, schloss die Spange des Mantels, drehte an dem Ring und war in derselben Sekunde verschwunden.
In wenigen Augenblicken tauchte er unversehens in seinem Büro, in der Firma seines Großvaters wieder auf. Er zuckte zusammen, als Miss Boldwin seine Sekretärin den Raum betrat. Sie ging an ihm vorbei zu seinem Schreibtisch, holte einige Unterlagen, nahm seine Kaffeetasse mit und verließ wieder den Raum. Kaum, dass sie verschwunden war, atmete Matthew tief durch. Er war es noch nicht gewohnt, dass der Mantel ihn für andere unsichtbar machte. Dann trat er an seinen Schreibtisch und betrachtete seinen Kalender. Es hatte funktioniert! Das war einfach gewesen. Aber was war, wenn er zu einem Ereignis reisen wollte, von dem ihm kein Zeitpunkt bekannt war? Reichte es, wenn er an das Ereignis selbst dachte? Nachdenklich schloss er die Spange am Mantel, drehte an dem Ring und verschwand aus dem Büro. Ihm wurde immer mehr bewusst, dass dies kein leichtes Unterfangen war. Vielleicht braucht er aber auch nur noch einiges an Übung und die Lösung des Problems, würde sich von selbst ergeben.
Es war bereits tief in der Nacht, als er umgehend in der Kammer unter dem Haus in seiner Gegenwart wieder erschien. Er hatte sich dazu entschlossen, in dem schwarzen Buch Myrddins noch einmal nach Hinweisen zu suchen. Denn ihm war klar, dass, wenn es sich um einen Gegenstand von vor so langer Zeit handelte, nach dem Paymon suchte, es vielleicht einen Hinweis enthalten könnte. Nachdem er den magischen Schutz des Schreins aufgelöst hatte, nahm er das Buch zur Hand und blätterte so lange darin, bis er eine Beschreibung fand, die seine Aufmerksamkeit erregte. Sie war in Cymraeg geschrieben und erzählte von der Suche eines Gegenstandes, der jedoch nicht näher definiert worden war. Myrddin hatte dafür die Bezeichnung „Eitem gyfrinachol“ gewählt. Es bedeutete in etwa „geheimer Gegenstand“. Ob es sich dabei um dasselbe handelte, wonach Paymon suchte? Er hatte keine Ahnung. Da er dieses Rätsel im Moment nicht lösen konnte, legte er das Buch wieder zurück und den Schutzzauber wieder darüber.
Es war ihm ungeheuer wichtig, zuerst Paymons Beweggründe herauszufinden. Dies hatte die oberste Priorität für ihn, da dieses Ding vielleicht auch für ihn eine Lösung im Kampf gegen Paymon sein könnte. Was auch immer es war. Um jedoch sein eigenes Risiko zu minimieren, wollte er diesmal vierzig Jahre in der Zeit zurückgehen, als er selbst noch nicht gelebt hatte. Somit würde auch niemand der Schwarzmagier mit ihm zu dieser Zeit dort rechnen. Innerlich gewappnet, schloss er die Spange am Mantel, drehte den Ring am Finger und verschwand abermals umgehend in der Dunkelheit.
Als er wieder in der Mitte des Steinkreises in Pembroke aufschlug, zuckte er unwillkürlich zusammen. Instinktiv versteckte er sich hinter einem der großen Steine. Noch immer war es nicht in seinem Kopf angelangt, dass man ihn mit Myrddins Mantel nicht sehen konnte. Er hielt den Atem an und beobachtete zwei Männer, die gerade im Begriff waren, das erste Tor zu betreten. Matthew überlegte nicht lange, reagierte blitzschnell und folgte ihnen durch das Tor. Sie bemerkten ihn nicht. Wie ein dunkler Schatten folgte er ihren Schritten. Die Gesichter der beiden waren ihm unbekannt. Was seine Annahme erhärtete, dass er in der richtigen Zeit gelandet war vor seiner Geburt. Stets einen Sicherheitsabstand einhaltend, folgte er ihnen bis in die Requisitenkammer und achtete sehr darauf, nicht das kleinste Geräusch zu verursachen. In der Kammer angekommen, stellte er sich sofort neben die Truhe in die hintere Ecke, um zu vermeiden, dass auch nur eine ihrer Bewegungen ihn berührte. Matthew musterte sie im Schein der Fackel, die sie angezündet hatten. Beide Männer trugen komplett schwarze Kleidung unter ihren weißen Umhängen, die mit Goldstickereien umrandet waren. Und auf ihren Rücken prangte ein großes rotes Templerkreuz. Jeder der beiden trug an seiner rechten Seite ein langes eisernes Schwert. Beide hatten langes, durch ein Band gebändigtes Haar und einen breiten Schnurrbart. Auffallend waren jedoch ihre extrem dunklen, starren Augen, die von dicken dunklen Augenbrauen gekrönt wurden. Matthew verharrte regungslos in der Ecke und atmete, so leise er nur konnte. Er wurde fast eins mit der kalten, steinernen Wand hinter ihm. Myrddins Stab unter seinem Mantel verborgen, lauschte er bis in seine Haarspitzen angespannt, ihren Worten. „Wo sind sie?“, fragte einer der beiden. „Wahrscheinlich in der Truhe“, gab der andere zurück. Der Mann kam auf Matthew zu, hielt seine Hand ausgestreckt über der Truhe und sagte: „In nomine Magistri ego praecipio tibi ut aperias te ipsum!“ Der Truhendeckel sprang auf und der Mann öffnete sie. Matthew hielt den Atem an. Er hatte in dem Moment keinerlei Möglichkeit auszuweichen, ohne ihre Aufmerksamkeit zu erregen. Doch zu seinem Glück waren die Männer so mit ihrem Auftrag beschäftigt, dass sie nichts bemerkten. Der Mann zog zwei alte Schriftrollen aus der Truhe, verschloss sie und legte erneut einen Schutzzauber um sie. „Warum braucht er die Zweite eigentlich?“, fragte der andere. „Soviel ich weiß, als Tauschmittel für einen Informanten. Der wird jedoch Augen machen, sobald er merken wird, dass man ihn betrogen und er seine Seele sinnlos verkauft hat.“ Er grinste breit und fügte noch hinzu: „Wie dumm und einfältig doch diese Menschen sind, nicht wahr? Für Gold verkaufen sie einfach alles, selbst ihre Großmutter würden sie dafür verraten!“ Der andere lachte und stimmte ihm zu. „Das ist wohl wahr. Der Meister hat ganze Arbeit geleistet, das muss man wirklich sagen. Wir sollten uns beeilen, sonst zürnt er uns wieder.“ Er gab ihm ein Handzeichen sich zu beeilen, dann schickten sie sich an, den Raum zu verlassen. Matthew reagierte sofort, ohne zu überlegen, und folgte ihnen. Diese Chance, genau dort hinzukommen wo er vielleicht mehr erfahren konnte, musste er einfach nutzen.
Derjenige, der die Schriftrollen an sich genommen hatte, öffnete das Tor: „Et incipit occultatum viam tuam. Tres enim sunt duo duo unum sint, sicut!“ Matthew stellte sich ganz dicht hinter sie und folgte ihnen blitzschnell durch das Tor, bevor es sich gleich darauf hinter ihm wieder schloss.
Dann wartete er ganz still hinter ihnen, als sie wieder bei den Steinen gelandet waren. Er beobachtete, wie der andere plötzlich seine Rechte mit gespreizten Fingern hob und Zauberformeln murmelte: „Tempus est iustus a fenestra tempus enim fumus et specula! Aperi annulum, lets 'circum undique!“ Da öffnete sich ein Riss in der Zeitachse und ein heftiger Wind kam auf. Matthew ließ sie keinen Augenblick aus den Augen und stellte sich ganz knapp hinter ihn. Von einem ohrenbetäubenden Dröhnen und Summen begleitet, setzten sie ihre Füße direkt in den mächtigen Luftstrom,